Patientenschützer Eugen Brysch

Gröhe muss aktiv gegen Scharlatane vorgehen

18.08.2016, 16:45 Uhr

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. (Foto: dpa)

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. (Foto: dpa)


Ein Milliardenmarkt in der Grauzone: Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz sagt gegenüber DAZ.online, dass die Gesetze für Heilpraktiker verschärft werden müssen. Er sieht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in der Pflicht: Bei Gefahr für Leib und Leben muss er aktiv werden.

Angesichts der tragischen Zwischenfälle bei der „Biologischen Krebsklinik“ in Brüggen-Bracht fordert Patientenschützer Eugen Brysch, dass die Regeln für Heilpraktiker nachgeschärft werden. Im Interview mit DAZ.online übt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz auch direkte Kritik an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe – der sich nicht auf fehlende Zuständigkeiten zurückziehen dürfe.

DAZ.online: Herr Brysch, was denken Sie angesichts der tragischen Ereignisse in Brüggen-Bracht?

Eugen Brysch: Es ist immer dramatisch, sich klar zu machen, dass schwerstkranke, leidende Menschen womöglich an einem Therapieangebot gestorben sind. In Bezug auf die Dramatik ist es wohl ein Einzelfall, doch ist Deutschland anscheinend ein Sammelpunkt dafür, alternativmedizinischen Therapien in der Welt einen Platz zu bieten. Da muss man sich von Seiten der Politik fragen, wie es sein kann, dass wir ein solcher Magnet sind – im Ausland begreift das keiner. 

In Deutschland ist es möglich, sehr fantasievolle Angebote in der Krebstherapie zu erhalten. Ähnlich wie bei Steuertricks liegt es in einer Grauzone, die in fragwürdige Angebote übergehen kann. Ich glaube, es ist ein Milliardenmarkt, von dem wir kaum wissen, was genau geschieht.

DAZ.online: Auf seiner Homepage hat der Heilpraktiker geworben, seine Mittel seien besser als alle Chemotherapeutika.

Brysch: Da fragt man sich, wo die Gewerbeaufsicht und die Gesundheitsämter sind. Es ist ja mit einer biologischen Krebstherapie geworben worden – wo viele sagen, Bromopyruvat sei alles, nur nicht biologisch. Der Patient muss selber über sein Leben und seine Gesundheit entscheiden können, niemand anderes. Aber wir müssen Regeln aufstellen gegen Scharlatane. Es ist wichtig, die Naturmedizin mit solchen Regeln zu stärken, nicht zu schwächen. Wir wollen die Patientenautonomie fördern – aber so, dass es nicht zu einem Risiko für die Gesundheit wird.

Ärzte müssen die Menschen darüber aufklären, damit sie eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können. 

DAZ.online: Sie haben auch sehr deutlich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe kritisiert. Aber hat sein Ministerium nicht Recht, dass die Heilpraktiker-Kontrolle Aufgabe der lokalen Gesundheitsämter ist? 

Brysch: Ich glaube, dass der Gesundheitsminister keine Zaungastfunktion hat, sondern aktiv handeln muss. Sich darauf zurückzuziehen, dass er verwaltungsrechtlich nicht zuständig sei, halte ich für ein ausgesprochen schwaches Argument. Es gab bei uns Gesundheitsminister, die haben sich um die Schweinegrippe gekümmert und sich nicht darauf ausgeruht, dass dies Aufgabe der lokalen Behörden sei. Auch aus dem Contergan-Skandal sollten wir gelernt haben, beim Patientenschutz nicht zu zögern. Es geht, wenn man will. Wenn es Gefahr für Leib und Leben gibt, kann ein Gesundheitsminister nicht sagen, das passt nicht zu meiner Verwaltungsstruktur. Leider haben wir viel Erfahrung mit gefährlichen Mitteln, die dennoch angewendet werden. Hier ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. In den Niederlanden geht man einen anderen Weg. Dort darf nur verabreicht werden, was zuvor zugelassen wurde.

DAZ.online: Ist das Heilpraktikergesetz aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß?

Brysch: Da müssen wir nachschärfen. Wenn Heilpraktiker anders als in der Schweiz oder den Niederlanden die Erlaubnis haben sollen, Infusionen zu geben, dann müssen wir aus Patienten-Sicht fordern, dass das im Heilpraktikergesetz geregelt wird. Wie bei niedergelassenen Ärzten ist außerdem ein Qualitätsmanagement entscheidend und wichtig, um die Branche sicherer zu machen. Das muss kommen – und ich erwarte von den Heilpraktikern, dass sie entsprechende Vorschläge erarbeiten. Das Feld ist für viele Patienten zu wichtig, als dass man sich den Quacksalbern öffnen darf. Die Menschen sind bereit, ganz viel Geld in die Hand zu nehmen. Aber man darf mit den Menschen, die sich in einer sehr tiefen Lebenskrise befinden, kein Geschäft auf ihre Kosten machen. 

DAZ.online: Gibt es Ähnliches nicht auch in der Schulmedizin? 

Brysch: In der Patienten-Beratung erfahre ich oft, dass Mediziner ihre Patienten nicht umfassend informieren. Bei schwerkranken Krebspatienten muss man den Patienten vor einer Therapie sagen, was sie in den nächsten Wochen erwartet. Ärzte müssen die Menschen darüber aufklären, damit sie eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können. Sie müssen wissen, dass sie beispielsweise acht Wochen Quälerei bis zum absehbaren Tod erwartet oder sie ansonsten noch vier Wochen Lebensqualität haben.

DAZ.online: Während in der Schulmedizin Ausbildungen und Prüfungen klar geregelt sind, ist dies bei Heilpraktikern anders. Wissen Krebspatienten, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich von einem Alternativmediziner behandeln lassen? 

Brysch: Ich glaube, das ist den meisten Patienten nicht klar. Jeder medizinische Eingriff ist zunächst Körperverletzung. Erst die Aufklärung und Einwilligung des Patienten sowie die Qualifikation des Arztes machen ihn zur erlaubten Therapie. Aber auch als Arzt darf ich einem Patienten ohne Einwilligung keine Infusion geben. Wenn dies Heilpraktikern erlaubt sein soll, müssen die praktischen Anforderungen dafür klar gesetzlich geregelt werden. Auch dort sehe ich dringenden Handlungsbedarf für den Minister. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

"Schulmedizib"

von TeslaDriver am 20.08.2016 um 18:31 Uhr

Können wenigstens die DAZ und die seriösen Teilnehmer an dieser Debatte den Begriff "Schulmedizin" bitte aus ihrem Wortschatz streichen?

Wenn es nachgewiesen wirkt oder heilt, ist es Medizin. Alles andere ist Quacksalberei oder Scharlatanerie!

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