Europäischer Gerichtshof

Stärkung für biotechnologische Patente

Berlin - 18.12.2014, 15:24 Uhr


Ein Organismus, der sich nicht zu einem Menschen entwickeln kann, ist nach EU-Recht kein menschlicher Embryo. Das entschied heute der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil zur Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen. Daher ist aus Sicht der Luxemburger Richter die Verwendung eines solchen Organismus zu industriellen oder kommerziellen Zwecken auch grundsätzlich patentierbar.

Die EU-Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen sieht vor, dass die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken nicht patentierbar ist. Aber wie weit geht der Begriff „menschlicher Embryo“?

Im vorliegenden Fall hatte der britische High Court of Justice einen Rechtsstreit zwischen der International Stem Cell Corporation (ISCO) und dem britischen Patentamt zur Entscheidung vorliegen. Das US-Biotechnologieunternehmen hatte zwei nationale Patente für eine Technologie anmelden wollen, mit der pluripotente Stammzellen aus parthenogenetisch aktivierten Eizellen hergestellt werden. Als Parthenogenese („Jungfernzeugung“) wird ein Verfahren zur künstlichen Erzeugung von Embryonen bezeichnet, bei dem es nicht zur Verschmelzung von männlichem und weiblichem Erbgut kommt. Der Embryo entwickelt sich dabei aus einer unbefruchteten Eizelle, das gesamte Erbgut ist weiblichen Ursprungs. Die Patentbehörde wies beide Anmeldungen mit der Begründung zurück, dass die fraglichen Erfindungen die Verwendung und sogar die Zerstörung menschlicher Embryonen umfassten und daher nach einem EU-Urteil nicht patentierbar seien.

Damit bezog sich das britische Patentamt auf das EuGH-Urteil „Brüstle“ aus dem Oktober 2011. Danach umfasst der Begriff „menschlicher Embryo“ unbefruchtete menschliche Eizellen, die im Wege der Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden sind, da solche Eizellen wie der durch Befruchtung einer Eizelle entstandene Embryo geeignet sind, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen.

Das britische Gericht wollte nun vom EuGH wissen, ob sich der Begriff „menschlicher Embryo“ auf Organismen beschränke, die geeignet sind, den Entwicklungsprozess in Gang zu setzen, der zur Entstehung eines Menschen führt. Dazu erläuterte es, dass sich nach dem gegenwärtigen Stand der  wissenschaftlichen Erkenntnisse Organismen wie die, die Gegenstand der Patentanmeldungen seien, in keinem Fall zu einem Menschen entwickeln.

In seinem heute ergangenen Urteil stellt der EuGH fest, dass eine unbefruchtete menschliche Eizelle nur dann als „menschlicher Embryo“ eingestuft werden kann, wenn er die inhärente Fähigkeit  hat, sich zu einem Menschen zu entwickeln. Die bloße Tatsache, dass eine menschliche Eizelle, die im Wege der Parthenogenese aktiviert worden ist, einen  Entwicklungsprozess  beginnt, reiche daher nicht  aus, um sie als „menschlichen Embryo“ betrachten zu können. Hätte eine solche Eizelle hingegen die inhärente Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, müsste sie in jedem Stadium ihrer Entwicklung wie eine befruchtete menschliche Eizelle behandelt werden.

Insoweit gab der EuGH dem britischen Gericht auf, zu prüfen, ob die  Organismen, die Gegenstand der Anmeldungen von ISCO sind, im Licht der von  der internationalen medizinischen Wissenschaft als hinreichend erprobt und  anerkannt angesehenen Kenntnisse die inhärente Fähigkeit haben, sich zu einem Menschen zu entwickeln.


Kirsten Sucker-Sket