Seltene Erkrankungen

Besseres Networking in Europa

Remagen - 12.09.2014, 08:48 Uhr


Die Verbesserung der Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen ist auf der Agenda der europäischen Gesundheitspolitik hoch angesiedelt. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte die Europäische Kommission im Jahr 2008 entschieden, dass hierzu eine umfassende Strategie entwickelt werden sollte. Wenige Monate später folgte eine Empfehlung des Rates mit klaren Vorgaben. Über die Ergebnisse dieser „To do-Liste“ hat die Europäische Kommission nun berichtet.

Bis zum ersten Quartal des Jahres 2014 verfügten sechzehn Mitgliedstaaten über nationale Pläne oder Strategien gegen seltene Krankheiten, verglichen mit nur vier im Jahr 2008. Darunter sind große Länder wie Deutschland, Frankreich und Spanien, aber auch kleine und wirtschaftlich schwächere wie Bulgarien, Zypern und Litauen. Vorreiter ist Frankreich, das seinen ersten Plan sogar schon vollständig implementiert hat.

Auf dem Gebiet der Forschung ist die EU mit annähernd 120 relevanten Verbundprojekten für seltene Erkrankungen und einem Gesamtbudget von über 620 Millionen Euro im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms (FP7) ganz groß eingestiegen. In Deutschland stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter anderem Mittel in Höhe von rund 20 Millionen Euro pro Jahr für Initiativen wie zum Beispiel das National Genome Research Network (NGFN), innovative Therapien, regenerative Medizin oder Molekulardiagnostik bereit. Mit dem EU-finanzierten ERA-NET-Projekt E-RARE-2 sollen die nationalen und regionalen Forschungsprogramme unterstützt und besser vernetzt werden.

Eine wichtige Rolle schreiben die EU-Politiker auch Patientenregistern und Datenbanken auf dem Gebiet der seltenen Krankheiten zu. Sie können vor allem helfen, die Versorgung zu verbessern, und zwar national wie auch grenzüberschreitend. Anfang Januar 2014 wurden fast 600 solcher Register verzeichnet, darunter nationale, europäische und sogar weltweite. Die meisten sind in öffentlichen und akademischen Institutionen etabliert, ein kleiner Anteil auch bei Pharma- oder Biotech-Unternehmen oder Patientenorganisationen. Demnächst soll eine einheitliche Europäische Plattform hierfür zur Verfügung stehen.

Auch das Networking der Betroffenen hat nach der Analyse der Kommission beträchtliche Fortschritte gemacht. Nach Angaben des unter anderem von der EU-Kommission geförderten Informationsportals „Orphanet“ gab es Ende 2013 nicht weniger als 2500 spezifische Patientenorganisationen für einzelne seltene Krankheiten, die meisten allerdings bislang jeweils auf nationaler Ebene.

Die Entwicklung von Arzneimitteltherapien für seltene Erkrankungen ähnelt der Suche nach der „Stecknadel im Heuhaufen“. So ist auch die Zulassungsbilanz auf diesem Sektor noch recht verhalten. Anfang 2014 hatte die Europäische Kommission mehr als 90 Orphan-Präparate genehmigt. Etwas mehr als 1000 Produkte sind als Orphan-drugs ausgewiesen, aber damit noch lange nicht zugelassen. Und auch nach der Marktgenehmigung ist die Behandlung der Patienten mit den neuen Mitteln kein Automatismus. Die Präparate sind in der Regel sehr teuer, und in vielen Ländern der EU wird die Versorgung durch knappe Kassen verzögert oder behindert.


Dr. Helga Blasius