Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

23.03.2014, 08:00 Uhr


Die Rabattschlacht tobt , warum hört keiner auf? Warum werden große Apotheken größer und warum verlieren kleine den Anschluss? Warum läuft‘s im Ärztehaus besser als im Einkaufscenter? Wie hoch ist der gerechte Lohn für die Nachtdienstarbeit der Mitarbeiter? Warum sollen wir bei Freiverkäuflichen beraten müssen, der Supermarkt aber nicht? Was haben die Homöopathie und die ABDA-Imagekampagne gemeinsam? Warum dokumentieren wir BtM-Rezepte immer noch für 26 Cent wie vor 36 Jahren? Und sollen die PTA mehr wollen dürfen? Mein liebes Tagebuch, Fragen, die uns in dieser Woche bewegten.

17. März 2014

An der Ausschreibung der AOK für HPV-Impfstoffe wird sich der Impfstoffhersteller Sanofi Pasteur MSD nicht beteiligen. Sanofi-Chef Sadlek erklärt dazu u. a., dass solche Ausschreibungen mit exklusivem Charakter (es gibt auf dem deutschen Markt nur zwei HPV-Impfstoffe, Gardasil von SPMSD und Cervarix von GSK) Versorgungsprobleme schaffen könnten. Die Impfstoffe seien zudem nicht vergleichbar. Mein liebes Tagebuch, ein konsequenter Schritt von SPMSD. Man muss nicht jeden Schwachsinn einer Kasse mitmachen. Neueste Meldung: Die AOK hebt die Ausschreibung auf. Na also, geht doch.  

Die Umsätze in Apotheken steigen, aber nicht in allen. Apotheken mit einem Umsatz über 2 Mio. Euro legten 2012 stärker zu, kleine Apotheken hinkten hinterher oder verloren den Anschluss. Das geht aus dem neuesten Apothekenreport 2014 des Instituts für Handelsforschung hervor. Klar, wer groß ist, wer sich individuell profiliert und eine starke Marktposition hat, wird sich auch in Zukunft leichter tun als die kleine Apotheke um die Ecke in schlechter Lage, ohne Konzept, ohne Profil. Und das Handelsforschungsinstitut meint: Apothekerinnen und Apotheker müssen sich nicht mehr nur als Heilberufler behaupten, sondern auch als Kaufmann bewähren. Wie wahr! Genau dies wird auch weiterhin eine der großen Herausforderungen für den Offizinapotheker der Zukunft sein: die intelligente und sinnvolle Verknüpfung von Heilberuf und Kaufmann. Ein Spagat? Ein Dilemma? Eine Herausforderung! Mein liebes Tagebuch, wir sind gespannt, wie der Heilberuf und der Kaufmann im Leitbild miteinander verwoben werden.

18. März 2014

Alle leiden drunter, aber alle machen mit. Die Rabattschlacht im Wettbewerb der Pharmagroßhändler ist „irrsinnig, irrational“, wie es Celesio-Chefin Marion Helmes auf der Bilanzpressekonferenz ihres Unternehmens auf den Punkt brachte. Den Großhändlern verhagelt es jedes Ergebnis. Aber keiner sagt Stopp. Denn jeder weiß: Wer nicht mitzieht, fliegt raus aus dem Spiel. Da sind die Apotheker gnadenlos. Mein liebes Tagebuch, einerseits verständlich, in der heutigen Zeit nimmt jeder jedes Prozentchen mehr, auch hinter dem Komma, gerne mit, wenn es ihm angedient wird. Andererseits: gesund ist das alles nicht. Eine stärkere Oligopolisierung können wir uns alle nicht wünschen. Der Großhandel wird Service, Tourenzahl zurückfahren und Gebühren erhöhen, um nicht tiefer in die Miesen zu rutschen. Die Apotheke muss aufpassen, dass sie sich nicht von Rabatten abhängig macht. Am Tropf des Großhandels zu hängen, ist meist das Vorstadium vom Exitus. Vernünftig wäre es, zu gesünderen Strukturen zurückzukehren. Aber wer macht den Anfang? Und wie denkt die Politik darüber, wenn sie die großen Rabattspielräume sieht?

Noch ein Ergebnis vom Institut für Handelsforschung: Beim Betriebsergebnis schneiden Apotheken in Ärztehäusern am besten ab, gefolgt von Landapotheken. Und erst auf dem dritten Platz finden sich Center-Apotheken, die zwar umsatzmäßig stark dastehen können, aber hohe Kosten haben und einen geringeren Rx-Anteil als Apotheken im Ärztehaus oder auf dem Land. Nach wie vor bringen also Rezepte das Geld. Das OTC-Geschäft leidet unter starkem Preisdruck, Preiswettbewerb und der Konkurrenz durch den Versandhandel. Der Traum des Apothekers: ein Ärztehaus mit zwei Internisten, einem Allgemeinmediziner, Dermatologen, Pulmologen und vielleicht noch einem Gynäkologen.

