Lieferengpässe

Verharmloste Probleme?

Berlin - 03.04.2014, 17:13 Uhr


Nach wie vor sind Lieferengpässe bei verschiedenen Arzneimitteln und Impfstoffen ein Thema für die Medien. Heute hat der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) seine Sicht auf die Dinge kundgetan: Die wenigsten Lieferengpässe führten auch zu Versorgungsengpässen, erklärte vfa-Geschäftsführer Siegfried Throm. Hans Rudolf Diefenbach, stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes, zeigte sich erzürnt: Der vfa verharmlose die Lieferprobleme.

Meist seien Generika von den Engpässen betroffen, so Throm. Für sie gebe es Alternativen. Was die derzeit vielfach vermissten Schilddrüsenhormone angeht, räumte er ein, dass ein Präparatewechsel „nicht trivial“ sei und daher mit Vorsicht erfolgen müsse. Den Grund für den derzeitigen Engpass bei Schilddrüsenpräparaten sieht Throm nicht zuletzt in der erhöhten Nachfrage aus China. Das riesige Land mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern hat 2011 einen Fünf-Jahresplan für Gesundheit aufgelegt, der dafür sorgen soll, dass auch die Menschen auf dem Land und solche ohne Arbeit versorgt sind. 20 Krankheiten deckt der Plan mittlerweile ab, seit 2012 ist auch die Schilddrüsenüberfunktion dabei.

Andere Ausfälle – etwa eines Herstellers von Metoprolol – seien weniger kritisch, weil viele andere Anbieter lieferfähig seien. Das Antibiotikum Fosfomycin – ein alter Wirkstoff, der in Zeiten vieler Resistenzen gerade eine Renaissance erlebt – sei nur in bestimmten Wirkstärken nicht lieferbar. Der zeitweilig nicht verfügbar Windpocken-Impfstoff von GlaxoSmithKline sei ebenfalls wieder verfügbar. Tatsächlich keine Alternative gebe es zu dem Krebsmittel Carmustin (100 mg Ampullen) – doch dieses werde nur sehr selten eingesetzt.

Throm erläuterte die vielfältigen Ursachen, die hinter den Engpässen stehen können. Grund kann beispielsweise ein Problem in der Produktionsanlage sein, bei Transporten kann es zu Schwierigkeiten kommen, zuweilen wird eine Charge wegen Mängeln zurückgerufen oder die Nachfrage ist plötzlich stark erhöht. Angesichts der vielen möglichen Störfaktoren gebe es „das eine Patentrezept“ gegen Lieferengpässe nicht, so Throm. Er stellte aber klar, dass die Hersteller alles daran setzen, solche Engpässe zu vermeiden – schließlich geht es um ihre Kunden, ihren Umsatz und die Patientenversorgung.

Der vfa hat durchaus Ideen, wie sich die Engpässe minimieren ließen. Etwa indem die Vergütung der Kassen den Leistungserbringern Spielraum für Lager und Kapazitäten lassen. Auf Impfstoff-Ausschreibungen sollte verzichtet werden. Quoten und Verordnungsvorgaben für Ärzte müssten verschwinden, Auswirkungen von Rabattverträgen für Arzneimittel genau im Auge behalten werden. Am sichersten sei die Versorgung, wenn eine Anbieter- und Produktvielfalt besteht, so Throm. Kritisch sieht er auch die deutsche Reimport-Regelung. Sie könne immerhin Engpässe im Ausland verursachen.

Throm – selbst gelernter Apotheker – räumt ein, dass die derzeitigen Probleme zuerst die Apotheker treffen, sie stünden bei Lieferengpässen zwischen allen Fronten: „Sie müssen ein Ersatzpräparat suchen, ihre Auswahl gegebenenfalls mit dem verschreibenden Arzt abstimmen und dann dem Patienten erklären, warum er das gewohnte Medikament nicht erhält. Schließlich müssen sie noch eine Auseinandersetzung mit der Krankenkasse fürchten, die sich auf das Produkt eines bestimmten Herstellers festgelegt hat.“

Diefenbach sieht die Probleme heruntergespielt: „Die Aussage, in der Regel könnten die Hersteller nach ein paar Wochen wieder liefern, macht mich einfach nur fassungslos“, so der HAV-Vize. „Das kann man doch keinem Patienten, der z.B. an Krebs oder anderen Krankheiten leidet und dringend auf seine Arzneimittel angewiesen ist, ins Gesicht sagen“. Diefenbach hält Throm Unkenntnis der Sachlage vor – und lädt ihn zugleich zu einem Besuch in seine Apotheke ein. „Ich bin gespannt, auf welches Verständnis er mit diesen Aussagen bei betroffenen Patienten stößt“.


Kirsten Sucker-Sket


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