Kossendeys Gegengewicht

Heldin der Pharmazie?

Berlin - 29.06.2016, 16:00 Uhr

Der Apotheker und die Definition seiner Rolle - Ann-Kathrin Kossendey-Koch erinnert das neue Berufsbild an Jean D'Arc. (Foto: Dennos Kuvaviev /Fotolia)

Der Apotheker und die Definition seiner Rolle - Ann-Kathrin Kossendey-Koch erinnert das neue Berufsbild an Jean D'Arc. (Foto: Dennos Kuvaviev /Fotolia)


Klingt toll, geht aber an der Realität vorbei: Das neu verabschiedete Berufsbild der Apotheker trifft nicht recht den Punkt, findet Ann-Kathrin Kossendey-Koch. Ehrliches Feedback – und das beinah täglich – bekommt sie anderswo.

Heute bin ich mal so richtig stolz auf mich. Ich bin Apothekerin  und dank der Bundesapotheker-Kammer und deren frisch verabschiedeten Berufsbildes habe ich schwarz auf weiß, was ich alles Tolles kann und bin. „Der Apotheker ist berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Er dient damit der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes“.

Dieser aus der Bundesapothekerordnung abgeschriebene erste Satz der Präambel unseres Berufsbildes macht mich augenblicklich zur Heldin, zur Jean D’ Arc der Pharmazie. Ich beliefere nicht Rezepte, ich diene der Gesundheit des gesamten deutschen Volkes. Diesen Pathos muss ich schriftlich haben, in meinem Alltag merke ich nämlich davon nichts. Ich finde mich darin auch nicht wieder.

Ja, wir können was, das darf man ruhig mal übersichtlich zusammenfassen - aber man muss nicht gleich eine Helden-Saga schreiben. Berufsbild der Friseur-Innung: „Der Friseur ist dazu berufen, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit flotten Haarschnitten zu versorgen. Er dient damit der Schönheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.“ Klingt doch merkwürdig, zumal jedem von uns sofort ein Beispiel einfällt, wo die Haarfrisur der Schönheit nur mäßig dienlich war - aber das nur am Rande. 

Bei der Lektüre des Absatzes über den „Tätigkeitsbereich öffentliche Apotheke“ erfahre ich, dass ich sogar das Solidarsystems Deutschlands mit meiner Arbeit entlaste. Die Rentenkürzungen liegen also schon mal nicht an mir - Glück gehabt. Darüber hinaus bin ich unabhängig, kollegial, handele eigenverantwortlich zum Wohle des Patienten, wahre die Vertrauensbeziehung und optimiere die Arzneimitteltherapie. Wow... ich wusste noch gar nicht, was alles in mir steckt.

Ann-Katrin Kossendey-Koch

Und neben der umfassenden Arzneimittel-Versorgung von Patienten, Heimen, Arztpraxen und Krankenhäusern bin ich ein echter Beratungs-Weltmeister. Nicht nur Patienten und Kunden werden durch mich über alles rund um Arznei- oder Hilfsmittel informiert, auch „Angehörige des Patienten, Ärzte und Angehörige anderer Heilberufe sowie Pflegepersonal in Einrichtungen der Palliativversorgung, in Alten- und Pflegeheimen, bei Pflegediensten sowie in Krankenhäusern“. Erwähnung findet in diesem Zusammenhang natürlich auch das Medikationsmanagement. Doch nicht nur das, Apotheker werden laut unseres Berufsbildes „auch konsiliarisch in Verordnungsprozesse und Therapieverläufe mit einbezogen“. Alles auf höchstem Niveau, selbstverständlich ständig in Eigenrevision überprüft und durch ein Qualitätsmanagementsystem verbessert.

