Eppendorfer Dialog

Ersetzt das Internet künftig die Heilberufe?

Hamburg - 13.11.2014, 14:11 Uhr


Ob das Internet die Heilberufe ersetzen wird, war das Thema des gestrigen Eppendorfer Dialogs in Hamburg. Gastgeber Prof. Dr. Matthias Augustin, Versorgungsforscher am Uniklinikum Eppendorf, und seine Gäste waren sich einig, dass Kranke die persönliche Begleitung durch Heilberufler brauchen und die menschliche Komponente wesentlich zum Therapieerfolg beiträgt.

Der Arzt und Publizist Dr. Werner Bartens, beklagte, die Inhalte im Internet seien durch ökonomische Interessen geleitet und Treffer seien zufällig. Dennoch sei nicht die Internetmedizin, sondern das Gesundheitssystem „krank“. Medizin werde zu sehr nach marktwirtschaftlichen Prinzipien betrieben. Um mehr Leistungen zu erbringen, würden medizinische Grenzwerte gesenkt, neue Krankheiten erfunden und nutzlose Untersuchungen veranlasst. Dies verunsichere die Patienten, die daher Informationen aus dem Internet suchen, dort aber nur eine Scheinsicherheit finden würden. Stattdessen sollte das Menschliche in der Medizin durch geeignete Anreize gestärkt werden, empfahl Bartens.

Walter Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, erinnerte daran, dass schon früher nach Gesundheitssendungen im Fernsehen viele Patienten die dort beschriebenen Symptome präsentiert hätten. Plassmann beklagte, dass die Information allein dem Patienten nicht hilft, räumte aber ein, dass vorinformierte Patienten eher ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem Arzt führen könnten. Letztlich könne aber die ärztliche „Kunst“ nicht digitalisiert werden.

Wimmer startete vor etwa einem Jahr einen medizinischen Blog und bietet Videos zur Erklärung medizinischer Sachverhalte an. Die große Nachfrage danach zeige, wie wichtig leicht verständliche Kommunikation zu grundlegenden medizinischen Themen ist. Das Interesse der Patienten an medizinischen Informationen im Internet erklärte Wimmer mit der ständigen Verfügbarkeit: „Dr. Google ist immer da.“ Doch zu den Inhalten würde der Kontext fehlen.

Siemsen beschrieb das Internet als „Segen und Fluch zugleich“. Die Apotheker seien technischen Lösungen gegenüber aufgeschlossen und das Internet unterstütze die intelligente Vernetzung der Heilberufler. Doch für die Patienten gehe die gesuchte Information oft unter und ärztliche Diagnose sei mehr als ein Frage-Antwort-Spiel, erklärte Siemsen mit Blick auf Internetkonsultationen zur Rezeptausstellung. Zudem beklagte er, dass Verbraucher seriöse Informationen nicht erkennen könnten. Als Resümee folgerte Augustin, in Zukunft seien Arzt und Apotheker plus Internet gefragt, aber das Internet könne die persönliche Beziehung mit Vertrauen und Zuwendung nicht ersetzen.


Dr. Thomas Müller-Bohn