Neurowissenschaft

Hirnfunktionen altern unterschiedlich

Remagen - 05.01.2015, 17:27 Uhr


Neurowissenschaftler aus den Reihen des britischen Medical Research Council haben entdeckt, dass bestimmte geistige Fähigkeiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten nachlassen. Dies stellt nach Meinung der Forscher die Vorstellung in Frage, dass diese Prozesse in gleicher Weise zurückgehen. Als Grund hierfür werden Assoziationen zu unterschiedlichen Gehirn-Regionen angegeben.

Exekutive Funktionen werden mit dem Frontallappen des Gehirns, insbesondere dem präfrontalen Kortex assoziiert. Dieses Gebiet ist dafür bekannt, dass seine Funktion im Alter relativ schnell beeinträchtigt ist. Bisher hatte man angenommen, dass damit alle „Exekutiv-Funktionen“ mit der gleichen Geschwindigkeit geschwächt werden, aber das ist offenbar keineswegs der Fall. In ihrer Studie prüften die Forscher die geistigen Fähigkeiten von fast 600 Personen im Alter zwischen 18 und 88 Jahren mithilfe eines bestimmten Sets von kognitiven Tests und erfassten außerdem mehrere Gewebe-Arten in bestimmten Teilen des Gehirns.

Sie fanden, dass sich die „High-Level-Funktionen“ Multi-Tasking und Problemlösung bei verschiedenen Menschen unterschiedlich schnell verschlechterten. Außerdem war die Fähigkeit, Probleme zu lösen, eher von Alterung betroffen. Verschiedene Regionen und Eigenschaften der Vorderseite des Gehirns unterstützen diese beiden Funktionen, wobei die graue Substanz mit den wesentlichen Gehirnzell-Körpern und die weiße Substanz, die für die Kommunikationswege im Gehirn verantwortlich ist, spezifische und komplementäre Rollen spielen. Sie alterten nach den Messungen der Wissenschaftler mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten: die weiße Substanz mit höherer Wahrscheinlichkeit als die graue.  

Dr. Rogier Kievit von der Einheit für Kognition und Neurowissenschaften des Medical Research Councils and der Universität von Cambridge meint hierzu: „Diese Ergebnisse zeigen, dass die Alterung auch von ähnlich erscheinenden kognitiven Fähigkeiten ein weitaus facettenreicherer Prozess ist, als gemeinhin angenommen. Es ist wichtig, dass wir die Rolle verstehen, die die verschiedenen Arten von Gehirngewebe hierbei spielen. Denn wir wissen aus anderen Studien, dass Lebensstilfaktoren – wie Bewegung – unterschiedliche Auswirkungen auf die weiße und graue Substanz haben können. Je mehr wir über die neurologische Grundlage der altersbedingten Unterschiede in den geistigen Fähigkeiten der Menschen wissen, umso eher können wir heraus finden, welche Faktoren am ehesten zu einer größeren Unabhängigkeit und einer bessere Lebensqualität im Alter beitragen können.“

Quelle: Kievit RA, Davis SW, Mitchell DJ, Taylor JR, Duncan J; Cam-CAN Research team, Henson RN; Cam-CAN Research team. Distinct aspects of frontal lobe structure mediate age-related differences in fluid intelligence and multitasking. Nat Commun. 2014 Dec 18;5:5658. doi: 10.1038/ncomms6658.


Dr. Helga Blasius