Holocaust-Gedenktag

Auch Ärzte und Apotheker taten Dienst in Auschwitz

Stuttgart - 27.01.2015, 08:44 Uhr


Am 27. Januar 1945 besetzten sowjetische Truppen Auschwitz. Damit endete die Geschichte des bekanntesten Konzentrationslagers, das zum Synonym für die Verbrechen des Nationalsozialismus geworden ist. Im Jahr 2005 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 27. Januar zum Internationalen Holocaust-Gedenktag. An der systematischen Tötung von über einer Million Menschen haben auch Heilberufler mitgewirkt.

Auschwitz war eine mehrheitlich von Juden bewohnte Kleinstadt am Rande des oberschlesischen Industriegebietes (30 km bis Kattowitz, 50 km bis Krakau), als es zu Beginn des Zweiten Weltkriegs (September 1939) von deutschen Truppen besetzt wurde. Nach der Vertreibung der meisten Einheimischen wollten die Nazis Auschwitz zu einer deutschen Musterstadt machen und siedelten einen chemischen Großbetrieb (Buna) an, in dem außer zugezogenen Deutschen auch Häftlinge arbeiten mussten, die in drei großen Konzentrationslagern gefangen gehalten wurden.

Zyklon B

Doch die Kleinstadtidylle wandelte sich bald, denn im Lager Auschwitz-Birkenau begannen Mitte 1942 die berüchtigten Selektionen der dorthin deportierten Juden. Dabei wurden die Personen ausgewählt, die als kräftig, gesund und arbeitsfähig galten. Die anderen Personen, die die große Mehrzahl bildeten, wurden sofort nach ihrer Ankunft an der sogenannten Rampe in eine Gaskammer geschickt, eine Art Bunker, in den das tödliche Präparat Zyklon B (Cyanwasserstoff) eingeworfen wurde.

Pseudowissenschaftliche Experimente

Die Leitung und Verwaltung der Konzentrationslager war eine Aufgabe der SS, die sich auch um das Gesundheitswesen kümmerte. Das zentrale SS-Sanitätsamt in Berlin kommandierte deshalb Ärzte und Apotheker nach Auschwitz ab und richtete auch eine Lagerapotheke ein. Allerdings waren die Heilberufler auch in die Tötungsmaschinerie eingebunden. Sie waren unter anderem verpflichtet, wechselweise an den Selektionen teilzunehmen. Einige Ärzte wählten sich dabei Personen aus, um mit ihnen pseudowissenschaftliche Experimente durchzuführen, wobei sich insbesondere Josef Mengele (1911–1979) hervorgetan hat. Andere nutzten die Möglichkeit, sich am Besitz der Deportierten persönlich zu bereichern.

Lagerapotheker Dr. Vistor Capesius

Als Leiter der Lagerapotheke fungierte ab Ende 1943 Dr. Victor Capesius, über dessen Leben und Verbrechen man heute recht gut Bescheid weiß, weil er im Frankfurter Auschwitz-Prozess angeklagt war und verurteilt wurde. Aufgrund von Zeugenaussagen wurde ihm nachgewiesen, dass er die Vernichtungsaktionen „ohne sittliche und moralische Hemmungen“ unterstützt hat und sich am Gut der Ermordeten in einem außergewöhnlichen Umfang bereichert hat.

Einen ausführlichen Beitrag lesen Sie in der DAZ 2015, Nr. 4, S. 66.


Dr. Wolfgang Caesar


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