Zahl der Woche

130 Patienten beantragen Cannabis-Eigenanbau

Stuttgart - 02.05.2016, 08:00 Uhr

Bisher darf nur ein Patient in Deutschland Cannabis legal anbauen. (Foto: EpicStockMedia / Fotolia)

Bisher darf nur ein Patient in Deutschland Cannabis legal anbauen. (Foto: EpicStockMedia / Fotolia)


Normalerweise geht pro Monat ein Antrag auf Selbstanbau von Cannabis beim BfArM ein, doch in den letzten Wochen waren es insgesamt 130. Anfang April war der Eigenanbau bei einem Patienten in letzter Instanz als rechtens beurteilt worden. Noch ist offen, ob und wie viele weitere Patienten eine Genehmigung bekommen.

Ein Patient darf, doch viele wollen: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts besteht vielerorts Hoffnung, dass der Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken genehmigt werden könnte. In letzter Instanz hatten die Richter in Leipzig entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einem schwerkranken Patienten die Cannabis-Zucht erlauben müsse, da die Kassen die Kosten bisher nicht übernehmen und er sich Medizinalhanf aus der Apotheke nicht leisten kann.

Im vergangenen Jahr beantragte pro Monat ungefähr ein Patient den Cannabis-Eigenanbau beim BfArM. „In keinem Fall wurde eine Erlaubnis erteilt“, so ein Sprecher auf Anfrage von DAZ.online. Da das Gericht in seinem Urteil dem BfArM überhaupt keinen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über den Selbstanbau eingeräumt hat, sondern die Behörde praktisch zur Genehmigung zwang, versuchen nun viele Patienten das gleiche. „Seit Mitte März 2016 sind im BfArM 130 neue Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabis eingegangen“, schreibt der Behördensprecher.

Eigenanbau wird die Ausnahme bleiben

Offen bleibt jedoch, ob sich der Erfolg des ersten Patienten wiederholen wird. Das BfArM prüfe jeden Antrag individuell „und wird dabei künftig auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigen“, so die Behörde. „Der Eigenanbau von Cannabis kann aber auch künftig nur im Einzelfall erlaubt werden.“

Aus Sicht des BfArM kann eine medizinisch sinnvolle und qualitätsgesicherte Versorgung der Patienten nicht mit selbst hergestellten Arzneimitteln unbekannter Qualität sichergestellt werden. „Voraussetzung für eine medizinisch vertretbare Therapie ist die Bereitstellung von Cannabisprodukten in Arzneimittelqualität, deren Wirkstoffgehalt bekannt ist“, schreibt der Sprecher – da sich nur so Über- und Unterdosierungen sowie qualitätsbedingte Schädigungen sicher vermeiden ließen.

Das Gesetz hilft nicht in allen Fällen

Es dürfte also nur eine verschwindende Anzahl der 130 Anträge Aussicht auf Erfolg haben. Das geplante Gesetz zur Rezept- und Erstattungsfähigkeit von Cannabis wird den betroffenen Patienten erstmal nicht helfen können, denn bis zu einer möglichen Verabschiedung dürften noch Monate ins Land gehen. Außerdem sind auch in der Zukunft Auseinandersetzungen zu erwarten, bei welchen Patienten eine schwerwiegende chronische Erkrankung ohne allgemein anerkannte Therapiealternative vorliegt. Nach Ansicht des Rechtsanwalts Oliver Tolmein, der die erste Genehmigung für den Eigenanbau erstritten hat, wird das BfArM sich auch nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes dem Thema beschäftigen müssen. Um zu entscheiden, welcher Patient in den heimischen vier Wänden die Pflanzen aufziehen darf.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

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Ein Wahnsinn was da passiert

von Antonio Di Nauta am 02.05.2016 um 20:22 Uhr

Man sollte festhalten warum die kranken Menschen auf Eigenanbau bestehen:
Viele bekommen nicht in ausreichender Menge ihre Medizin. Manchmal scheitert es an dem Geld da die Blüten so teuer sind, oder es gibt wochenlange Lieferschwierigkeiten da die Niederlande nicht in der Lage ist ganz Europa mit Medizinalhanf zu versorgen.

In dem Artikel steht:
"Aus Sicht des BfArM kann eine medizinisch sinnvolle und qualitätsgesicherte Versorgung der Patienten nicht mit selbst hergestellten Arzneimitteln unbekannter Qualität sichergestellt werden."

Das ist ein Hohn, denn selbst angebaute Medizinalhanfblüten sind immer noch besser wie gar keine Blüten. Wie stellt sich das BfarM eine medizinisch sinnvolle und qualitätsgesicherte Versorgung der Patienten vor wenn wie so oft in der Vergangenheit die Medizin nicht zur Verfügung steht?

Warum werden solche Fragen nicht an das BfarM gestellt? Auf die Antwort wäre ich gespannt gewesen....

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"Einzellfallprüfung"

von Hans-Martin am 02.05.2016 um 9:48 Uhr

Die Aussage des BfArM ist doch fast ein wenig zynisch, wenn Sie schreiben das es weiterhin einer Einzellfallprüfüng standhalten muss, ob ein solcher Antrag genehmigt werden kann oder nicht, wenn Sie doch keinen einzigen dieser Anträge bisher genehmigten !!
Und ich meine, hier handelt es sich ja nicht um "Freizeitkonsumenten" welche sich einfach ihr Cannabis selbst anbauen wollen, sondern um Patienten die einen solchen Antrag auch erst einreichen können, wenn Sie ja auch schon im Besitz einer "Ausnahmegenehmigung" für die Verwendung von Cannabis sind, was nichts anderes heisst, als das diese Patienten als "austherapiert" gelten jedoch die Krankenkassen nicht für diese Erstattung des Medizinalhanfs aufkommen wollen (..und derzeit auch nicht müssen !..) !

Daher finde ich es schon erschreckend, wie hier die KK als aber auch das BfArM bisher argumentierten. Denn das ein leidender MS-Patient natürlich nicht in der Lage sein kann in Vollzeit einer geregelten Arbeit nach zu gehen um sich seine Medikamente leisten zu können, sollte wohl jedem klar sein.
Und das es eines ( wie in diesem Fall) fast 16- jährigen Rechtsstreites bedarfs, bis dieser Patient sich schließlich selbst helfen darf, lässt meines Erachtens auch kein gutes Bild an dieser Institution zurück !
Und wenn dann auch noch Fr. Mortler in letzter Zeit immer wieder erklärt, Sie möchte ein Gesetz auf den Weg bringen, welches Patienten die Hilfe erleichtern und vereinfachen soll,sollte man doch glauben, das Sie es auch in Wirklichkeit so meinen, oder etwa nicht ?!
Wünsche daher allen Patienten für ihre Bemühungen viel Erfolg...
MfG.....

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