Baden-Württemberg

Ärzte für Notfall-Dispensierrecht

Berlin - 24.11.2014, 16:32 Uhr


Zum Jahreswechsel 2013/2014 ist in Baden-Württemberg der ärztliche Notdienst neu strukturiert worden. Nun beklagen die Ärzte im Ländle eine Mangelversorgung mit Medikamenten zu Notdienstzeiten. Patienten sei der Gang in die notdienstbereite Apotheke oft nicht zuzumuten, meint der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg und ruft nach einem Dispensierrecht für spezielle Fälle. Die Apothekerkammer hält dagegen.

„Wenn Sie nachts, am Wochenende oder an Feiertagen einen Arzt brauchen und nicht bis zur nächsten Sprechstunde warten können, ist der ärztliche Bereitschaftsdienst für Sie da. Innerhalb von 20 bis 30 Autominuten erreichen Sie von jedem Ort in Baden-Württemberg eine Notfallpraxis“, heißt es auf der Webseite der KV Baden-Württemberg. Patienten, die diesen Weg hinter sich gebracht haben, soll dann allerdings offenbar nicht mehr zugemutet werden, auch noch eine Apotheke aufzusuchen.

Wie die „Stuttgarter Nachrichten“ letzte Woche berichteten, fordert die KV das Recht, vor allem im Rahmen von Notdiensten an Wochenenden und Feiertagen Patienten mit hinreichend Medikamenten versehen zu können, bis sie am nächsten Werktag ihre reguläre Apotheke erreichen können. Derzeit dürfen Ärzte Arzneimittel bestenfalls zur unmittelbaren Anwendung ausgeben, nicht aber auf Vorrat. Der KV-Vorsitzende Norbert Metke erläuterte die aus seiner Sicht bestehenden Probleme, die diese Forderung untermauern sollen: Bei Hausbesuchen am Wochenende könne man bettlägerige Menschen nicht einfach – gar nachts – in eine Apotheke schicken. Für sozial schwache Patienten sei ein Taxi zur Apotheke ein Pro­blem. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würden Wartezeiten und längere Fahrtstrecken anfallen. Auch in der Nähe der Notfallpraxen, die überwiegend an Kliniken angebunden sind, sei die nächste Notfall-Apotheke oft ein gutes Stück entfernt.

Apothekerkammer: Apotheker sind die Arzneimittelexperten

Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, hat einen anderen Blick auf die Dinge. Er betont, dass die Aufgabenteilung zwischen Apotheker – zuständig für Arzneimittel – und Ärzten – zuständig für die Diagnose – sinnvoll sei. Die Forderung der Ärzte nach einem Dispensierrecht lehnt er daher ab. Überdies, so Hanke, sei sie „praktisch nicht oder nur mit größtem Aufwand umsetzbar“.

Der Kammerpräsident weist ferner darauf hin, dass in Baden-Württemberg zwischen 150 und 170 Apotheken rund um die Uhr Notdienst leisten. Damit gebe es mindestens doppelt so viele Notfall-Apotheken wie Notfall-Praxen. Überdies seien über 50 Prozent der Abgaben im Apotheken-Notdienst Fälle der Selbstmedikation. „Diese Patienten gehen gar nicht erst in die Notfall-Praxis. Sie gehen einfach in die nächstgelegene Apotheke. Das zeigt doch, dass wir durchgehend gut erreichbar sind“, so Hanke.

Der Kammerpräsident zeigt sich aber willig, gegebenenfalls nachzubessern: „Gerne überprüfen wir nochmals, wo es lange Fahrstrecken geben könnte. Sicher wäre eine bessere Absprache mit den Notfall-Praxen vor Ort sinnvoll, damit die Apotheker wissen, welche Medikamente üblicherweise gebraucht werden, damit diese dann auch vorrätig sind.“ Nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums sollen sich Ärzte und Apotheker beim Notdienst künftig ohnehin besser absprechen. So sieht es jedenfalls der Referentenentwurf für das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vor. Während die ABDA diese Kooperation gutheißt, lehnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung sie ab.


Kirsten Sucker-Sket