Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

23.11.2014, 08:00 Uhr


War windig in dieser Woche! Winds of tests rauschen durchs Land – diesmal nicht von Glaeske-Magazinsendungen, sondern von den Kammern selbst. Beratung und Rezepturen sollen getestet und besser werden. Recht so. Das passt zum Wind, den die Pharmazieräte machen: mehr Heilberuf im Apothekerberuf. Und ‘ne ordentliche Fantaschale in der Rezeptur! Und ein kleiner Sturm kündigt sich aus dem Apothekerhaus an: Die Apothekerausbildung soll reformiert werden, verkündet der ABDA-Präsident. Da muss er sich beeilen. Sonst bläst der Wind das Palais weg, bevor es verkauft werden konnte. Und der Orkan kommt von Gesundheitsminister Gröhe: die Pille danach aus Apothekerhand. Dass wir das noch erleben dürfen!

17. November 2014

Unsere Pharmazieräte halten die gute alte Pharmazie hoch, mein liebes Tagebuch. In einer  Resolution, beschlossen auf ihrer Jahrestagung, befassen sie sich intensiv mit Geräten für die Rezepturherstellung. Es müssen künftig Fantaschalen und Pistill aus Glas oder Metall vorhanden sein, weil die Melamin-Fantas Arzneistoffe absorbieren können. Warum man diese Erkenntnis erst im Jahr 2014 hat, ist ein bisschen rätselhaft, oder? Und zur Laborausstattung: Nahinfrarot (NIR) ist zwar chic, reicht aber nicht, meinen die Pharmazieräte, es müssen ergänzende Möglichkeiten zur Identitätsprüfung vorhanden sein. Na klar, wenn der Strom ausfällt. Was auch in der Resolution steht: Die Pharmazieräte sehen die Zukunft des Apothekerberufs als akademischen Heilberuf. Und weiter: Apotheken müssen schon beim Betreten als solche erkennbar sein und eine Beratung muss bei jeder Abgabe angeboten werden. Na, mein liebes Tagebuch, das ist doch mal Klartext. Nur, woran erkennt man heute eigentlich eine Apotheke als solche? So ein feiner Apple-Store sieht auch irgendwie nach Apotheke aus und Beratung gibt’s an jedem Tisch.

18. November 2014

So, so, Ärzte und Apotheker tricksen. Das meint zumindest der Norddeutsche Rundfunk in seinem Fernsehbeitrag „Die Tricks der Ärzte und Apotheker“. Die Machart solcher Beiträge ist immer wieder die gleiche: Testpersonen ziehen los, rufen bei Arztpraxen an und kaufen in Apotheken, eine Redakteurin der Sendung erläutert dem Zuschauer die Vorgehensweise mit einer Sprechweise, die an Krimis erinnert, unterlegt mit Geräuschen und Chill-Music, alles gestreckt und gedehnt auf 45 Minuten. Muss ja ein bisschen unterhaltsam sein für den müden Fernsehzuschauer auf der Couch.  Und, kam was Neues dabei raus? Nein, mein liebes Tagebuch, nur das, was man eh schon weiß. Privatpatienten bekommen ein bisschen früher einen Arzttermin, Apotheker raten nicht immer selbstlos zu Wadenwickeln, sondern verkaufen gern mal was, auch Arzneimittel, die Herrn Glaeske nicht gefallen, und die ach so teure Apothekenkosmetik ist nicht unbedingt besser als die Dromarkt-Eigenmarke. Ach, das sollen Tricks gewesen sein? Das ist doch alles bekannt. Oder hat der NDR getrickst?

Ein Test-Wind weht durchs Land, in Niedersachsen bläst er eher als mildes Lüftchen. Dort hat die Apothekerkammer beschlossen, Mystery-Shopper in Apotheken zu schicken. Das sind also keine kleinen Glaeskes, die vom Apotheker im Beratungsgespräch den halben Mutschler erwarten, sondern fachunkundige Shopper, die eine einfach feststellbare Beratungsqualität beurteilen sollen. Die Testkäufer sollen prüfen, ob dem Kunden mit einem Präparatewunsch aktiv eine Beratung angeboten und die entscheidenden Fragen gestellt werden, also beispielsweise für wen das Arzneimittel bestimmt ist. Mein liebes Tagebuch, das kann doch nicht so schwer sein. Oder doch? Mal unter uns: Warum ist es in einigen Apotheken immer noch nicht üblich, so kleine Nachfragen zu stellen? Eine Frage geht immer – wenn das in allen unseren Apotheken Standard wäre, wär schon was erreicht. Also, ein dickes „Gefällt mir“ für die Mystery-Shopper-Aktion.

