Internationaler Konsens

Hilfe für Menschen mit Arzneimittelunverträglichkeit

Berlin/Remagen - 16.04.2014, 08:52 Uhr


Über sieben Prozent der Gesamtbevölkerung sind von Arzneimittelunverträglichkeiten betroffen – für die Betroffenen ein großes Gesundheitsproblem, für das Gesundheitssystem ein enormer Kostentreiber. Vier internationale Organisationen haben daher einen ersten Konsens erarbeitet, der neue Lösungsansätze für Menschen mit Arzneimittelallergien schaffen soll. Das Positionspapier wurde Ärzten und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt am vergangenen Wochenende vorgestellt.

Arzneimittelunverträglichkeiten können zu lebensbedrohlichen Situationen führen, Krankenhausaufenthalte erforderlich machen oder diese verlängern, erklärt die Europäische Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) in einer Mitteilung. Das habe „exzessive Kosten für das Gesundheitssystem zur Folge“. Die genauen Kosten ließen sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beziffern, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Allerdings dürften dabei nicht nur direkte Kosten (Krankenhausaufenthalte, Behandlungen etc.), sondern es müssten auch indirekte Kosten (Abwesenheiten im Beruf, Invalidität etc.) einbezogen werden.

Nachdem ein Mangel an Informationen und allgemeinen Empfehlungen erkannt wurde, schlossen sich vier Fachorganisationen im Bereich Allergologie und klinische Immunologie zusammen (EAACI, AAAAI, ACAAI, WAO) und riefen gemeinsam die „International Collaboration in Asthma, Allergy and Immunology“ (iCAALL) ins Leben, um Hilfsmittel zur Unterstützung medizinischer Entscheidungen zu schaffen und die Behandlung von Arzneimittelallergien in der klinischen Praxis zu verbessern. Sie prüften und aktualisierten die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das Ergebnis – der „International Consensus on drug allergy“ – wurde nun im Rahmen des „6th Drug Hypersensitivity Meeting“ unter der Schirmherrschaft der EAACI vorgestellt.

Laut dem Positionspapier können Arzneimittel verschiedene Arten von immunologischen Reaktionen auslösen – zusammen mit nicht-allergischen Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel (DHRs) machen sie 15 Prozent aller unerwünschten Wirkungen aus. Nicht selten führen sie zur Rücknahme eines Arzneimittels vom Markt. Der Begriff „Überempfindlichkeitsreaktion“ sollte allerdings nicht mit „Allergie“ in einen Topf geworfen werden. Überempfindlichkeitsreaktionen werden nur dann als Allergie klassifiziert, wenn ein immunologischer Mechanismus (Arzneimittel-spezifischer Antikörper oder T-Zelle) nachgewiesen ist. Vom Mechanismus her können Überempfindlichkeiten daher allergisch oder nicht-allergisch bedingt sein – wichtig für nachfolgende Therapieentscheidungen.

Es müssen zwei Arten von DHRs unterschieden werden. Sofortreaktionen treten in der Regel innerhalb von ein bis sechs Stunden nach der letzten Verabreichung eines Medikaments auf. Sie manifestieren sich häufig als isolierte Urtikaria, Angioödem, Rhinitis, Konjunktivitis, Bronchospasmus, gastrointestinalen Symptomen, in schlimmen Fällen auch als anaphylaktischer Schock. Nicht-Sofortreaktionen können ab einer Stunde nach der erstmaligen Gabe auftreten. Sie betreffen meist die Haut mit verschiedenartigen Symptomen. Allein oder zusammen mit den Hautsymptomen können sie auch die inneren Organe in Mitleidenschaft ziehen und eine Hepatitis, Niereninsuffizienz oder Lungenentzündung auslösen.

Die Diagnose von Unverträglichkeiten ist oft schwierig und erfordert eine vorsichtige Herangehensweise, heißt es weiter im Positionspapier. Provokationstests sind der Goldstandard für die Bestimmung, aber sie erfordern Know-how und eine gewisse Risikobereitschaft. Deshalb sollten sie nur in hoch spezialisierten Zentren eingesetzt werden, um eine Diagnose abzusichern oder auszuschließen.


Juliane Ziegler/Dr. Helga Blasius