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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Hamburgs Pharmazie wackelt, in NRW machen PTA-Schulen dicht – traurig. Null-Retax bei Formfehlern – ist das Letzte. Aber es geht auch anders, wie der LAV Ba-Wü mit der Landespolizei ausgehandelt hat. Die ABDA definiert das Medikationsmanagement – endlich, so wird’s was. Mein liebes Tagebuch, aber was heute wirklich zählt, ist: das Netz. Netzwerk ist alles. Und alles muss ins Netz. Aber auf der richtigen Seite.
7. Juli 2014
Null-Retax wegen Formfehler – ein großes Ärgernis für Apotheken. Dass es auch anders geht, zeigt ein neuer Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, der für heilfürsorgeberechtigte Polizeibeamte des Landes ab 1. Juli gilt. LAV und die Heilfürsorge BWL als Kostenträger haben vereinbart, dass formale Fehler auf Verordnungsblättern, z. B. ein fehlender Arztstempel oder eine fehlende Gebrauchsanweisung bei BtM nicht zur Retaxation auf Null berechtigen. Solche ärztlichen Formfehler können im Rahmen eines Beanstandungs- und Einspruchsverfahrens nachträglich geheilt werden. Der Kostenträger hat das Rezept zur Behebung formaler Mängel an die Apotheke zurückzusenden. Und wenn die Apotheke gegen gesetzliche oder vertragliche Abgabebestimmungen verstößt, dann kann der Heilfürsorgeträger nur den Ausgleich des ihm entstandenen wirtschaftlichen Schadens verlangen, z. B. die Preisdifferenz. Eine Vollabsetzung wäre nur denkbar, wenn z. B. ein abgegebenes Präparat nicht unter die Leistungsverpflichtung des Heilfürsorgeträgers fällt. Mein liebes Tagebuch, gute Arbeit vom LAV. So muss es sein. Das ist ein faires und vorbildliches Miteinander von Kostenträger und Apotheke. Wann übernehmen auch die anderen Krankenkassen diesen Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag?
8. Juli 2014
Das hört sich nicht gut an: Die geringe Institutsgröße der Pharmazie in Hamburg birgt die Gefahr des langsamen Ausblutens. Stellen liegen über Jahre brach und werden nicht neu besetzt. Eine Professur wurde schon auf eine Juniorprofessur herabgestuft. Bereits vor ein paar Jahren stand die Pharmazie in Hamburg vor der Schließung, sie konnte aber abgewendet werden. Würde die Pharmazie in Hamburg dicht gemacht, wäre dies ein Verlust für die Hamburger Apotheker und für die Stadt. Mein liebes Tagebuch, aber wieso ist es so weit gekommen? Woran liegt’s? Ist es die Sparwut eines Landes? Warum werden Stellen nicht besetzt oder umgewidmet? Zeigen die Institutsmitarbeiter genug Flagge?
9. Juli 2014
Je tiefer man in das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen einsteigt, umso mehr muss man sich über die Betrachtungsweise dieser Gutachter ärgern. Nach ihrer Ansicht gibt es zu wenig Wettbewerb im Apothekenbereich. Der Wettbewerb beschränke sich auf nicht verschreibungspflichtige Medikamente, außerdem stünden dem Wettbewerb wettbewerbshemmende staatliche Regulierungen im Apothekenbereich entgegen. Die Gutachter könnten sich Wettbewerb auch bei Rx-Arzneimitteln vorstellen. Na, mein liebes Tagebuch, das möchte ich mir lieber nicht vorstellen, was das angesichts von Mafiaimporten, Lieferengpässen und das, was man heute schon bei Rabattverträgen sieht, für eine sichere Versorgung bedeuten würde. Ja, und dann habe Deutschland eine vergleichsweise hohe Apothekendichte, sagen diese Gutachter, was auf eine geringe Wettbewerbsintensität hindeute. Mein liebes Tagebuch, was sind da für Köpfe im Sachverständigenrat? Glauben die wirklich, dass man die Arzneimittelversorgung mit allem, was dazu gehört, nur unter wirtschaftlichem und wettbewerblichem Blickwinkel sehen soll? Da ist die Politik bemüht, die flächendeckende Versorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten, auch auf dem Land, da bemühen sich Apothekerkammern, den Nacht- und Notdienst so zu gestalten, dass die Menschen möglichst kurze Wege zur Nachtdienstapotheke haben – und die Gutachter würden es lieber sehen, wenn es weniger Apotheken gäbe? Das Apothekenwesen und die Arzneimittelversorgung kann man nur begrenzt durch die Wettbewerbsbrille sehen. Es müssen beispielsweise auch Leistungen und Arzneimittel verfügbar sein, die unter merkantilen Gesichtspunkten unrentabel sind. Oh, ihr Gutachter, hier geht es um Bekämpfung von Krankheiten, es geht auch um Leben und Tod.
