Medikationsmanagement

ARMIN startet – Wo hakt es noch?

Berlin - 28.06.2016, 14:30 Uhr

Gut beraten: Ab dem 1. Juli können Apotheker in Sachsen und Thüringen multimorbiden AOK-Patienten ein Medikationsmanagement anbieten. (Foto: dpa)

Gut beraten: Ab dem 1. Juli können Apotheker in Sachsen und Thüringen multimorbiden AOK-Patienten ein Medikationsmanagement anbieten. (Foto: dpa)


Beteiligung der Ärzte und Patienten, Technikprobleme

  • Die Beteiligung der Ärzte. Die Mediziner lässt das Modellprojekt derzeit noch relativ kalt. In Thüringen beteiligen sich lediglich 361 von rund 1500 Ärzten, die für das Projekt in Frage kämen. Die KV Thüringen hatte sich schon vor Jahren als einzige KV für eine Beteiligung ausgesprochen und damals schon den dortigen Hausärzteverband ins Boot geholt. Das ist in Sachsen nicht der Fall. „Der sächsische Hausärzteverband lehnt das Modell ab“, sagte Sachsens KV-Chef Klaus Heckemann bei der PK. In den Teilnehmerzahlen spiegelt sich das wider: Nur 215 von etwa 2500 möglichen Ärzten beteiligen sich in Sachsen. Schon zu Beginn des Projektes hatten die Hausärzte davor gewarnt, die Therapiehoheit und die Medikationsexpertise in die Hände der Apotheker zu legen. Hinzu kam, dass die Mediziner der digitalen Kommunikationslösung gegenüber sehr skeptisch eingestellt waren und eine Vernetzung der Praxissoftware mit der Krankenkasse und den Apothekern ablehnten. AOK-Chef Rainer Striebel ist trotzdem gelassen: „Ärzte sind bei solchen Projekten anfangs immer sehr zögerlich. Das wird sich geben.“ Übrigens: Die Apotheker sind überzeugt von ARMIN. In Thüringen beteiligen sich 471 von 565 Apotheken, auch in Sachsen sind bereits mehr als drei Viertel aller Apotheken eingeschrieben.

  • Die Beteiligung der Versicherten. Das Modellprojekt ist zunächst bis 2018 zeitlich begrenzt. Laut AOK-Chef Striebel kommen für die Teilnahme in beiden Bundesländern rund 300.000 multimorbide Patienten in Frage, die mehr als fünf Rx-Medikamente gleichzeitig einnehmen. Damit ARMIN auch für andere Krankenkassen interessant wird und seine volle Vorbildfunktion auf anderen AMTS-Projekt auswirken kann, müssen alle Beteiligten den Patientennutzen nachweisen. Striebel hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2018 mindestens ein Viertel, also etwa 75.000 Patienten, sich in das Modell einschreiben. Weil die teilnehmenden Apotheker in beiden Ländern in der Überzahl sind, wird ihnen bei der „Rekrutierung“ und Werbung für das Projekt eine wichtige Rolle zukommen.

  • Die Technik. Die technische Verbindung zwischen Arzt, Apotheker und Krankenkasse hat allen Beteiligten über Jahre hinweg Kopfschmerzen bereitet. Ärzte-Chef Heckemann sagte, dass die Mediziner wahrscheinlich vor ARMIN „zurückgeschreckt“ wären, wenn sie von Anfang an die Dimensionen der technischen Umsetzungsprobleme gekannt hätten. Die Ärzte hatten und haben Angst, dass ihre Praxisinformationssysteme zu durchsichtig werden. Gleichzeitig musste eine aus datenschutzrechtlicher Sicht absolut sichere Datenleitung etabliert werden. Vorgängerbeispiele gab es nicht – alles musste neu erfunden werden. Und: Weil sich so wenig Ärzte beteiligen, sehen natürlich auch die Hersteller der Praxissoftware keinen wirtschaftlichen Grund, ihre Systeme für ARMIN umzurüsten. Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, sprach von einem „hohen Marktanteil“ bei den Softwareanbietern. Alle Beteiligten warben bei der PK aber dafür, dass noch mehr Anbieter sich an dem Modell beteiligen sollten. Thomas Dittrich, Chef des Sächsischen Apothekerverbandes, sagte, dass die flächendeckende Etablierung aus diesen technischen Gründen noch etwas Zeit in Anspruch nehmen werde.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Aufmarsch der Reichsbedenkenträger bei ARMIN

