Für Apotheker wieder alles Offen

Einigung beim Antikorruptionsgesetz in Gefahr

Stuttgart - 07.04.2016, 13:45 Uhr

Welche Leistungen werden zukünftig unter Strafe gestellt? In der Großen Koalition herrscht zwischen Rechts- und Gesundheitspolitikern noch keine Einigung. (Foto: avarand / Fotolia)

Welche Leistungen werden zukünftig unter Strafe gestellt? In der Großen Koalition herrscht zwischen Rechts- und Gesundheitspolitikern noch keine Einigung. (Foto: avarand / Fotolia)


Die von Rechtspolitikern der Union und SPD verkündete Einigung beim Antikorruptionsgesetz stößt nicht nur bei Opposition und Transparency International auf Kritik – auch SPD-Gesundheitspolitiker sehen noch erhebliche Mängel beim Patientenschutz. Die Rechtspolitiker wollen unter anderem sicherstellen, dass Skonti und Arzneimittelrabatte straffrei bleiben.

Der Entwurf von Rechtspolitikern der Großen Koalition wird derzeit stark kritisiert. Sie hatten sich vor Ostern überraschend darauf verständigt, einerseits einen umstrittenen Verweis auf die berufsrechtliche Pflicht zur heilberuflichen Unabhängigkeit zu streichen – und Apotheker weitestgehend vom geplanten Gesetz auszunehmen, indem die Abgabe und der Bezug von Arzneimitteln als Kriterium fast vollständig herausgenommen wird. Nach den Plänen, für die inzwischen ein Änderungsvorschlag vom Justizministerium vorliegt, soll nur noch der Bezug von Arznei- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten potenziell strafbar sein, die unmittelbar durch den Heilberufsangehörigen oder seinen Helfer angewandt werden. Damit würden Skonti oder Rabatte, die Apotheker beim Bezug von in der Apotheke abgegebenen Arzneimitteln erhalten, strafrechtlich unkritisch bleiben.

Während die Rechtspolitiker das Gesetz schon nächste Woche vom Bundestag verabschieden lassen wollen, legen Gesundheitspolitiker der SPD nun Widerspruch ein. Wenn der Verweis aufs Berufsrecht gestrichen wird, würde das Gesetz nur noch eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb unter Strafe stellen, wie es ein Änderungsvorschlag des Justizministeriums vorsieht. Der Gesundheitspolitiker Edgar Franke von der SPD sieht dies kritisch: „Das Schutzgut Patientenschutz gehört in das Gesetz“, sagt er auf Anfrage von DAZ.online.

Schutz der Patienten müsse höchste Priorität haben

Seiner Einschätzung nach ergäbe sich sonst die Gefahr, dass Bereiche nicht erfasst werden, die nicht unter den Wettbewerbstatbestand fallen. „Wenn man den Verweis auf die berufsrechtlichen Pflichten streichen will, müsste man sicherstellen, dass der Patientenschutz umfassend gewährleistet wird“, so Franke. „Der hat aus meiner Sicht höchste Priorität.“

Vonseiten der Opposition wie auch von Transparency International wird es Zustimmung zu Frankes Forderungen geben. „Für uns ist nicht nachvollziehbar, dass die Koalition das selbst erklärte Ziel aufgeben will, neben dem fairen Wettbewerb auch das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu schützen“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink gegenüber DAZ.online. „Es macht den Anschein, dass die Koalition mal wieder vor Lobbyinteressen einknickt“, sagt sie. „Dabei ist jeder Behandler, der sich an seine Berufsordnung hält, auf der sicheren Seite.“

Ähnlich wie Klein-Schmeink beurteilt auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, den aktuellen Änderungsvorschlag der Rechtspolitiker: „Vom eigentlichen Zweck, Patientinnen und Patienten zu schützen, sind wir jetzt weiter entfernt denn je“, sagt sie.

Gefahr durch Aufweichung der zentralen Gesetzesstelle?

Transparency International Deutschland sieht in einer Stellungnahme von Mittwoch durch die „drohende Aufweichung“ den Durchbruch bei der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen gefährdet. Der unverhältnismäßige Einfluss von Partikularinteressen würde das Vertrauen in die Demokratie und die ärztliche Berufsausübung nachhaltig schädigen. „Die berufsrechtlichen Pflichten sind nach unserer Auffassung die zentrale Gesetzesstelle, die auf das unbestechliche Verhalten des einzelnen Arztes abzielt“, so Dr. Rolf Kühne von der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen von Transparency. Das Argument, das Berufsrecht sei je nach Bundesland sehr unterschiedlich geregelt, könnte laut Transparency vielmehr Anlass für eine sinnvolle Harmonisierung sein.

