Protest gegen Pläne von Innenministern

Ärzte und Politiker verteidigen Arztgeheimnis

Berlin - 10.08.2016, 18:00 Uhr

Ärzte und Gesundheitspolitiker befürchten, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière die ärztliche Schweigepflicht einschränken will. (Foto: Olaf Kosinsky / Wikipedia, CC BY-SA 3.0 de)

Ärzte und Gesundheitspolitiker befürchten, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière die ärztliche Schweigepflicht einschränken will. (Foto: Olaf Kosinsky / Wikipedia, CC BY-SA 3.0 de)


Mediziner und Gesundheitspolitiker protestieren scharf gegen Pläne von CDU/CSU-Innenministern, das Arztgeheimnis einzuschränken. Laut der Psychiaterin Iris Hauth entstünde ein Teufelskreis, wenn sensible Daten nicht ausreichend geschützt sind: Patienten könnten sich weniger behandeln lassen – vermehrte Gewalt wäre womöglich die Folge.

Im Rahmen einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze wollen nach Medienberichten einige CDU/CSU-Innenminister die ärztliche Schweigepflicht aufweichen, damit Sicherheitsbehörden leichter an Informationen über verdächtige Personen kommen. Dies trifft auf starken Widerstand von Ärzteorganisationen und Politikern anderer Fraktionen. „Die angespannte innenpolitische Sicherheitslage darf nicht zu vorschnellen politischen und rechtlichen Maßnahmen verleiten“, erklärte Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery in einer Stellungnahme.

Nur eine weitgehend uneingeschränkte ärztliche Schweigepflicht schaffe laut Montgomery die Voraussetzungen für das unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten. „Das Patientengeheimnis dient dem Schutz der Privatsphäre der Patientinnen und Patienten und wird als Grundrecht durch die Verfassung geschützt“, sagt er. Nach dem Berufsrecht müssten Ärzte – auch über den Tod des Patienten hinaus – die Schweigepflicht einhalten, wenn sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind oder ein höherwertiges Rechtsgut geschützt werden muss. „Einem konstruktiven Dialog mit der Politik und den Behörden über konkrete Fallsituationen steht die Ärzteschaft selbstverständlich offen gegenüber“, erklärte der Ärztepräsident.

Patienten könnten vom Arztbesuch abgehalten werden

Auch Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, spricht sich entschieden gegen Aufweichungen des Arztgeheimnisses aus. „In der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen spielt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient eine entscheidende Rolle“, sagte sie.

Die nun laut gewordenen Forderungen würden diese Vertrauensbasis gefährden und seien kontraproduktiv. „Dies kann dazu führen, dass Menschen in psychischen Krisen und psychisch erkrankte Menschen seltener und vielleicht zu spät professionelle Hilfe suchen – oder wenn sie in Behandlung sind, aus Angst nicht über ihre aggressiven Gedanken und Impulse sprechen“, erklärte Hauth.

Pläne würden einen gefährlichen Teufelskreis auslösen

Insgesamt entstünde laut Hauth ein Teufelskreis. „Denn unzureichende Behandlung kann der Grund sein, warum Menschen mit psychischen Erkrankungen in seltenen Fällen überhaupt gewalttätig werden“, sagte die Psychiaterin. „Je eher, je kontinuierlicher und je vertrauensvoller wir Menschen mit psychischen Erkrankungen behandeln, desto größer sind die Chancen auf einen Therapieerfolg – und desto kleiner ist das Gewaltrisiko.“ Ihre Gesellschaft warne deshalb davor, die ärztliche Schweigepflicht als Reaktion auf die schrecklichen Anschläge der vergangenen Wochen voreilig zu lockern. 

Auch sie verweist darauf, dass die Schweigepflicht in manchen Fällen aufgehoben sei – in besonders schwerwiegenden Fällen bestünde sogar eine Offenbarungspflicht. „Stellen Ärzte bei einem Patienten aufgrund seiner psychischen Erkrankung konkrete Gefährdungstendenzen fest – und dies gilt sowohl für Selbst- als auch für Fremdgefährdung –, so sind sie heute schon dazu verpflichtet, aktiv zu werden“, sagte Hauth. Dabei handele es sich immer um Einzelfallentscheidungen, welche nicht pauschal durch eine einzige Rechtsnorm erfassbar seien.

Ärzte als Anti-Terror-Kämpfer?

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, äußerte sich skeptisch in Bezug auf derartige Pläne aus Unionskreisen. „Bundesinnenminister de Maizière plant, die Ärzte für die Terrorbekämpfung einzusetzen und dafür die ärztliche Schweigepflicht zu verändern“, erklärte sie in einer Pressemitteilung. Es bliebe abzuwarten, ob dieser Vorschlag ein populistischer Schnellschuss ist – oder ob er wirkliche Verbesserungen bei der Rechtsklarheit für Ärzte schafft. „In keinem Fall dürfen das Patientengeheimnis und der Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten der Menschen einem nicht durchdachten Schnellschuss zum Opfer fallen“, sagte Mattheis.

Am morgigen Donnerstag will de Maizière auf einer Pressekonferenz seine Pläne vorstellen. Eine Pressesprecherin des Ministeriums will sich aktuell zu dem Themenkomplex nicht äußern. „Ich kann Ihnen noch gar nichts bestätigen“, sagte sie gegenüber DAZ.online. Neben der Initiative des Bundesinnenministers gäbe es die sogenannte Berliner Erklärung von CDU/CSU-geführten Landesministern. „Mir ist nicht bekannt, wie das Papier an die Presse gelangt ist“, erklärte die Sprecherin. Sie versicherte, dass die Ärzte gehört würden, bevor der Bundesinnenminister Pläne vorstelle, die ihre Rechte einschränkten. „Wenn bestimmte gesellschaftliche Gruppen betroffen sein sollten, können Sie sicher sein, dass der Minister mit solchen Gruppen Gespräche führen würde“, sagte die Sprecherin.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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