Es haben zwar schon andere Kammern und die Apotheker auf dem Pharmacon-Kongress Resolutionen gegen Null-Retaxationen verabschiedet, aber eine mehr kann nicht schaden. Auch die Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg hat sich einstimmig gegen Null-Retaxationen bei Formfehlern ausgesprochen. Und es ist ja auch wirklich eine bodenlose Quälerei von Apotheken, wenn Krankenkassen wegen belangloser Formfehler der Ärzte ein abgegebenes Arzneimittel nicht erstatten. Mal auf den Punkt gebracht: Das ist Abzocke. Hier muss eine Gesetzesänderung her, oder die Arzneimittellieferverträge müssen neu ausgehandelt werden (siehe den Liefervertrag mit der Heilfürsorge BWL, wie oben beschrieben – so geht’s auch).
10. Juli 2014
1500 Apotheken haben die erforderliche Selbsterklärung für den Nacht- und Notdienstfonds zur Menge der abgegebenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel für das dritte und vierte Quartal 2013 noch immer nicht abgegeben, teilt der Nacht- und Notdienstfonds des Deutschen Apothekerverbands mit. Mein liebes Tagebuch, wie finden wir das? Unkollegial ist noch eine milde Umschreibung dafür. Mehr als schade, dass diese Apotheken glauben, hier ausscheren zu müssen. Letzte Frist, die versäumte Abgabe nachzuholen, ist der 25. Juli. Danach wird geschätzt. Recht so, und nicht zu gering. Und eine Bearbeitungsgebühr von 46 Euro wird auch fällig. Die hätte auch höher ausfallen dürfen.
Ist ja nett und in Ordnung, wenn der Bayerische Apothekerverband in seiner Mitgliederversammlung fordert, dass Honoraranpassungen überfällig sind, insbesondere Anpassungen von Sonderentgelten wie Rezepturzuschlag und BtM-Gebühr. Aber diese Forderungen schallen schon über zwei Jahre durch die Hallen von Verbänden und Kammern – und passiert ist nichts, fast nichts, vielleicht in paar Kontakte zu Politikern, die Versprechungen abgeben – die so gut halten wie der Pudding, den man an die Wand nagelt. Der Druck muss von unserer Seite stärker werden. Was wir konkret wollen: BtM-Gebühr auf mindestens 8 Euro, damit der Mehraufwand kostendeckend ist. Und bei den Rezepturen als erste Stufe 8,35 Euro für die Abgabe, und in der zweiten Stufe eine Anpassung der Arbeitspreise. Also, auf geht’s.
Hach, das war knapp. Oder gerade noch rechtzeitig: Die ABDA stellte ihr Grundsatzpapier zur Medikationsanalyse und zum Medikationsmanagement vor. Mein liebes Tagebuch, bevor jeder Pfleger, der Arzneimittel stellt, jeder Enkel, der seiner Oma die Arzneimittel in ein Dosett abzählt, und jeder Softwarehersteller sagt: „Wir können Medikationsmanagement“, war eine klare Definition überfällig. Jetzt liegt es auf dem Tisch, das Grundsatzpapier zur Medikationsanalyse und zum Medikationsmanagement. Es legt fest, was genau darunter zu verstehen ist und was man davon erwarten kann. Und es macht deutlich, dass es eine genuin apothekerliche Tätigkeit ist. Punkt. Das Papier sollte sich jetzt jede Apotheke durchlesen und entscheiden, ob sie sich auf diesem Gebiet engagieren will. Sicher, nicht jede Apotheke will das und kann das. Aber wer sich damit befasst, wird feststellen: Das ist eine befriedigende Tätigkeit für den Heilberuf Apotheker 2.0 – sie ist zukunftsweisend. Also, jetzt müssen so rasch wie möglich Curricula auf die Beine gestellt werden für die Fortbildungskurse. Parallel dazu muss ein Konzept ausgearbeitet werden zur Honorierung: Entweder der Patient bezahlt dafür oder seine Krankenkasse.