In diesem jüngst erstellten Berufsbild zeigt sich das Versagen unserer Standespolitik der letzten Jahrzehnte. Wir leisten Arbeit in bester Qualität, dienen dem Gemeinwohl, aber haben es leider verpasst, unsere Leistungen auch politisch wirksam zu verkaufen. Wir werden miserabel honoriert und durch die falsche (oder gar keine?) Kommunikation haben wir nur eine schlechte Verhandlungsposition. Welche pharmazeutischen Dienstleistungen wollen wir denn bitte verkaufen, wenn wir laut Berufsbild bereits alles für lausige € 8,35 Packungshonorar tun? Selbst das Medikationsmanagement, das uns von den abgegebenen Schachteln unabhängig machen sollte, ist schon heute laut der Bundesapotheker-Kammer ein Teil meiner täglichen Arbeit, die ja laut Politik und Krankenkassen bereits fürstlich bezahlt wird. Wie lautet die Argumentation der ABDA zum Thema „Honorarerhöhung“? Die geschwollenen Formulierungen unseres Berufsbildes passen hervorragend zum Repräsentationswahn unserer ABDA, nur beeindrucken sie leider auch genauso wenig.

Ich erhalte jeden Tag ein ehrliches Feedback meiner Leistungen und der meiner Mitarbeiterinnen - nämlich durch meine Kunden, die täglich neu mit den Füßen abstimmen, wie gut ich meine Arbeit mache. Und ich diene nicht dem deutschen Volk, sondern versuche - trotz aller Widrigkeiten, die Politik und Krankenkasse für uns bereit halten - meine Kunden ehrlich und empathisch zu beraten und ihnen das für sie passende Arzneimittel zu verkaufen. Klingt lange nicht so heldenhaft, fühlt sich aber richtig an.


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10 Kommentare

Berufsbild vs. Realität

von Holger am 30.06.2016 um 9:20 Uhr

Liebe Frau Kossendey,

über das Berufsbild können wir inhaltlich trefflich streiten, aber die Bundesapothekerordnung, auch deren Präambel, sind uns vom Gesetzgeber geschaffen, nicht selbstgemacht, somit sakrosankt.

Blasphemische Frage:
Dass Sie persönlich tagtäglich Hervorragendes leisten, daran habe ich keinen Zweifel. Und ich kenne auch Kolleg(inn)en, für die ich Gleiches annehme. Aber sind Sie wirklich sicher, dass diese Gruppe die Mehrheit unserer Profession darstellt? Ich leider nicht. Sonst würde es den Testkäufern von WiSo, Stiftung Warentest, Panorama et. al. doch nicht immer wieder derart leicht gemacht, uns als "Schubladenzieher/Verkäufer" am Nasenring durch die Manege zu zerren.

Und drittens finde ich, den Ärger bezüglich der Finanzierung der (selbständigen) Apothekerleistung sollten wir nicht auf die Kammer fokussieren, sondern auf den Vertragspartner DAV.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Bitte Zensur, das ist ja nicht auszuhalten ...........

von Wolfgang Müller am 30.06.2016 um 16:50 Uhr

Dieser Beitrag ist in seiner schulterklopfenden, anbiedernd gemeinschaftsstiftenden Anmaßung der vermeintlich "Hervorragendes" leistenden Minderheit gegenüber der Kammer-seitig bitte immer mehr und mehr möglichst bürokratisch zu kujonierenden Schwachleister-Mehrheit so ziemlich das Entlarvendste und Schrecklichste, was zur Misere unseres Berufsstandes bis jetzt (natürlich anonym) offenbart wurde.

Wen wundert´s da noch, dass wir z. B. beim Honorar nicht vorankommen, wenn argwöhnisch und anmaßend "Auf die Finger schauen" sowohl untereinander als auch bei Ärzten schon schleichend zu unserem eigentlichen "Berufsbild" und zur wichtigsten "Perspektive" geworden ist?

Kolleginnen und Kollegen, mutige Ritter der Labore, edle Frauen !

von gabriela aures am 29.06.2016 um 22:45 Uhr

Können wir uns im Angesicht dieses neuen Berufsbildes bitte erheben, uns an den Händen fassen und gemeinsam mit einer Stimme ( gerne tränenreich) die Worte sprechen:

I take the Oath !