19. November 2014

Auf der Hamburger Kammerversammlung war zu erfahren: Bald kommt das Aus für das Palais in Berlin. Ein Makler hat schon rund 20 Objekte zur Miete, zum Kauf oder zum Neubau für ein neues Apothekerhaus in Berlin präsentiert. Wenn alles gut geht, könnte den ABDA-Gremien schon Ende dieses Jahres oder in der ersten Hälfte des nächsten Jahres eine Feinauswahl vorgelegt werden, hieß es. Da kommt Freude auf, mein liebes Tagebuch: Die Tage des alten Apotheker-Protzkastens sind gezählt. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden hoffentlich schon bald aus den Kabäuschen in richtige  Büroräume umziehen können. Aber es könnte auch ein wenig Trübsal aufkommen – aufs kuschelige Kaminzimmer wird man im neuen Objekt wohl verzichten müssen und: Wie hoch wird der Verkaufsverlust sein? Ach, mein liebes Tagebuch, irgendwann schreib ich mal ein Buch „Die ABDA – fürstliche Jahre im Palais“ oder so.

Easy mag container. Wäre es nach den Wünsche der easyKooperation gegangen, hätte es schon längst, zumindest seit Anfang 2014 eine easyApotheke als Modul-Apotheke in einem Container auf einem Parkplatz geben sollen. Aber deutsches Baurecht, komplizierte Genehmigungsverfahren, vielleicht auch der Brandschutz hätten zu Verzögerungen geführt. Na, mein liebes Tagebuch, ist ein lustiges Experiment, aber ob man Container-Apotheken unbedingt braucht?  Ist vielleicht doch nicht alles so easy.

Jetzt ist es raus. Die ABDA möchte das Pharmaziestudium reformieren. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt las auf der Delegiertenversammlung der Bayerischen Landesapothekerkammer den pharmazeutischen Hochschullehrern die Leviten. Denn die scheinen sich immer noch ein wenig zu zieren, wenn es um eine Reform der Pharmazeutenausbildung geht. Doch Schmidt machte deutlich: Auf dem Feld der Qualifikation und hier insbesondere bei Struktur und Inhalt des Pharmaziestudiums darf es kein „Weiter so“ geben. Schmidt wörtlich: „Ich werde alles dafür tun, die Universitätsausbildung zu reformieren.“ Ihre Worte in Professores Ohren, Herr Schmidt! Mein liebes Tagebuch, wenn wir das Perspektivpapier ernst nehmen und überhaupt: Die Anforderungen an einen modernen Apotheker haben sich gewandelt, von ihm werden heute andere Qualitäten verlangt als es noch 1989 bei der letzten Reform der Fall war. Und ob es reicht, die neuen geforderten Qualitäten in den dritten Prüfungsabschnitt zu packen, wie es einige Hochschullehrer gerne fordern, sei dahingestellt. Will man ernsthaft einen modernen Apothekerberuf schaffen, dann kommt man um eine Reform nicht herum.

Voll auf eine bessere Beratungsqualität setzt auch die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Im Ländle soll im nächsten Jahr die Zahl der von der Kammer beauftragten Pseudo-Customer-Besuche in Apotheken von 200 auf 400 verdoppelt werden. Eine hierfür geschulte Person lässt sich in einer Apotheke anhand bestimmter Kriterien beraten und dokumentiert das Gespräch danach. Im Anschluss daran gibt’s ein Feedback: Mit dem Apotheker oder der PTA wird erläutert, was gut war, was besser sein könnte. Gefällt manchen Apothekern nicht, aber, mein liebes Tagebuch: Ist doch gar nicht so schlecht, oder? Wenn man besser werden will, muss man’s überprüfen. Und wenn man schon gut ist, dann läuft’s eh gut. Und bevor die Fernsehsender mit Onkel Glaeske kommen…

Die Kammer in Baden-Württemberg hat eine Zukunftswerkstatt: Junge Apothekerinnen und Apotheker machten sich Gedanken über die Zukunft des Apothekers. Herausgekommen ist ein eigenes Positionspapier, das sich z. B. die Abgabe der Pille danach ohne Rezept, Grippeimpfungen und Vorsorgechecks  in der Apotheke, das Ausführen von Folgeverordnungen  und eine Therapieverlaufskontrolle durch Apotheker vorstellen kann. Und eine Fortbildungspflicht. Warum eigentlich nicht? Die Kammer legt Wert darauf, dass die Werkstattergebnisse nicht die offizielle Kammerposition darstellen. Geht auch nicht anders, sonst stünde die Ärztekammer vor der Tür. Aber an die Zukunft denken darf man doch mal.

Sachsen-Anhalt macht nicht Armin, sondern Ernst  mit dem Medikationsmanagement. In einer Aktionswoche im kommenden April soll möglichst jede Apotheke bis zu zehn Patienten für eine Medikationsanalyse gewinnen. „Eine Tüte Sicherheit“ heißt die Aktion. Ist super! Nur, mein liebes Tagebuch: Plastiktüten sind out – da sollte die Kammer nette Papiertüten drucken lassen. Und vielleicht noch eine Frage: Wissen schon alle sachsen-anhaltinischen Apotheken bis zum April, wie man eine ordentliche Medikationsanalyse durchführt? So mit allem Pipapo wie es sich gehört? Wenn’s schon ein Schulungsprogramm gibt, dann bitte auch an die anderen Kammern weiterreichen.

