Pharmamarkt

Russland knebelt ausländische Anbieter

Remagen - 16.12.2014, 17:13 Uhr


Wenn es um die Verteilung des Kuchens am lukrativen inländischen Pharmamarkt geht, fährt die russische Regierung einen beinharten Kurs. Verordnungen, nach denen öffentliche Krankenhäuser und Kliniken Medikamente aus heimischer Produktion kaufen müssen, sollen den ausländischen Anbietern das Wasser abgraben. Hinzu kommt eine rigide Preisfestsetzung für unentbehrliche Import-Medikamente.

Nach Angaben von Eurostat sind die europäischen Lieferungen von pharmazeutischen Produkten aus der Europäischen Union nach Russland im Zeitraum 2003 bis 2013 von jährlich ca. 1,4 auf 8,4 Milliarden Euro gestiegen. Die Regierung will die ausländischen Konkurrenten auch weiterhin keineswegs per se außen vor halten. Sie sollen vielmehr dazu bewegt werden, in Produktionskapazitäten in Russland zu investieren, ein Lockmittel zur Sicherung ihrer Absatzchancen auf dem Markt. 

Unter den von Ernst & Young befragten Unternehmen verfügten rund drei Viertel teilweise oder vollständig über ausländische Kapitalanteile. Auf die Frage, inwieweit sich die aktuell eingetrübte Konjunktur auf ihre Investitions- und Entwicklungspläne ausgewirkt habe, gab die übergroße Mehrheit von 70 Prozent an, keine Nachteile zu verspüren und will ihre Geschäftstätigkeit sogar noch ausbauen. Etwa die Hälfte plant, in die Einrichtung oder Ausweitung der lokalen Produktion zu investieren, andere wollen modernisieren. An einen Abbau oder gar an Rückzug aus Russland denkt derzeit kein Firmenchef in der Pharmabranche – dies ist eine Schlüssel-Erkenntnis aus der Umfrage.

Eher getrübt ist die Stimmung allerdings hinsichtlich der Liste der 500 Präparate, die als lebenserhaltend eingestuft wurden und für die der Staat 2010 eine Preisobergrenze auf Rubelbasis festgesetzt hat. Sie machten im Jahr 2013 zusammen einen Marktanteil von etwa 30 Prozent im Wert von 12 Milliarden Euro aus. Über drei Viertel davon werden importiert. Als größter ausländischer Lieferant lebenserhaltender Medikamente im letzten Jahr wird Abbott mit einem Umsatz von 9,8 Milliarden Rubel (ca. 134 Mio.Euro) angeführt. Es folgen Astellas Pharma, Takeda, Gedeon Richter und Sanofi mit Produkten im Gesamtwert von jeweils zwischen 6 und 6,5 Milliarden Rubel (84 und 91 Mio. Euro).

Trotz Inflation und Wechselkursverschiebungen konnten die Importeure laut GTAI seit 2010 keine einzige Preiskorrektur durchsetzen. Und die betroffenen Unternehmen meldeten inzwischen, dass der Vertrieb ihrer Präparate kaum noch oder in einigen Fällen überhaupt keinen Ertrag mehr abwerfe. Dennoch wolle keiner Marktanteile abgeben. Zwar habe das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung zur Förderung von Investitionen in die Pharmaindustrie der Regierung jüngst eine Preiskorrektur empfohlen, aber diese zeige sich bislang unnachgiebig.  

Im Unterschied zu den preisgebundenen Importen lebenserhaltender Präparate könnten lokale Hersteller ihre Abgabepreise einmal pro Kalenderjahr korrigieren.


Dr. Helga Blasius