Rückwirkender Erstattungsbetrag

Innovationen kämen später in die Apotheke

Berlin - 03.12.2014, 17:30 Uhr


Während die Kassen fordern, dass der Erstattungsbetrag für innovative Arzneimittel rückwirkend ab Markteinführung gelten sollte, warnt die Pharmaindustrie vor den Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung: Patienten müssten dann „auf neue Medikamente so lange warten, bis der Erstattungsbetrag verhandelt ist“, prophezeit vfa-Chefin Birgit Fischer – weil sie erst später in Apotheken verfügbar wären.

Ein rückwirkender Erstattungsbetrag hätte „weitreichende Folgen“, mahnt Fischer. Das unternehmerische Risiko der Markteinführung eines neuen Arzneimittels würde „deutlich und unkalkulierbar erhöht“. Unternehmen müssten ohne Kenntnis der Ergebnisse der Nutzenbewertung und Erstattungsbetragsverhandlungen Rücklagen bilden. „Da dem pharmazeutischen Unternehmer für die Dauer des AMNOG-Verfahrens unkalkulierbare finanzielle Rückforderungen der Krankenkassen drohen, wird es gerade bei innovativen Arzneimitteln keine Markteinführung vor Abschluss des AMNOG-Prozesses geben.“

Darüber hinaus kritisiert sie, dass die Nutzenbewertung in Deutschland „eindeutig preisgetrieben“ sei und der medizinische Nutzen für Patienten nicht an erster Stelle stehe. „Das ist kein Wunder, denn in dem gesamten Verfahren entscheiden die Krankenkassen mit“, so die vfa-Hauptgeschäftsführerin: von der Auswahl der Vergleichstherapie, über die Feststellung des Zusatznutzens bis hin zum Erstattungspreis. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, für ein faires Verfahren zu sorgen, indem er die „Übermacht einer Seite unterbindet“ und Balance zwischen Kostendämpfung und Verordnungsqualität gewährleiste.

Der vfa fordert insbesondere eine deutliche Trennung von wissenschaftlicher Nutzenbewertung und Verhandlung des Erstattungsbetrags sowie eine stärkere Einbeziehung der Fachgesellschaften und Zulassungsbehörden. Solange Institutionen, die qua Amt auf die Versorgungsqualität schauen, nicht mehr Gewicht in der Arzneimittelbewertung bekämen, so Fischer, dürfe sich die Öffentlichkeit nicht wundern, wenn der GKV-Spitzenverband immer weiter die Kosten senke. In Deutschland liege inzwischen der von den Kassen erstattete Preis bei 80 Prozent der Arzneimittel unter dem europäischen Durchschnitt – für circa 40 Prozent sei er sogar der niedrigste in Europa.


Juliane Ziegler