20. November 2014

In Mecklenburg-Vorpommern will man Apotheken mit dem Prädikat „Excellence Ausbildung von Pharmazeuten“ auszeichnen, wenn sie Pharmazeuten im Praktikum nach bestimmten Qualitätskriterien ausbilden. Ist ein netter Ansatz zur Verbesserung der Ausbildung im dritten Abschnitt. Die Aktion könnte aber auch nach hinten losgehen, wenn manche nicht mehr ausbilden wollen. Andererseits, mein liebes Tagebuch, unter den Phips hat sich eh schon herumgesprochen, in welcher Apotheke man was lernt und welche nur günstige Verkäufer suchen.

Noch ‘ne Qualitätsoffensive aus Bayern: Die Kammer lässt seit einiger Zeit die Qualität der Rezepturherstellung in der Apotheke überprüfen. Gut die Hälfte der Apotheken des Freistaats wurde bisher getestet, in drei Viertel der Fälle entsprach die Rezeptur den Vorgaben. Tja , und im letzten Viertel stimmte die Einwaage und oder die Verteilung des Arzneistoffs nicht. Und einige wenige hatte sogar den falschen Wirkstoff oder die falsche Grundlage. Was zeigt uns das? Tests müssen sein, auch wenn sie dem einen oder andern nicht gefallen. Wie gesagt: Besser ist’s, wenn wir selber testen bevor es andere tun und uns vorführen. Mein liebes Tagebuch, was aber gar nicht geht: Manche Apotheken verweigerten die Anfertigung von Rezepturen. Der Kammerpräsident kündigte Konsequenzen an. Das muss sein.

Ist doch wirklich ein Drama. Ende des 19. Jahrhunderts haben wir schon mal nicht aufgepasst, als es Benzin nur in der Apotheke gab. Dieses Privileg haben wir uns von den Tankstellen nehmen lassen. Jetzt haben wir wieder nicht aufgepasst und das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eZigaretten-Liquids keine Arzneimittel sind. Dumm gelaufen. Den Zigaretten-Liquid-Umsatz hätten wir gut brauchen können. Wäre eine nette ABDA-Werbekampagne geworden: Die gesamte ABDA-Geschäftsführung dampfend – mit eZigaretten. Motto: „Mit Volldampf näher ran den Patienten“.

21. November 2014

Wenn wir’s nicht schon geahnt haben, dann wissen wir’s jetzt: Bei der elektronischen Gesundheitskarte wird keine absolute Datensicherheit erreichbar sein, erklärt die Bundesregierung. Aber klar, die Karte kommt trotzdem.

Quasi schon da ist die neue Geschäftsführerin des Geschäftsbereichs Wirtschaft, Soziales und Verträge in der gemeinsamen Geschäftsstelle von ABDA, Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband, Frau Claudia Korf. Sie wird ab dem kommenden Jahr die Nachfolge von Karl-Heinz Resch antreten, der die ABDA aus privaten Gründen in Richtung Schweiz verlässt. Grüezi wohl.

Neues von der DocMorris-Front: Bisher hat die niederländische DocMorris-Versandapotheke, die zur schweizerischen zur Rose gehört, noch keines der gegen sie verhängten Ordnungsgelder bezahlt. Und DocMorris schert sich auch nicht um gerichtliche Unterlassungsgebote und macht mit 20-Euro-Prämien weiter. Das Landgericht Köln hat nun abermals ein Ordnungsgeld gegen die Niederländer verhängt.  Mittlerweile summieren sich die Gelder auf 850.000 Euro. Mein liebes Tagebuch, glaubt noch jemand, dass DocMorris zahlt? Oder kommt der DocMorris-Geschäftsführer in Ordnungshaft? Der DocMorris-Krimi geht weiter.

Künftig könnte EllaOne in der Europäischen Union ohne Rezept erhältlich sein. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat sich dafür ausgesprochen, das Notfallkontrazeptivum aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Jetzt fehlt noch die rechtsverbindliche Entscheidung der Europäischen Kommission – und dann gibt’s die Pille danach auch in Deutschland. Und was macht dann unser Bundesgesundheitsminister Gröhe? Eine Kehrtwende: Wenn’s die EU so will, dann gibt’s die Pille danach eben auch aus Apothekerhand ohne Rezept, sagte Gröhe: „Apothekerberatung ist der richtige Weg.“ Mein liebes Tagebuch, dass nennen wir pragmatisch. Wie geht’s eigentlich Herrn Spahn bei dieser Meldung?

Rot-Rot-Grün in Thüringen und über Apotheken oder Armin steht nichts im Koalitionsvertrag. Mein liebes Tagebuch, das wird spannend, wie sich eine Koalition unter einem Ministerpräsidenten der Linken zum Gesundheitswesen und zu den Apothekern stellt. Wir erinnern uns: In berufspolitischen Diskussionen wurden die Vertreter(innen) der Linken wegen ihrer apothekerfreundlichen Haltung bereits als Apothekerpartei zitiert. Jetzt könnten sie zeigen, dass es nicht nur Seifenblasen waren.


Peter Ditzel


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