Serie: Mittelstand im Pharmaland - Dr. Kade

Keine Angst vor Tabuthemen

Berlin - 05.08.2016, 11:15 Uhr

Um 1890 sah die Pillenproduktion noch anders aus. (Foto: Dr. Kade)

Um 1890 sah die Pillenproduktion noch anders aus. (Foto: Dr. Kade)


Alles begann 1886 in Berlin-Kreuzberg

Doch wie fing die Erfolgsgeschichte an? Dr. Kade kann in diesem Jahr auf eine 130-jährige Unternehmenshistorie zurückblicken. Begonnen hat es am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Und zwar an einem Ort, an dem heute ein beliebtes Café zu finden ist: das Ora, das dank seiner alten Apothekeneinrichtung einen ganz besonderen Charme ausstrahlt. Dort befand sich damals die Oranien-Apotheke des Berliner Apothekers Dr. Rudolph Kade, die Firmengründer Dr. Franz Lutze 1886 erwarb. Der bis heute beibehaltene Name des Unternehmens geht also nicht auf die Gründerfamilie, sondern den Apothekenvorbesitzer zurück.

Die Apotheke von Franz Lutze entwickelte sich in der Folgezeit zu einer pharmazeutischen Fabrik. Es begann mit Verbandstoffen, Watte und in Würfeln komprimierten medizinischen Tees – etwa „Dr. Kades Gallensteinwürfel“. Doch das Sortiment breitete sich rasch aus: Lutze produzierte Pastillen, Dragees und Pillen. Ende 1880 gab es erste Arzneifertigwaren wie Phenacetin und Sulfonal. Es folgten Eisenpräparate, Gelatinekapseln, Arzneiweine – und zahlreiche Tabletten. Ein weiteres besonderes Angebot Lutzes zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Haus- und Reiseapotheken, insbesondere für die Tropen – es war die Zeit der Kolonialisierung. Dr. Kade belieferte deutsche Schutztruppen in den Kolonien. Nicht nur mit Arznei- und Verbandmitteln, sondern auch mit Untersuchungskästen, Trinkwassersterilisatoren und Kühlapparaten. In einem Werbezettel bezeichnete sich die Firma selbst als „Lieferant des Reichskolonialamtes für den medizinisch-pharmazeutischen Bedarf in den Kolonien“. 

Apotheke im Kasten, 1892: „Geliefert von Dr. Kade´s Oranien-Apotheke“ an den König Behanzin von Dahomé. Dahomé war ein afrikanisches Königreich, das ab dem 17. Jahrhundert bis zur Kolonialisierung durch Frankreich existierte. Seit 1975 heißt der 1960 unabhängig gewordene Staat Benin. Behanzin war von 1889–1894 dessen König.

Zwei Weltkriege überstanden

Nach dem ersten Weltkrieg und dem Verlust der Kolonien verlor Dr. Kade zwar wichtige Lieferaufträge – das Geschäft entwickelte sich dennoch gut weiter. Schon 1908 hatte Lutze seine Produktion aus dem Hinterhaus seiner Apotheke am Oranienplatz heraus in ein Fabrikgebäude am nah gelegenen Erkelenzdamm verlagert. Nach Kriegsende wurden Apotheke und Herstellung endgültig getrennt. Als Franz Lutze 1923 starb, übernahm seine Witwe Frieda Lutze die Firma. Die Apotheke stand dann zunächst unter Verwaltung verschiedener Pächter. Die Firma Dr. Kade leitete Frau Lutze mit Unterstützung ihrer Söhne Felix und Werner, die beide Apotheker waren. Vor allem Felix Lutze engagierte sich, nicht zuletzt im Exportgeschäft, und brachte die Firma durch die schwierigen Nachkriegsjahre.

Im Eingangsbereich bei Dr. Kade in Marienfelde kann man in die lange Firmengeschichte hineinschnuppern.

Der Zweite Weltkrieg bedeutete einen herben Rückschlag für das Unternehmen. Felix Lutze wurde in den letzten Kriegstagen von einem Heckenschützen erschossen. Nur der Name Dr. Kade und einige wenige Präparate blieben Frieda Lutze. Und das Glück, dass die Apotheke und die Fabrik in Kreuzberg den Krieg überstanden hatten – und knapp im West-Sektor Berlins lagen. Nachdem Frieda Lutze 1949 starb, folgte in der dritten Generation Dr. Marietta Lutze-Sackler als Allein-Gesellschafterin von Dr. Kade. Sie ist die Tochter von Felix Lutze, kam 1919 in San Francisco zur Welt und studierte später Medizin. Mit ihr ging es dann wieder bergauf bei Dr. Kade. 1960 wurde die Personengesellschaft in eine GmbH umgewandelt. Anteilhalter waren nun neben Frau Lutze-Sackler ihre Kinder Arthur Sackler und Denise Marika. 1962 begann der Aufbau eines zweiten Werks in Konstanz – man wollte einen zweiten, risikoärmeren Standort, sagt König. Die Situation in Berlin war eine besondere, und die Fabrik in Berlin-Kreuzberg befand sich unmittelbar an der Mauer. Dennoch wurde hier ebenfalls weiter produziert – bis 1982 im Berliner Stadtteil Marienfelde eine neue Produktionsstätte eröffnet wurde. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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