Demenzerkrankungen

Opposition will fremdnützige Forschung weiterhin verbieten

Berlin - 23.06.2016, 09:00 Uhr

Stark umstritten: Inwieweit dürfen nicht-einwilligungsfähige Menschen bei Forschungsprojekten einbezogen werden? (Foto: Klaus Eppele / Fotolia)

Stark umstritten: Inwieweit dürfen nicht-einwilligungsfähige Menschen bei Forschungsprojekten einbezogen werden? (Foto: Klaus Eppele / Fotolia)


Während die Große Koalition ihren internen Streit um die umstrittene Forschung an Demenzkranken schlichtet, legt die Opposition erneut Veto ein. Linke und Grüne verweisen darauf, dass ein Verbot vor drei Jahren noch Konsens war. Die AMG-Novelle soll trotz der umstrittenen Frage Anfang Juli verabschiedet werden.

Alter Konsens wird aufgehoben

Ethische Fragen haben in den letzten Wochen die laufende AMG-Novelle auf der Zielgeraden nochmal gestoppt. Die Bundesregierung will in Zukunft Forschung an Patienten erlauben, die aufgrund geistiger Beeinträchtigungen selber nicht mehr zustimmungsfähig sind und die selbst von der Forschung nicht profitieren können. Der Gesetzesentwurf sieht strengere Regelungen vor, als die vergleichsweise liberale EU-Verordnung, die 2014 verabschiedet wurde. Konsens in der Regierung ist beispielsweise, dass die Patienten vorab schriftlich zukünftiger Forschung für ihr Krankheitsbild zugestimmt haben müssen.

Von Patientenschützern, Unions-Familienpolitikern oder Kirchen wurden die Pläne scharf kritisiert. „Die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene Erlaubnis gruppennütziger Forschung bei Nicht-Einwilligungsfähigen unter bestimmten festgelegten Bedingungen würde zu einem Aufweichen des Patienten- und Probandenschutzes führen“, begründet die Linke-Fraktion im Bundestag einen Änderungsantrag, der die bisherige Regelung fortschreiben will. „Da selbst der Pharmaindustrieverband vfa diese Art von Forschung für überflüssig erachtet, gibt es keine Argumente für die Aufrechterhaltung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung.“

Die Grüne-Fraktion teilt die Forderung der Linken. Beide Parteien verweisen darauf, dass das Verbot fremdnütziger Forschung noch vor drei Jahren Konsens unter den damaligen Fraktionen im Bundestag war. „Von dieser Haltung darf sich auch die Große Koalition nicht, noch dazu ohne ausreichende Debatte, verabschieden“, erklärte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche.

Umstrittene Einwilligung

Der innerhalb der Union erzielte Kompromiss überzeugt die beiden Oppositionsparteien offenbar noch nicht. Dieser sieht vor, dass eine ärztliche Aufklärung zwingend erforderlich ist, wie auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach es gefordert hatte. Auch solle der vorab verfügte Wille, bei fremdnützigen Studien mitmachen zu wollen, nicht wie zuvor in der Patientenverfügung niedergelegt werden. Lauterbach hatte befürchtet, dass ansonsten das Instrument der Patientenverfügung leiden würde – und die Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung ins Spiel gebracht. Dies stieß wiederum auf scharfe Kritik. „Herr Lauterbach hat offensichtlich keine Ahnung, was eine Vorsorgevollmacht geschweige denn eine Betreuungsverfügung leisten kann und was nicht“, sagte Schulz-Asche. Stattdessen ist nun eine neu zu schaffende „Probandenverfügung“ vorgesehen.

Die neuen Vorschläge treffen auch auf Kritik von Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Willenserklärungen zur Teilnahme an gruppennütziger Forschung bei nichteinwilligungsfähigen Patienten sind umstritten“, erklärte er gegenüber der Deutschen Presse Agentur. Wer einwilligen wolle, brauche eine qualifizierte Beratung. Aus Gründen eines Interessenskonfliktes „sind Ärzte grundsätzlich auszuschließen, die sich an solcher Forschung beteiligen.“

Das Gewissen soll entscheiden

Auch andere Punkte der geplanten AMG-Novelle sind weiterhin umstritten – wie die Frage, ob das Votum einer Ethik-Kommission wie von der Bundesregierung geplant zukünftig überstimmt werden kann.

Beim geplanten Verbot von DrEd wurden hingegen bisher keine Änderungsanträge vorgelegt, die dieses wieder kippen könnten.

Die AMG-Novelle soll nun in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, also vom 4. bis 8. Juli, verabschiedet werden. Klar ist, dass dies nicht wie ursprünglich geplant in einer halbstündigen Sitzung am Abend passieren wird – sondern dass Zeit für eine Debatte eingeräumt werden soll. Voraussichtlich wird auch der Fraktionszwang aufgehoben, so dass abweichende Voten zu erwarten sind.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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