Die Organisation setzt sich dafür ein, dass umstrittenen Anwendungsbeobachtungsstudien durch das Gesetz ein Strafrechts-Riegel vorgeschoben wird: Verträge zwischen Pharmahersteller und Arzt würden oft vorschreiben, dass Nebenwirkungen nur an die Firma, nicht aber an die zuständige Arzneimittelbehörde gemeldet werden dürfen. „Damit wird in Anwendungsbeobachtungen regelmäßig gegen die ärztliche Berufsordnung verstoßen“, sagt Angela Spelsberg, Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen von Transparency. „Es wird der Eindruck erweckt, dass das Schweigen der Ärzte mit hohen Honoraren erkauft wird – im Moment noch völlig straffrei“, sagt die Medizinerin. Sie fürchtet, dass der aktuelle Entwurf derartige Verträge zukünftig weiter zulassen würde.

Systematik des Gesetzes würde gesprengt

Dass der aktuelle Entwurf Apotheker weitestgehend vom Antikorruptionsgesetz ausnehmen würde, wurde in der Öffentlichkeit bisher kaum diskutiert. SPD-Gesundheitspolitiker Franke möchte hierzu derzeit keine Stellung nehmen. Für Vogler von den Linken sprengt die weitestgehende Herausnahme der Abgabe und des Bezugs von Arzneimitteln und Medizinprodukten hingegen die Systematik des ganzen Gesetzes, welches eigentlich alle Bereiche des Gesundheitswesens umfassen sollte.

Zu einem anderen Schluss kommt Jan-Marco Luczak, zuständiger Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Wir wollen den fairen Wettbewerb im Interesse der Patienten und eines bezahlbaren Gesundheitswesens schützen“, sagt er gegenüber DAZ.online. Preisnachlässe seien üblich und zulässig. „Wir wollen, dass diese auch weiterhin straffrei möglich sind, weil hier zum Wohle der Versichertengemeinschaft Kosten gespart werden“, argumentiert Luczak.

CDU will unsicheren Graubereich vermeiden

Mit dem Kabinettsentwurf wäre ein rechtlich unsicherer Graubereich entstanden, in dem politisch gewünschte Rabatte möglicherweise als Korruption zu werten gewesen wären. „Dies wollten wir unbedingt vermeiden“, sagt der CDU-Politiker. Der Änderungsvorschlag soll eine mögliche Strafbarkeit verhindern, wenn der Apotheker die ihm beim Bezug gewährten Rabatte zugunsten des Patienten oder des zuständigen Kostenträgers annimmt, um sie an diese weiterzureichen.

„Hier fehlt es an einem korruptionsspezifischen Unrechtsgehalt, weil eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb nicht vorliegt“, so Luczak. Wenn Arzneimittel oder Medizinprodukte unmittelbar am Patienten angewandt werden, sieht er hingegen das Vertrauen der Patienten in besonderer Weise tangiert – daher solle dies strafwürdig bleiben. „Diese unmittelbare Anwendung am Patienten findet bei Apothekern allerdings in der Regel nicht statt“, sagt er.

Auch Apotheker können sich noch strafbar machen

„Klar ist: Für Apotheker entsteht durch die vorgesehene Änderung kein rechtsfreier Raum“, so der Unionspolitiker. Wie bisher können Verstöße gegen Preis- und Rabattvorschriften von Apothekern als Ordnungswidrigkeit nach dem Heilmittelwerbegesetz, als Verstoß gegen das Apothekengesetz oder auch wettbewerbsrechtlich geahndet werden. Auch Apotheker machen sich wegen Bestechung strafbar, wenn sie etwa einem Arzt Vorteile dafür versprechen, dass dieser seine Patienten in eine bestimmte Apotheke schickt.

Luczak rechnet damit, dass das Gesetz schon nächste Woche Donnerstag oder Freitag im Bundestag verabschiedet werden kann. Hierzu soll es bereits kommenden Mittwoch im Rechtsausschuss verhandelt werden. Offensichtlich wollen die Rechtspolitiker die erzielte Einigung schnell in trockene Tücher bringen, doch bleibt abzuwarten, ob die an den aktuellen Änderungen nicht beteiligten Gesundheitspolitiker ihren Coup noch durchkreuzen. Während viele Apotheker sich über die jüngste Wende beim Antikorruptionsgesetz freuen werden, sieht Angela Spelsberg von Transparency Deutschland sie kritisch: „Die entscheidenden Verwässerungen kommen kurz vor Toresschluss“, sagt sie.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Ich verstehe das nicht ;)

von Peter am 07.04.2016 um 13:40 Uhr

Aber was ich verstehe, dass unser e.K. wackelt. Keine kaufmännische Tätigkeit mehr nirgendwo, keine Vollhaftung mehr.

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Korruption, ein gummiartiger Begriff

von Heiko Barz am 07.04.2016 um 12:57 Uhr

Auch ohne dem Arzt "Vorteile" zu versprechen, ist das Einsammeln von Rezepten für eine bestimmte Apotheke unzulässig. Die Arztpraxis ist keine Rezeptsammelstelle.
Die freie Apothekenwahl für Patienten ist auf diesem Wege schon großflächig unterwandert worden.

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