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Der kanadische Pharmakonzern Valeant hat derzeit genug Baustellen. Nun kommt eine weitere dazu: Addyi, die angeblich erste Pille zur Behandlung der weiblichen sexuellen Dysfunktion, bekommt im Report einer US-Patientenorganisation schlechte Noten. Auch der Verkauf holpert.
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA im dritten Anlauf Addyi zugelassen hat, eine kleine rosa Pille zur Behandlung der sogenannten weiblichen sexuellen Dysfunktion – oder anders formuliert: eine Lustpille für die Frau. Nur einen Tag später kaufte der kanadische Pharmakonzern Valeant den Entwickler der „Pink Viagra“, die Firma Sprout, für eine Milliarde Dollar.
Doch bereits das „Okay“ der US-Behörde wurde begleitet von aufkommenden Fragen zur Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels. Nun, passend zum einjährigen „Jubiläum“, bekommen Valeant und das Präparat selbst von einer US-Interessengruppe schlechte Noten, die Frauen und Ärzten zu denken geben könnten. So zeigte sich das National Women’s Health Network unzufrieden mit der Aufklärungsarbeit, die Valeant bezüglich Addyi betreibt. Auch die Risiken des Mittels selbst werden von der Organisation, die einen Report mit Noten verfasst hat, kritisiert – beispielsweise das Zusammenwirken von Addyi mit Alkohol.
„Das ist ein riskantes Präparat, über das Frauen und ihre Ärzte nicht genügend Informationen bekommen“, zitiert der Pharmabranchendienst Statnews Cindy Pearson, die Leiterin des National Women’s Health Network. Auch wenn derzeit noch nicht allzu viele Frauen die Pille nutzen würden, weil Valeant bislang freiwillig auf Konsumentenwerbung verzichtet, könnte sich dieser Zustand nach Einschätzung der Organisation ändern, wenn das Unternehmen im kommenden Jahr mit entsprechendem Marketing beginnt. „Das bedeutet, dass dann wahrscheinlich mehr Frauen den Risiken dieser Pille ausgesetzt sein werden", so Pearson.
Addyi und Alkohol
Laut Statnews verpflichtete die FDA Valeant zwar, ein Risikomanagement-Programm für Addyi zu entwickeln, das Ärzte über Fragen zu Anwendung und Nebenwirkungen informiert. Das National Women’s Health Network hält die Anstrengungen allerdings für zu dürftig. „Sie sollten das aufbessern“, so Pearson. „Valeant gibt Ärzten keinerlei Informationen darüber, dass sie vor einer Verschreibung die Patientinnen darauf hinweisen sollten, dass Alkohol bei Einnahme des Mittels vermieden werden sollte.“ Die Kombination von Addyi und Alkohol habe gezeigt, dass dadurch die Nebenwirkungen des Mittels wie niedriger Blutdruck, Schwindel und Ohnmacht verstärkt würden. Eine Valeant-Sprecherin entgegnete, das Unternehmen stehe zu seinem Informationsprogramm.
Relativ schlechte Noten erhielt das Unternehmen von der Interessengruppe auch für die Kosten des Präparates. Eine Monatsration kostet demnach offiziell rund 800 Dollar. Frauen mit einer privaten Krankenversicherung können es in den USA gegen eine Zuzahlung für 50 Dollar pro Monat verschrieben bekommen, während Frauen ohne Krankenversicherung beziehungsweise solche, die über ein Regierungsprogramm versichert sind, es für 125 Dollar pro Monat erhalten können. Nach Ansicht von Pearson grenzt dies den Kreis der möglichen Patientinnen zu sehr ein.
Die Unternehmenssprecherin erklärte dagegen: „Wir arbeiten daran, Addyi für alle Frauen verfügbar zu machen, die es benötigen. Dabei arbeiten wir intensiv mit den Krankenversicherungen zusammen“.
Umsätze enttäuschen bislang
Auch wirtschaftlich hat die Pille die teilweise hoch gesteckten Erwartungen bislang nicht erfüllt. Die Umsätze sollen laut Statnews seit der Zulassung enttäuschend ausgefallen sein. Dabei hatte sich Valeant bei der Übernahme von Sprout Pharmaceuticals verpflichtet, bis Juni 2017 rund 200 Millionen Dollar unter anderem in das Marketing von Addyi zu investieren. Aufgrund der bislang nur mäßigen Akzeptanz des Mittels hatte Valeant allerdings bereits vor Monaten begonnen, die Zahl der Außendienstmitarbeiter für Addyi zu reduzieren. „Die Umsätze von Addyi haben nicht unsere Erwartungen getroffen“, hatte der frühere Valeant-Vorstandschef Mike Pearson im April in einer internen Mitteilung kommuniziert, die der Nachrichtendienst Bloomberg wiedergegeben hatte.
Flibanserin, so der Wirkstoffname, ist ursprünglich als Antidepressivum entwickelt worden. Während Potenzmittel für Männer vor dem geplanten Sex eingenommen werden können und anschließend für eine bestimmte Zeit ihre Wirkung entfalten, muss Flibanserin täglich eingenommen werden, egal ob mit Sex gerechnet wird oder nicht.
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