11. Juli 2014
Schluss, aus, vorbei. Nach der PTA-Schule in Minden hat die PTA-Schule in Hagen, wie angekündigt, dicht gemacht. Nach Auffassung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe muss das ein „Weckruf“ für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sein, die die Unterstützung der Fördermittel für alle PTA-Schulen in NRW gestrichen hat. Laut Wahlversprechen soll in NRW eine kostenfreie Ausbildung von der Kita bis zur Uni möglich sein. Ach ja, mein liebes Tagebuch, was sind schon Wahlversprechen. Und trotzdem macht es traurig und wütend, wenn man einerseits die Verschwendung von Steuergeldern sieht und andererseits nicht einmal im Vergleich dazu bescheidene Eurobeiträge locker gemacht werden für Bildung und Ausbildung. Wenn da kein Umdenken erfolgt, wird die PTA-Schule in Hagen nicht die letzte gewesen sein. Da stecken noch weitere PTA-Schulen in NRW in der Krise. Mein liebes Tagebuch, wo soll der dringend benötigte PTA-Nachwuchs herkommen?
Der Bundesrat hat‘ s durchgewunken, ab 2015 tritt es in Kraft: das „GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz“. Dann sinkt der Beitragssatz in der Krankenversicherung von 15,5 auf 14,6 Prozent – dafür werden die 50 Millionen Kassenmitglieder wohl mit Zusatzbeiträgen beglückt. Außerdem kommt noch ein Institut, das Daten zur Qualität der Kliniken auswerten soll. Krankenhausvergleiche nach Behandlungserfolgen sollen im Internet möglich werden. Mein liebes Tagebuch, was meinst du, wird es eines Tages auch Apothekenvergleiche im Internet geben?
Lieber Netzwerk als Netzstrümpfe. Wirklich? Na ja, alles wird vernetzt, es geht nur noch mit Netzwerk. Mein liebes Tagebuch, die zweite Dekade der 2000er Jahre sind die Jahre des Netzwerkens. Wo man auch hinschaut: Alles will sich vernetzen, Einzelkämpfer sterben aus. Wer nicht in einem Netz hängt, fällt durch. Also, Apotheker und Ärzte müssen sich vernetzen, müssen enger zusammenarbeiten. Sagt unser Perspektivpapier, sagt auch das Gesundheitsleitbild von Baden-Württemberg, in dem die intensivere Vernetzung und Kooperation der Heilberufe eine zentrale Rolle spielt. Außerdem muss ein gutes „Schnittstellenmanagement“ her, heißt es da, zwischen Haus- und Fachärzten, Apothekerinnen und Apothekern und anderen Gesundheitsberufen. Schnittstellenmanagement – mein liebes Tagebuch, auch so ein Wort, das wir lieben! Klingt superrichtig und superwichtig, aber wie geht’s und wer macht’s? Vielleicht der Schnittstellenmanager? Alias der Netzwerkmanager? Wir schlagen vor: den Fachapotheker für Netzwerkmanagement. Ausgestattet mit einer Netzkarte der Deutschen Bahn knüpft er ein Einkaufsnetz für Gesundheitsdienstleistungen.
Aber das echte Netz, das wirklich zählt, werden wir heute Abend sehen: beim Finale. Also, Daumen drücken, von mir aus auch in Netzstrümpfen.
13. Julii 2014, 23:36 Uhr
Mein liebes Tagebuch, kleiner Nachtrag (das muss jetzt sein): Wie fragte noch der "Spiegel" auf seinem aktuellen Titel: "Wir sind wieder ...wer?". Ja,
"Wir ! Sind ! Weltmeister !
Herzlichen Glückwunsch an die deutsche Nationalmannschaft.
Könnte doch auch auf uns Apothekers abfärben, oder? Können, Ausdauer, Selbstbewusstsein: Wir ! sind ! Apotheker !
Stuttgart - 13.07.2014, 08:00 Uhr