Danke !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Die Fragen habe ich mir auch gestellt ...

von Kerstin Kemmritz am 29.06.2016 um 21:30 Uhr

Wieso hat das Berufsbild für die öffentliche Apotheke so wenig mit der bürokratischen Realität zu tun, in der ich (meist erfolgreich) Engpässe verwalte und den Krankenkassen beim Sparen helfe, statt so richtig pharmazeutisch heldenhaft tätig zu sein?
Warum ist das erst noch zu entwickelnde Medikationsmanagement bereits eine immaterielle Leistung? Warum schreiben wir jede Menge Wunschdenken rein, wenn das Berufsbild Grundlage der Jetztzeit sein soll? Wodrin unterscheiden sich Perspektivpapier und Berufsbild? Ach ja, die Evidenz ist weg. Stattdessen machen wir Pharmakoökonomie und -genetik. Äh? Gibt es dafür auch eine Datenbank?

Mit einigen dieser Fragen haben wir Herrn Dr. Kiefer auf der letzten Delegiertenversammlung konfrontiert, aber nun wissen wir: Wir können uns entspannt zurücklehnen, denn die Nennung zukünftiger Leistungen bereits im heutigen Berufsbild wird uns nicht auf die Füße fallen! Gesundheitsförderung und Prävention machen wir auch schon, da brauchen wir die Politik auch nicht dauernd damit zu nerven, dass wir noch in ein Gesetz wollen und Wirtschaftliches wurde sowieso ausgeblendet! Also alles bestens...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Liebe Ann-Kathrin,

von Bernd Jas am 29.06.2016 um 17:42 Uhr

wo ist eigentlich dein Beitrag von letzter Woche geblieben?

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Entschuldigung,

von Bernd Jas am 29.06.2016 um 17:45 Uhr

es musste natürlich heißen:
Liebe Ann-D’ Arc,...

AW: Letzte Woche

von Nicola Kuhrt am 29.06.2016 um 18:09 Uhr

Hallo Herr Jas,

hier ist er: Hallo Herr Jas,

hier ist er https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/06/23/wann-kommt-plan-b

Steht unter der Rubrik "Debatte und Meinung".
Herzlicher Gruß, Nicola Kuhrt

AW: Kolumne

von Bernd Jas am 30.06.2016 um 10:09 Uhr

Ach ja, da ist sie ja wieder!
Danke für die Suchhilfe, aber ich könnte schon fast schwören, dass sie ein ganz klein wenig unauffindbar war.

Umsonst ist geil

von Karl Friedrich Müller am 29.06.2016 um 17:18 Uhr

Lt Berufsbild hat der Apotheker (nicht die ABDA!) wirtschaftlich zu arbeiten.
Offensichtlich tun wir das so gut, dass wir unsere Perlen vor die Säue schmeißen können.
Umsonst.
Wer nichts verdient, braucht sich auch um Schäubles Bespitzelungssoftware keine Sorgen machen.
Vielleicht sollten wir die Aktion mit den nackten Apothekern wiederholen. Transparent bis auf die Haut. Oder gleich Röntgenbilder verwenden.....

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Besonders....

von gabriela aures am 29.06.2016 um 16:31 Uhr

.dankbar können wir sein, daß im neuen Berufsbild gleich mal klargestellt wird, was zum Versorgungsauftrag gehört, nämlich u.a.:
-immaterielle pharmazeutische Leistungen, insbesondere die Medikationsanalyse und das Medikationsmanagement
-Gesundheitsförderung und präventive Leistungen.

Getreu dem Motto:
wenn uns das niemand zugesteht und bezahlt, dann machen wir das eben in Eigenregie zu unseren Grundaufgaben, die wir freudig umsonst erbringen.

So und nicht anders werden das die Politik und die Kassen interpretieren - und sich ins Fäustchen lachen !

Ich bin so durch mit dieser Laienschauspielertruppe !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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