von Uwe Bauer am 29.06.2016 um 7:32 Uhr

Dieses ständige Gemeckere über jedwede Versuche einer Neuorientierung , das hyperaktive Suchen des Haares in der Suppe und noch einiges mehr geht mir nur noch auf den Senkel.

Hat irgendjemand gesagt, es würde einfach werden?

Hat jemand bessere Ideen für eine aktivere Orientierung auf den heilberuflichen Teil unserer Arbeit?

Meint irgendwer, die Schwierigkeiten im Umgang mit Technik & Datenschutz wären lockerer aus dem Weg zu räumen?

Fand schon jemand den Königsweg bei der Zusammenarbeit mit unseren heilberuflichen Brüdern & Schwestern auf ärtzlicher Seite?

Dann immer heraus mit solcherlei brillianten Ideen!

Fast alles, was dort bisher vorgetragen wurde, ist nichts als heiße Luft. Es springt als Tiger ab und landet als Bettvorleger.

Ja, die Sache mit dem Honorar ist Mist, aber daran muss eben gearbeitet werden. Mit genau der gleichen Hartnäckigkeit wie bei der Überwindung der o. g. Probleme.

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AW: Aufmarsch der Reichsbedenkenträger bei

von Pillendreher am 01.10.2019 um 10:15 Uhr

Wir haben zu tun mit massenhaften Defekten, müssen improvisieren, um die Patienten zu versorgen, wir haben den Rahmenvertrag umzusetzen (damit auch ja die richtigen Nummern auf dem Rezept stehen), unsere "ärztlichen Brüder und Schwestern" arbeiten ja nur mit bestimmten Apotheken zusammen, nicht mit allen... Ein Orientierung auf den heilberuflichen Teil meines Berufes vermisse ich und habe dies ad acta gelegt, nachdem ich ganze Vormittage verbringem um einen Arzt ans Telefon zu kriegen, nach Lorazepam in SMT Form Ausschau halte, Venlafaxin vergeblich in D suche... Armin? Das Lieblingsprojekt einiger Funktionäre aus Sachsen und Thüringen - praktikabel ist es erst, wenn ich als Pharmazeut mich heilberuflich (!) betätigen kann. Die sehe ich für die nächsten Jahre nicht.

Will die ABDA "Arminsklaven"?

von Heiko Barz am 28.06.2016 um 20:12 Uhr

Ein gewaltiges Damokles Schwert bedroht ARMIN und dessen "Brüder und Schwestern" in den anderen Bundesländern,
nämlich die faire finanzielle Bewertung dieser Zusatzbelastung.
Ich garantiere, sobald bundesweit über eine Finazierung dieser Sonderaufgaben gesprochen wird, dann höre ich die " Gesundheistskasse " wieder reden von der Selbstverständlichkeit der bestehenden Beratungsgebühr.
Lobpreisung über alles - wenn es nichts kostet. Super!!
Es ist geradezu lächerlich, wenn die ABDA vermeldet, es habe sich dieser ARMIN-Konstruktion alles unterzuordnen.
Man sollte davon ausgehen, dass die notwendigsten Aufgaben: BTM-Vergütung, Nacht und Notdienstverbesserung, Honorarverhandlungen etc keine momentanen Richtwerte mehr sind.
So schön und schnell können sich Schmid und Co. aus der Bedrängnis wieder ins helle Licht bringen.

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