Serie: Mittelstand im Pharmaland – Wörwag

Vitamine für jedermann

Böblingen - 24.06.2016, 16:00 Uhr


WÖRWAG – Der Pharmahersteller Wörwag steht für Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel. Um den teils widrigen Bedingungen in Deutschland auszuweichen, setzte die Firma in den vergangenen zehn Jahren verstärkt aufs Ausland – und steigerte den internationalen Umsatz aufs Fünffache. Doch nicht nur durch die Sanktionen gegenüber Russland gibt es nun neue Herausforderungen.

Von der Stadtteilapotheke zum globalen Unternehmen

Wörwag? Das sind doch die von Milgamma! Für seine Vitaminprodukte und Nahrungsergänzungsmittel ist der Pharmahersteller nicht nur unter Pharmazeuten bekannt. Ausgehend von seiner Apotheke in Stuttgart-Zuffenhausen mietete der Firmengründer Fritz Wörwag vor rund 45 Jahren Büroräume neben der Offizin, um ein Unternehmen zur Herstellung von Arzneimitteln zu gründen. Aus der Stadtteilapotheke wurde dabei eine global aufgestellte Firma mit mehr als 900 Mitarbeitern, von denen nur ungefähr jeder fünfte in Deutschland arbeitet.

Einige Präparate bilden seit Jahrzehnten die Basis des Familienunternehmens: Das Magnesiumpräparat Magnerot® CLASSIC N, die fettlösliche Vitamin-B1-Vorstufe Befotiamin (Milgamma®) oder B12 Ankermann gehen regelmäßig über den HV-Tisch. Klassische Kunden von Wörwag sind Diabetiker, bei denen Milgamma® zum Ausgleich eines Thiamin-Mangels und zur Vorbeugung von Nervenschädigungen eingesetzt wird. 

Monika und Marcus Wörwag im Interview

Mit der Kampagne „Hören Sie auf Ihre Füße“ und einer begleitenden Roadshow richtet sich das Unternehmen gezielt an Diabetes-Patienten. „Viele Diabetiker haben erste Anzeichen einer Neuropathie, ohne davon zu wissen“, sagt Markus Wörwag. Nach einem Generationenwechsel im Jahr 2000 hat er zusammen mit seiner Schwester Monika die Geschäfte übernommen, inzwischen ist mit Christian Stenske noch ein weiterer Geschäftsführer mit an Bord. Zu dritt arbeiten sie daran, Wörwag global aufzustellen. 

Milliarden mögliche Käufer

Denn eigentlich sieht die Firma alle rund sieben Milliarden Menschen als mögliche Kunden. „Vitamine und Mineralstoffe braucht jeder Mensch, jeden Tag“, erklärt Marcus Wörwag. So führten die modernen Lebensumstände regelmäßig zu Mangelerscheinungen, argumentiert er. „Deswegen haben Vitamine und Mineralstoffe Zukunft.“

Durch den demografischen Wandel sieht das Unternehmen einen ganz neuen Markt. „Für mich ist der Bedarf offensichtlich“, sagt der Pharmazeut. Im Alter könne die Resorptionsfähigkeit abnehmen, so dass es beispielsweise zu B12-Maladsorption kommt. „Das können Sie nur schwer durch Ernährung ausgleichen, dazu müssten Sie zum Beispiel eine Menge Fleisch essen“, sagt Marcus Wörwag. „Da sind Präparate sinnvoll.“ Vitamin-B12-Produkte seien beispielsweise für ältere Menschen sinnvoll, die sich matt fühlen oder Konzentrationsschwierigkeiten haben, ergänzt seine Schwester. Es gäbe auch Hinweise, dass es bei Demenz helfen könnte.

Auch für die Vitamin-D-Präparate sieht sie eine breite Zielgruppe. „Im Grund jeder“, erklärt Monika Wörwag. „Besonders im Winter sollten die Menschen supplementieren.“

Meinungsführer gegen Kritik

Der immer wieder geäußerten Kritik an Übertreibungen beim Vitamin- und Nährstoffmangel begegnet sie gelassen. „Dieser Vorwurf trifft uns nicht, da wir auf wissenschaftlicher Basis arbeiten“, erklärt die Geschäftsführerin. Heilpraktiker und Ärzte würden dies regelmäßig bestätigen. „Es ist wichtig, dass wir in Studien mit Opinion Leadern die Wirksamkeit belegen“, sagt ihr Bruder Marcus. Auch betreibe Wörwag präklinische und klinische Forschung für neue Substanzen. 

Exklusivität für Apotheker

Die Geschwister setzen dabei auf Zusammenarbeit mit Pharmazeuten, die helfen könnten, unspezifische Symptome wie Müdigkeit und Konzentrationsprobleme richtig zu deuten. „Es ist sehr wichtig, dass Ärzte und Apotheker Mangelsymptome erkennen, sagt Monika Wörwag.

