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Offener Brief an Friedemann Schmidt
„Weiter so“ geht nicht
Friedemann Schmidt muss dieser Tage heftige Kritik einstecken. HAV-Vize Hans-Rudolf Diefenbach hat dem ABDA-Präsidenten einen Offenen Brief geschrieben – weitere 18 Kollegen aus der ganzen Republik haben mitunterzeichnet. Darin schildert er „Streiflichter des pharmazeutischen Alltags“: Gerade um den Jahreswechsel herum waren in den Apotheken diverse Probleme zu bewältigen, die den Unmut wachsen ließen. Die Unterzeichner machen keinen Hehl daraus, dass sie hier mehr Unterstützung von der ABDA-Führung erwartet hätten. Gleichwohl wird letztlich die „konstruktive Zusammenarbeit“ gesucht, wie Diefenbach gegenüber DAZ.online betont.
„Mit der Wahl Ihrer Person zum obersten Repräsentanten von Kammern und Verbänden hat die Berufsöffentlichkeit große Hoffnungen auf Pluralität und vor allem Plausibilität der Berufsausübung gesetzt“, startet der Offene Brief. Man habe erwartet, dass Schmidt der Politik die „dramatischen und teilweise existenzgefährdenden Rahmenbedingungen“ für Apotheker vor Augen führe. „Sie waren und sind gefordert, unseren Beruf als für die Gesellschaft unentbehrlich darzustellen und derart zu platzieren!“ Zudem hätten viele gehofft, dass es Schmidt – neben der starken ethischen Positionierung mittels des „Perspektivpapieres 2030“ – gelingen werde, „die wirtschaftliche Fortentwicklung der öffentlichen Apotheke so zu sichern, dass sie mit der Progression in unserer Gesellschaft Schritt hält“. Doch gerade dies sei weitgehend auf der Strecke geblieben.
Andere Diskussion um Ethik und Monetik
Es sei eine „Illusion“ zu glauben, dass bei Beibehaltung der jetzigen Finanzierung eine Sicherung der öffentlichen Apotheken auf Dauer möglich ist, heißt es weiter. Das sei auch mit Blick auf den Nachwuchs wichtig: „Wertvolle KollegInnen gehen der Praxis schon verloren, bevor sie den Weg in die Offizin gefunden haben.“ Geld spiele dabei durchaus eine Rolle. „Die Diskussion um Ethik und Monetik muss einfach anders werden“, so die Forderung. Denn auch die Tendenz zur Selbstständigkeit werde gebremst. Dabei verweisen die Unterzeichner darauf, dass Filialverbünde als mögliche Lösung neben Chancen auch Risiken bergen. Hier werde eine Klärung durch die Standesorganisation erwartet, ob es Apotheken „erster" und „zweiter“ Klasse gibt – Stichwort Rezepturherstellung und Notdienst.
Weiterhin halten Diefenbach und seine Kollegen die PR der ABDA für zu passiv. Die Apotheken erwarteten, „dass zu aktuellen Fragen eine unmittelbare Antwort kommt“. Hier wird an die Phase vor Weihnachten 2014 erinnert: „Die Umsetzung und Information zur Substitutionsausschlussliste war schlecht, die Politik der ABDA zum Umgang mit ggf. gefälschten Arzneimittelstudien war absolut indiskutabel!“ Aus Sicht der Unterzeichner hätte die ABDA die Situation als Steilvorlage nutzen können, den Behörden und staatlichen Strukturen, die Apotheken bei jeder Gelegenheit kritisieren, ihre eigene „schlampige Informationspolitik vorzuhalten“. Doch dies sei nur zeitversetzt geschehen.
Lange Liste der Probleme
Die Liste der Probleme, die Apotheken in der Praxis haben, ist lang. Unter anderem führen die Unterzeichner die Kassen-Schikane bei BtM-Rezeptmodalitäten, Zytostatika-Probleme und Lieferengpässe an. Nicht zuletzt: die Debatte um die Freigabe der „Pille danach“. „Ein derartiges Durcheinander von Auffassungen zu einer Rechtslage ist schlichtweg unwürdig!“ Viele Apotheken gingen eigene Wege, schreiben die Kritiker, „weil sie sich entscheidungsmäßig im Stich gelassen fühlen“.
Und wozu führt dies? „Die Arbeitsunlust steigt, das Misstrauen in die Führungsspitze ist groß, die Wahlbereitschaft dafür klein, man hat Angst, dass ein völlig anderes System über uns schwebt.“ Der Appell an Schmidt: „Es ist daher unerlässlich, dass Sie klare Worte zu all diesen Sachverhalten äußern.“ Man müsse das Gefühl bekommen, der ABDA-Präsident stehe einer Berufsgruppe vor und torpediere nicht die Praxis. „Was sich momentan draußen abspielt, kann auch in Gefolgsverweigerung münden“, mahnen Diefenbach und Kollegen. Es könne zu dem Wunsch führen, „diese ABDA aufzulösen und angesichts der Tatsache, dass man sich alleingelassen fühlt, anderen Organisationsformen zu folgen“.
Die letzte Spitze im Brief: „Walgreen und Celesio agieren. ‚Weiter so‘ wie jetzt bei uns geht nicht. Der DAV braucht viel mehr Einfluss. Proporzdenken ist Mist.“ Doch nach all dem abgelassenen Ärger zeigen sich Diefenbach und seine Mitstreiter auch gesprächsbereit. Sie bieten Schmidt ihre Hilfe an und raten ihm: „Lassen Sie einfach Dinge an ‚sich heran‘.“ Auch die, die ihm vielleicht nicht passten. „Dann könnte auch die Unterstützung anders aussehen als im Moment.“
Die Unterzeichner: Dr. Hans R. Diefenbach (Offenbach), Mira Sellheim, (Giessen), Claus Rycken (Viersen-Dülken), Dr.Christian Meisen (Viersen), Elisabeth Jedamzik (Ingolstadt), Gabriela Aures (Gaimersheim), Konstantinos Pitsioras (Stuttgart), Erik Modrack (Schwalbach), Nico Heidrich (Stuttgart), Thomas Luft (Edingen-Neckarshausen), Dieter Dosquet (Viersen), Andreas Flöter (Merzenich), Christiane Patzelt (Leegebruch), Thomas Brongkoll (Senden), Christian Giese (Karlsruhe), Reinhard Rodiger (Berlin), Tilman La Roche (Stuttgart), Christian Giese (Karlsruhe), Martin Lörzer (Bad Brückenau) und weitere KollegInnen, die in einigen Positionen abweichende Vorstellungen vertreten, aber in der Tendenz zustimmen.
Berlin - 22.01.2015, 10:44 Uhr