Billigere Arzneimittel für Entwicklungsländer

Reimport in die EU ausgeschlossen

Stuttgart - 01.06.2016, 17:35 Uhr

Die EU will Generikahersteller fördern - aber keine Patentverletzungen in Europa zulassen. (Foto: Kadmy / Fotolia)

Die EU will Generikahersteller fördern - aber keine Patentverletzungen in Europa zulassen. (Foto: Kadmy / Fotolia)


Damit die ärmsten Entwicklungsländer Zugang zu grundlegenden Arzneimitteln erhalten und diese auch bezahlen können, hat die EU eine spezielle Verordnung erlassen. Sie soll sicherstellen, dass Präparate, die die Unternehmen dort erheblich günstiger abgeben, nicht wieder zurück in die EU kommen.

Viele der ärmsten Entwicklungsländer haben einen dringenden Bedarf an bezahlbaren grundlegenden Arzneimitteln zur Behandlung übertragbarer Krankheiten wie HIV/AIDS, Tuberkulose (TB) und Malaria. Sie sind im Wesentlichen von Arzneimitteleinfuhren abhängig, denn nur in den seltensten Fällen gibt es eine eigene inländische Pharmaproduktion.

Preissegmentierung notwendig

Als Anreiz für die Arzneimittelhersteller, entsprechende Medikamente in solchen Ländern zu stark reduzierten Preisen und in wesentlich höheren Mengen zur Verfügung zu stellen, hat die EU bereits vor mehr als zehn Jahren eine spezielle Verordnung erlassen (EG Nr. 953/2003). Sie trägt den sperrigen Titel „zur Vermeidung von Handelsumlenkungen bei bestimmten grundlegenden Arzneimitteln in die Europäische Union“. De facto soll sie verhindern, dass solche preisreduzierten Präparate wieder zurück in die EU gelangen. Dann liefe die Anreizfunktion, die auf der Segmentierung der Preise nach Märkten, Industrieländer und ärmste Entwicklungsländer, beruht, nämlich ins Leere.

Logo zur Unterscheidung

Hersteller oder Ausführer, die die Regelung nutzen wollen, müssen für die „preislich gestaffelten“ Arzneimittel einen Antrag bei der Kommission stellen. Die Packungen müssen so gestaltet sein, dass sie leicht als solche zu erkennen sind. Vor allem müssen sie ein bestimmtes Logo tragen. Dieses besteht aus einem von einer Schlange umwundenen, geflügelten Äskulapstab, der von einem Kreis aus zwölf Sternen eingerahmt ist.

Die konkreten Präparate, die Bestimmungsländer sowie die „zugelassenen“ Krankheiten sind in den Anhängen zu der Verordnung aufgelistet. Preislich gestaffelte Arzneimittel, die entgegen dem Verbot in die Union eingeführt werden sollen, werden von Zollbehörden beschlagnahmt.

Nicht gut angenommen

Welche Erfahrungen damit bislang gesammelt wurden, geht aus einem aktuellen Bericht der EU-Kommission hervor. Hiernach wurde das gut gemeinte Angebot bis dato kaum genutzt. Nur ein Unternehmen, GlaxoSmithKline (GSK), hat mehrere Arzneimittel hiernach angemeldet.

Warum es für die Firmen nicht attraktiv ist, hat das Beratungsunternehmen Charles River Associates (CRA) im Auftrag der Kommission analysiert. Offenbar gibt es verschiedene Gründe dafür. Zum einen werde das Risiko der Wiedereinfuhr nicht als so hoch eingeschätzt. Zum anderen schafften viele Unternehmen selbst Abhilfe, um die unrechtmäßige Abzweigung ihrer Produkte zu verhindern, zum Beispiel über eine bessere Kontrolle der Lieferketten im Rahmen von Hilfsprogrammen. Einige wollten nicht akzeptieren, dass die Verordnung Preisobergrenzen für die Medikamente festlegt.

Versorgung verbessert

Immerhin fand CRA keine Belege dafür, dass ausschließlich für die Entwicklungsländer vorgesehene Arzneimittel in die EU eingeführt wurden. Insofern schient die Verordnung zu wirken. GSK habe allerdings ebenfalls zusätzliche Maßnahmen getroffen, um solche „Umlenkungen“ zu vermeiden. Insgesamt konnte die Versorgung mit GSK-Arzneimitteln gegen HIV/AIDS in den Zielländern verbessert werden, auch weil das Unternehmen Lizenzen für Generika-Hersteller erteilt hat. Im Jahr 2011 sollen mehr als eine Million Menschen mit den Arzneimitteln versorgt worden sein.

Verordnung soll bleiben

So weit, so gut, aber wird die Verordnung zur Reduzierung des Risikos der Handelsumlenkung wirklich gebraucht? CRA, das diese Frage gezielt untersuchen sollte, bezweifelt das, zumindest teilweise. Trotzdem messen ihr viele noch immer eine wichtige Signalfunktion bei, um das Konzept der Preisstaffelung zur stützen. Die EU-Kommission sieht das ebenso und will die Verordnung deswegen beibehalten. Auch die Zollbehörden hätten damit mehr Sicherheit und könnten die preislich gestaffelten Medikamente im Handel leichter als „illegale“ Reimporte“ heraus fischen.

Die Verordnung aus dem Jahr 2003 wurde seither mehrfach geändert und nun in einer kodifizierten Form ((EU) 2016/793) bekannt gemacht.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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