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Klingt toll, geht aber an der Realität vorbei: Das neu verabschiedete Berufsbild der Apotheker trifft nicht recht den Punkt, findet Ann-Kathrin Kossendey-Koch. Ehrliches Feedback – und das beinah täglich – bekommt sie anderswo.
Heute bin ich mal so richtig stolz auf mich. Ich bin Apothekerin und dank der Bundesapotheker-Kammer und deren frisch verabschiedeten Berufsbildes habe ich schwarz auf weiß, was ich alles Tolles kann und bin. „Der Apotheker ist berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes“.
Dieser aus der Bundesapothekerordnung abgeschriebene erste Satz der Präambel unseres Berufsbildes macht mich augenblicklich zur Heldin, zur Jean D’ Arc der Pharmazie. Ich beliefere nicht Rezepte, ich diene der Gesundheit des gesamten deutschen Volkes. Diesen Pathos muss ich schriftlich haben, in meinem Alltag merke ich nämlich davon nichts. Ich finde mich darin auch nicht wieder.
Ja, wir können was, das darf man ruhig mal übersichtlich zusammenfassen - aber man muss nicht gleich eine Helden-Saga schreiben. Berufsbild der Friseur-Innung: „Der Friseur ist dazu berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit flotten Haarschnitten zu versorgen. Er dient damit der Schönheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.“ Klingt doch merkwürdig, zumal jedem von uns sofort ein Beispiel einfällt, wo die Haarfrisur der Schönheit nur mäßig dienlich war - aber das nur am Rande.
Bei der Lektüre des Absatzes über den „Tätigkeitsbereich öffentliche Apotheke“ erfahre ich, dass ich sogar das Solidarsystems Deutschlands mit meiner Arbeit entlaste. Die Rentenkürzungen liegen also schon mal nicht an mir - Glück gehabt. Darüber hinaus bin ich unabhängig, kollegial, handele eigenverantwortlich zum Wohle des Patienten, wahre die Vertrauensbeziehung und optimiere die Arzneimitteltherapie. Wow... ich wusste noch gar nicht, was alles in mir steckt.
Und neben der umfassenden Arzneimittel-Versorgung von Patienten, Heimen, Arztpraxen und Krankenhäusern bin ich ein echter Beratungs-Weltmeister. Nicht nur Patienten und Kunden werden durch mich über alles rund um Arznei- oder Hilfsmittel informiert, auch „Angehörige des Patienten, Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe sowie Pflegepersonal in Einrichtungen der Palliativversorgung, in Alten- und Pflegeheimen, bei Pflegediensten sowie in Krankenhäusern“. Erwähnung findet in diesem Zusammenhang natürlich auch das Medikationsmanagement. Doch nicht nur das, Apotheker werden laut unseres Berufsbildes „auch konsiliarisch in Verordnungsprozesse und Therapieverläufe mit einbezogen“. Alles auf höchstem Niveau, selbstverständlich ständig in Eigenrevision überprüft und durch ein Qualitätsmanagementsystem verbessert.
In diesem jüngst erstellten Berufsbild zeigt sich das Versagen unserer Standespolitik der letzten Jahrzehnte. Wir leisten Arbeit in bester Qualität, dienen dem Gemeinwohl, aber haben es leider verpasst, unsere Leistungen auch politisch wirksam zu verkaufen. Wir werden miserabel honoriert und durch die falsche (oder gar keine?) Kommunikation haben wir nur eine schlechte Verhandlungsposition. Welche pharmazeutischen Dienstleistungen wollen wir denn bitte verkaufen, wenn wir laut Berufsbild bereits alles für lausige € 8,35 Packungshonorar tun? Selbst das Medikationsmanagement, das uns von den abgegebenen Schachteln unabhängig machen sollte, ist schon heute laut der Bundesapotheker-Kammer ein Teil meiner täglichen Arbeit, die ja laut Politik und Krankenkassen bereits fürstlich bezahlt wird. Wie lautet die Argumentation der ABDA zum Thema „Honorarerhöhung“? Die geschwollenen Formulierungen unseres Berufsbildes passen hervorragend zum Repräsentationswahn unserer ABDA, nur beeindrucken sie leider auch genauso wenig.
Ich erhalte jeden Tag ein ehrliches Feedback meiner Leistungen und der meiner Mitarbeiterinnen - nämlich durch meine Kunden, die täglich neu mit den Füßen abstimmen, wie gut ich meine Arbeit mache. Und ich diene nicht dem deutschen Volk, sondern versuche - trotz aller Widrigkeiten, die Politik und Krankenkasse für uns bereit halten - meine Kunden ehrlich und empathisch zu beraten und ihnen das für sie passende Arzneimittel zu verkaufen. Klingt lange nicht so heldenhaft, fühlt sich aber richtig an.
10 Kommentare
Berufsbild vs. Realität
von Holger am 30.06.2016 um 9:20 Uhr
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AW: Bitte Zensur, das ist ja nicht auszuhalten ...........
von Wolfgang Müller am 30.06.2016 um 16:50 Uhr
Kolleginnen und Kollegen, mutige Ritter der Labore, edle Frauen !
von gabriela aures am 29.06.2016 um 22:45 Uhr
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Die Fragen habe ich mir auch gestellt ...
von Kerstin Kemmritz am 29.06.2016 um 21:30 Uhr
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Liebe Ann-Kathrin,
von Bernd Jas am 29.06.2016 um 17:42 Uhr
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AW: Entschuldigung,
von Bernd Jas am 29.06.2016 um 17:45 Uhr
AW: Letzte Woche
von Nicola Kuhrt am 29.06.2016 um 18:09 Uhr
AW: Kolumne
von Bernd Jas am 30.06.2016 um 10:09 Uhr
Umsonst ist geil
von Karl Friedrich Müller am 29.06.2016 um 17:18 Uhr
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Besonders....
von gabriela aures am 29.06.2016 um 16:31 Uhr
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