Die polternde Oesterle-Kultur bei Celesio/Gehe scheint endgültig vorbei zu sein. Damals glaubte man noch, in Ketteneuphorie, mit DocMorris-Expansions-Strategien und abgehobenen Franchiseplänen den Markt erobern zu können. Man hat Federn (und viel Geld) lassen müssen, ist besonnener geworden. Das kann man beispielsweise bei den Äußerungen zum Lloyds-Konzept ablesen. Die Celesio-eigenen Apotheken in Europa sollen zwar bis zum Jahresende einheitlich auf Lloyds umgeflaggt werden, aber für Deutschland gibt man sich da zurückhaltender. Man will hier das Lloyds-Konzept erstmal ausführlich testen und behutsam vorgehen. Derzeit steht der Name Lloyds erst bei zwei Apotheken auf dem Firmenschild. In diesem Jahr könnten zwei weitere Apotheken das Konzept testen, das auf mehr Kundenberatung in den Bereichen Schmerz und Haut setzt und dementsprechend eine intensive Mitarbeiterschulung zur Bedingung macht. Die Zeiten, in denen man von 100 Apotheken mehr pro Jahr spricht, sind vorbei.

19. März 2014

Die seit August ausgeschüttete Notdienstpauschale weckt Begehrlichkeiten bei der Apothekengewerkschaft Adexa. Sie rechnet vor, dass die derzeitige Nachtdienstvergütung für Approbierte, auf die Stunde berechnet, zwischen 5,30 und 7,90 Euro betrage – und damit unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro liege. Adexa fordert: Nachtdienst ist wie reguläre Arbeitszeit zu vergüten. Mein liebes Tagebuch, die Forderung ist nicht aus der Luft gegriffen. Nachtdienst kann in manchen Apotheken echt harte Arbeit sein. Aber es gibt auch Apotheken, in denen nach 23 Uhr in der Regel kein Mensch mehr kommt. Wie ist die Arbeit im Apothekennachtdienst zu bewerten? Vergleichbar mit dem Bereitschaftsdienst von Ärzten? Nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) liegt immer dann Bereitschaftsdienst vor, wenn ein Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, um, sobald es notwendig ist, seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufzunehmen. Zur Vergütung sagt das Bundesarbeitsgericht: Für Zeiten des Bereitschaftsdienstes sind Abschläge hinzunehmen. Da werden harte Verhandlungen auf Adexa und den Arbeitgeberverband zukommen.

Das Schicksal der Pharmazie in Leipzig ist noch immer offen. Zur Schließung gibt es noch keine endgültige Entscheidung. Aber die Sparpolitik des Landes droht mit einem massiven Stellenabbau und dem Aus der Pharmazie. Dennoch: Wer Pharmazie studieren möchte, kann sich, so die jüngste Meldung, zum kommenden Wintersemester 2014/15 dort immatrikulieren. Die Anzahl der Plätze werde derzeit noch berechnet. Wäre schön, wenn alle Plätze vergeben werden – ein Signal: Wir brauchen die Pharmazie in Leipzig.

Er hat umgebaut und munter Stühle verrückt in seinem Ministerium, unser neuer Gesundheitsminister Gröhe. Für Apotheken sind nun zum Teil andere Mitarbeiter zuständig. Namen, die wir uns merken müssen: Birgit Naase (Unterabteilung 12, Medizinprodukte, Betäubungsmittel, Apotheken), Dr. Matthias von Schwanenfügel (Unterabteilung 11, Arzneimittel). Und auf Referatsebene ein Wechsel: Hans-Georg Will (Referat 124, Grundsatzfragen Apothekengesetz, Pharmaberufe, Apothekenbetrieb) befasst sich in Zukunft mit der Apothekenbetriebsordnung. Dr. Dagmar Krüger, in deren Zuständigkeit bisher die ApBetrO fiel, ist nun für Arzneimittelzulassung und-prüfung sowie Klinische Prüfung zuständig. Und wenn’s um Fragen der Arzneimittelversorgung in der GKV geht, werden wir es mit Michael Meier zu tun bekommen, der in diesem Referat Ulrich Dietz nachfolgt.

20. März 2014

Die Auslegung der Apothekenbetriebsordnung wird uns verfolgen, so lange es sie gibt. Zu weich, zu interpretationsbedürftig sind da viele Formulierungen. Mit einem Fragen- und Antwortkatalog versucht die Länderarbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) den Apotheken und Pharmazieräten Nachhilfe in der Auslegung der Paragraphen zu geben. (In der Arbeitsgruppe sind die Ländervertreter auf Referatsleiterebene der 16 obersten Landesgesundheitsbehörden, in der Regel der Ministerien, vertreten.) Übrigens: der Katalog der Arbeitsgruppe hat was (wer sich am Sonntag mal so richtig mit ApBetrO-Fragen zudröhnen möchte, klicke hier). Man findet dort  auch das: Nach Auffassung dieser Länderarbeitsgruppe hat die Apotheke auch bei freiverkäuflichen Arzneimitteln eine Beratungspflicht. Mein liebes Tagebuch, während der Kunde seine Multivitamin-Brause im Supermarkt einfach so in den Einkaufskorb legt und an der Kasse bezahlt, muss er in der Apotheke an der Kasse eine Pflichtberatung über sich ergehen lassen. Wie schräg ist das? Fachanwälte sagen bereits voraus, dass diese Auffassung der Länderarbeitsgruppe juristisch wohl nicht haltbar ist. Auf der anderen Seite: Wenn die Apotheke als Fachgeschäft und zur Unterstreichung ihrer Kompetenz auch zu Freiverkäuflichen ein paar Worte verliert – es schadet nicht, im Gegenteil.