Für ihren Bruder sind Apotheker ohnehin der ideale Partner – auch da er selber promovierter Pharmazeut ist. „Apotheken erfüllen wichtige Aufgaben im Gesundheitswesen – wir möchten partnerschaftlich mit ihnen zusammenarbeiten“, sagt er. Sie könnten auch sicherstellen, dass kein Missbrauch getrieben wird und erkennen, wenn der Patient besser zum Arzt gehen sollte. „Hier hat der Apotheker eine wichtige Aufgabe“, erklärt Markus Wörwag.

Auch in Kommunikation und Vertrieb spielten Pharmazeuten für das Unternehmen eine wichtige Rolle. „Der Apotheker ist für uns unser vorrangiger Kunde“, sagt Wörwag. „Überall dort, wo es für uns möglich ist, bekommt der Apotheker Exklusivität.“

Herausforderungen und Rückschläge

In den neunziger Jahren baute Unternehmensgründer Fritz Wörwag parallel eine Generikapalette auf, die zwischenzeitlich bis zur Hälfte des Umsatzes in Deutschland ausgemacht hat. „Bis 2006 war das ein Bereich, der gut gewachsen ist“, sagt Monika Wörwag. „Dann kamen die Rabattverträge.“ Inzwischen ist die Generikasparte in die Tochterfirma AAA-Pharma ausgelagert. 

Doch nicht nur im Generikabereich stand das Unternehmen vor deutlichen Herausforderungen. Einschneidend war für Wörwag Pharma auch das Ende der OTC-Erstattungsfähigkeit. Doch machte sich schon damals bezahlt, dass sich das Unternehmen seit 1993 in anderen Ländern etablierte. „Dadurch, dass wir uns international gut aufgestellt haben, konnten wir Rückschläge auffangen“, sagt Marcus Wörwag. Dabei ging der Blick schnell in die östliche Richtung. „In Osteuropa und in Schwellenländern haben wir uns größere Chancen ausgerechnet als im Westen“, erklärt er.

Wachstum ist keine Selbstverständlichkeit mehr

Eine wichtige Entscheidung war dabei, dass die Firma von Anfang an ihr eigenes Marketing betrieb und selber Vertriebsstrukturen aufgebaut hat. „Eigene Mitarbeiter identifizieren sich natürlich ganz anders mit dem Unternehmen“, sagt Monika Wörwag. Daher sei in vielen Ländern die „Mannschaft der ersten Stunde“ noch in der Firma. Um Mitarbeiter zu binden und Engagement auch zu honorieren, setze das Unternehmen auf Leistungsprämien.

Historisch sei Wörwag stark gewachsen – mit einer Umsatzverdopplung ungefähr alle fünf Jahre. „Aber die letzten zwei waren eher schwierige Jahre“, sagt Marcus Wörwag – Wachstum sei keine Selbstverständlichkeit mehr. Dies liegt unter anderem am russischen Markt, der inzwischen größer ist als der deutsche. Doch obwohl zu spüren sei, dass Menschen in Osteuropa mehr für die Gesundheit ausgeben, könnte der dortige Höhenflug bald vorbei sein.

Auf der Suche nach neuen Chancen

„Die Krise in Russland spüren wir schon deutlich“, sagt er. Auch wolle Putin bis 2020 dafür sorgen, dass 50 Prozent des russischen Pharmamarktes einheimisch ist.

„Wir überlegen uns genau, wo und wie wir weiter wachsen können.“ Im pharmazeutischen Markt sei dies grundsätzlich schwierig, da er hochreguliert ist. „Es ist und bleibt eine Herausforderung“, erklärt Wörwag. Inzwischen sei die Firma auch in Südamerika und Asien sehr aktiv, vermehrt würde sie in Schwellenländer gehen. „Dort liegen für uns große Wachstumschancen“, sagt er. 

Die beste Arznei

Dabei seien der Firma ihre Mitarbeiter und Arbeitsplätze sehr wichtig. „Als Familienunternehmen sind wir in der Lage, langfristig zu planen und zu handeln“, erklärt Monika Wörwag.

Das allgemein schlechte Image der Pharmaindustrie können die beiden nicht nachvollziehen. „Was Arbeitsplätze betrifft, ist der Gesundheitssektor zusammen mit der Pharmaindustrie der beschäftigungsstärkste Wirtschaftszweig in Baden-Württemberg – wir sind nicht nur Automobil“, sagt Marcus Wörwag.

 Bei Pharma-Skandalen würde oft die ganze Branche an den Pranger gestellt. Dabei sei sie in Deutschland ohnehin unglaublich vielseitig. „Was die Menschen meistens vor Augen haben, ist die Großindustrie“, sagt seine Schwester. 

Im Unternehmen aufgewachsen

Seit ihrer Jugend gehörte sie – wie auch ihr Bruder – zum Unternehmen. Schon während der Schulzeit schrieb sie Rechnungen, parallel zum Studium in Berlin war sie im Außendienst tätig. 

„Ich habe gelernt, dass Privatleben und Unternehmen nicht zu trennen sind“, sagt Monika Wörwag. Inzwischen versuche sie, möglichst viel für ihre Kinder da zu sein. Und ein Arzneimittel oft zu nutzen, das wohl jedem Menschen guttut – nämlich zu Laufen. „Wie man häufig sagt, ist Bewegung die beste Medizin“, sagt sie.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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