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Faktencheck Depressionen
Nur jeder Vierte erhält eine angemesse Therapie
Fast jeder Fünfte erkrankt in seinem Leben mindestens einmal an einer Depression. Mindestens die Hälfte der Betroffenen erlebt mehrere Erkrankungsepisoden. Doch um die Therapie der schwer kranken Patienten steht es nicht zum Besten: Nach dem neuesten „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung werden drei Viertel der Patienten mit schweren Depressionen nicht angemessen versorgt.
Den „Faktencheck Depression“ erstellten Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Grundlage ihrer Untersuchung waren die Daten von sechs Millionen erwachsenen Versicherten 84 unterschiedlicher Krankenkassen aus den Jahren 2008 bis 2012.
Die Ergebnisse ihrer Analyse sind alarmierend: 18 Prozent der schwer an einer Depression Erkrankten erhielten gar keine Behandlung. Lediglich ein Viertel der Patienten wurde entsprechend der Nationalen Leitlinie therapiert. So bekamen 12 Prozent die empfohlene Kombinationsbehandlung aus Antidepressiva- und Psychotherapie mit entsprechender Mindestdauer, 14 Prozent wurden angemessen stationär behandelt. 56 Prozent der Schwerkranken bekamen hingegen nur Medikamente oder Psychotherapie.
Bei der Bertelsmann-Stiftung sieht man dies mit Sorge: Würden Depressionen nicht angemessen behandelt, könnten sie chronisch werden. Außerdem hätten depressiv Erkrankte eine erhöhte Suizidgefahr. Durchschnittlich nehme sich jeder siebte schwer Depressive das Leben.
Und zwei Drittel der Patienten haben bereits die Diagnose „chronische Depression“ – doch auch von ihnen wurden nur wenige leitlinienorientiert behandelt: 31 Prozent erhielten keine Therapie und 57 Prozent lediglich Antidepressiva oder Psychotherapie. Nur etwa 12 Prozent erhielten die leitlinienorientierte kombinierte Behandlung.
Wie hoch die Chance eines Patienten auf eine angemessene Therapie ist, hängt dem Faktencheck zufolge nicht zuletzt vom Wohnort ab. So werden zum Beispiel nur 13 Prozent der Menschen im sächsischen Zwickau angemessen versorgt. Mit 40 Prozent kommt Münster (NRW) auf eine dreimal höhere Rate. Im Bundesländervergleich erreichen Nordrhein-Westfalen (30 %) und Hessen (29 %) die besten Versorgungsquoten. Schlusslichter sind Thüringen und das Saarland (beide 20 %).
Die Gründe für die Unterschiede in der Versorgung von schweren Depressionen sind vielschichtig. Eine Ursache sei das regional unterschiedliche Angebot an Psychotherapeuten sowie psychiatrischen und psychosomatischen Fachärzten. So haben Berlin, Bremen und Hamburg eine bis zu viermal höhere Therapeutendichte als die ostdeutschen Bundesländer. In Regionen mit einer höheren Versorgungsdichte werden teilweise mehr depressive Erkrankungen diagnostiziert – das kann Folge einer genaueren Diagnostik, aber auch einer möglichen Überdiagnostik sein.
Die Studienautoren zeigen nicht zuletzt auf, wie die Versorgungssituation für die Betroffenen verbessert werden kann. Insbesondere durch mehr Aufklärung, aber auch durch eine Qualitätsverbesserung der Diagnoseerstellung und eine Weiterbildung der Behandler. Sie fordern zudem Versorgungsforschung für dieses Gebiet und mehr vernetzte, integrierte Versorgungsmodelle – einige aus Autorensicht gute Praxisbeispiele nennt der Faktencheck.
Die komplette Studie, Hintergrundinformationen und Entscheidungshilfen für Betroffene und Angehörige finden Sie unter faktencheck-gesundheit.de.
Berlin - 19.03.2014, 11:35 Uhr