Die verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil, möchte, dass die Inhaltsstoffe homöopathischer Präparate auch auf Deutsch auf der Verpackung stehen. Mein liebes Tagebuch, um Gottes willen, will Frau Heil die Homöopathie abschaffen? Das kann sie doch nicht echt wollen, oder? Wo kämen wir da hin, wenn auf der Packung „Kochsalz“ statt „Natrium muriaticum“ steht oder „Kröte“ statt „Bufo“? Wer will schon Kröten schlucken! Mal abgesehen von der entstehenden Non-Compliance: Ohne den Nimbus der lateinischen Namen, des Obscuren, des Mystischen – die Homöopathie wäre entzaubert, die ganze Heilkraft perdu. Frau Heil, lassen sie den Menschen den Spirit der Homöopathie. Auch wenn nichts drin ist – das Lateinische, das Geheimnisvolle bringt‘s. DA ist das Geheimnis!

Hat auch viel mit Zauber und Spirit zu tun: die ABDA-Imageaktion, die am Montag startet. Oder sagen wir lieber: starten soll. Denn, huhu und horribile dictu, ein Code ist erforderlich, wenn man die wunderhübschen Plakate und Aufsteller auf der Internetplattform bestellen will. Mein liebes Tagebuch: Code, Internet, ABDA – die Erinnerung kommt zurück! Da war mal was, oder? Gar nicht so lange her. Und wieder sind es drei Wochen, in denen man mit dem Code Zugang zur Bestellmöglichkeit haben soll. Immerhin, die Übungsphase beim Leitbildprozess ist absolviert. Sollte also dieses Mal alles gutgehen, dann kommt man rein, darf Materialien bestellen und kann an der Imagekampagne mitmachen: „Näher am Patienten“ heißt die Drohung, konzipiert von der Münsteraner Kommunikationsagentur Cyrano. Das ist die mit dem Leitbildprozess. Die Kampagne soll ein Umfeld für die Umsetzung des Leitbildes schaffen. Aha! Und die Sympathiewerte des Apothekers stärken. Aha! Mein liebes Tagebuch, dann kann man wählen, ob man sich als Katerberater, Tränentrockner oder Besserwisser in seinem Schaufenster präsentiert. Lustig, nicht wahr? Also, jetzt, mitmachen! So schnell wird’s keine Kampagne mehr geben.

21. März 2014

Seit 36 Jahren gibt es den gleichen Betäubungsmittelzuschlag für Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der Apotheke. Früher 50 Pfennige, heute 0,26 Cent. 36 Jahre lang wurde er nicht angepasst. Volkswirtschaftler und Ökonomen könnten uns vorrechnen, was damals 50 Pfennige wert waren und 26 Cent heute. Die Anforderungen sind gestiegen, z. B. die Software zur Dokumentation gab’s früher nicht. Klar, BtM kommen nicht so häufig vor, aber Kleinvieh macht auch Mist. Mein liebes Tagebuch, es ist höchste Zeit, dass hier etwas geschieht. Auch bei den Rezepturarbeitspreisen. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, hat auf einem parlamentarischen Abend die Politiker aufgefordert, hier etwas zu tun. Und er hat auch die von Apotheken für die Kassen gratis erbrachten Inkassoleistungen ins Spiel gebracht. Und dass die Notdienstpauschale, so erste Hochrechnungen, voraussichtlich nur wenig mehr als 100 Mio. statt der zugesagten 120 Mio. Euro bringt. Herr Becker, bleiben Sie dran, dann sind Sie der Mann der Woche.

PTAs. Wollen. Mehr. Ja, mein liebes Tagebuch, mehr Ausbildungszeit, mehr Verantwortung. (Mehr Geld?) Der Berufsverband der PTA hat dem Bundesgesundheitsministerium Vorschläge für eine Novellierung des PTA-Gesetzes und der Ausbildungsordnung übergeben. Der Beruf soll attraktiver werden mit einer dreijährigen Ausbildung und einer besseren Beschreibung von Kompetenzen. Die ABDA wollte bisher nicht so recht ran an diese Forderungen. Jetzt muss sie. Was wollen wir Apothekerinnen und Apotheker? Was sollen wir wollen? Was sollen PTA dürfen?


Peter Ditzel


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