Alternativmedizin

Zustimmung und Widerspruch für Josef Hecken

Stuttgart - 30.08.2016, 07:30 Uhr

Josef Hecken: Der G-BA-Chef hat eine Debatte über Satzungsleistungen der Kassen losgetreten. (Foto: Sket)

Josef Hecken: Der G-BA-Chef hat eine Debatte über Satzungsleistungen der Kassen losgetreten. (Foto: Sket)


Nach den Verbots-Vorschlägen von G-BA-Chef Josef Hecken äußert sich der Zentralverein homöopathischer Ärzte entrüstet, die großen Pharma-Verbände schließen sich an. KBV-Chef Andreas Gassen jedoch unterstützt den Vorstoß. Was sagen die Kassen, deren Handlungsspielraum eingeschränkt werden soll?

Für Cornelia Bajic, Vorsitzende des Zentralvereins homöopathischer Ärzte, war der Vorschlag von Josef Hecken ein Schock: Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte gefordert, Kassen sollten homöopathische Behandlungen zukünftig nicht mehr zahlen dürfen – und bei Krebskranken solle die Therapieart gleich ganz verboten werden. Nach einer Anfrage von DAZ.online verfasste sie noch am Wochenende im Flieger aus Südamerika eine Stellungnahme.

„Die Patienten sind nicht aufgrund einer homöopathischen Behandlung gestorben!“, schrieb sie in Bezug auf die Krebspatienten eines Heilpraktikers in Brüggen-Bracht, deren Todesfälle die aktuelle Diskussion angestoßen hatten. Hecken werfe alle Therapieformen „wild durcheinander“, kenne die gute Evidenz für Homöopathie nicht und überschreite seine Kompetenzen auch auf anderen Gebieten. „Wessen Interessen vertritt Herr Hecken?“, fragte Bajic.

Nur wirkungsloser Hokuspokus?

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) fordert derweil, dass Homöopathie auch in Zukunft als Satzungsleistungen von der GKV erstattet werden kann. „Natürlich können schwerwiegende Krankheiten wie Krebs nicht allein durch alternative Medizin geheilt werden“, sagt Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. „Wer aber die Homöopathie als ergänzende und in der Regel nebenwirkungsarme Behandlung verbieten will, beschneidet die Therapievielfalt und bevormundet zahlreiche Patienten in Deutschland.“

Nach Ansicht von Fahrenkamp gibt es eine Vielzahl von Erkrankungen, bei denen homöopathische Arzneimittel erfolgreich einsetzbar sind. Studien aus der Versorgungsforschung zeigten nach Meinung des BPI „übereinstimmend“ den Nutzen für Patienten wie Gesundheitssystem.

„Klinische Studien belegen zudem relevante Verbesserungen bei verschiedenen Indikationen“, erklärt der BPI. „Man sollte Homöopathie als Therapierichtung nicht abwerten“, ergänzt Fahrenkamp. „Homöopathie ist kein wirkungsloser Hokuspokus, sondern eine anerkannte und bewährte Therapieform.“ Wenn Behandler und Patienten sie richtig und verantwortungsvoll einsetzen, könne sie den Therapieerfolg unterstützen. „Das rechtfertigt auch eine Erstattung als Satzungsleistung der Kassen“, erklärt der Geschäftsführer.

Pharmaverband verweist auf Homöopathen

 Auf Nachfrage von DAZ.online nach den erwähnten Studien bezieht sich ein Sprecher des BPI auf einen „Forschungsreader“, in dem die aus dem Zentralverein homöopathischer Ärzte gegründete „Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie“ im Mai 2016 den „Stand der Forschung zur Homöopathie zusammengestellt hat. Dieser war von Kritikern scharf angegangen worden

Die Debatte sei unverantwortlich und gefährlich

Auch der „Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller“ (BAH) rät zur Versachlichung der aktuellen Debatte. Diese gefährde die Arzneimittelvielfalt und die therapeutischen Möglichkeiten „in unverantwortlicher Weise“, sagt Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH.

Ärzten, Heilpraktikern, Apothekern und Patienten sollte eine größtmögliche Vielfalt an Arzneimitteln zur Verfügung stehen. „Hierzu zählen auch homöopathische und anthroposophische Arzneimittel“, sagt Kroth – und begrüßt die Apothekenpflicht, die für einen verantwortungsvollen Umgang mit homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln sorge. „So kann auch der Apotheker den Patienten vor der Abgabe des Arzneimittels beraten, eventuelle Grenzen aufzeigen und im Zweifel Alternativen beziehungsweise einen Arztbesuch empfehlen“, betont der Geschäftsführer.

Wie steht es um die Daten?

Doch einen entscheidenden Unterschied zu den Kollegen vom BPI gibt es in der Stellungnahme des BAH: Auf das zentrale Argument Heckens, dass die Wirkung homöopathischer Präparate nicht belegt, sondern durch eine große australische Studie sogar widerlegt sei, geht der BAH nicht ein.

Keine Stellungnahme zum Thema verschickte die dritte große Pharmavereinigung, dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller

KBV unterstützt Hecken, Kassen üben sich in Zurückhaltung

Direkt am Montag positionierte sich auch Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Ich unterstütze den Vorstoß des Unparteiischen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken“, erklärt er. „Ohne nachgewiesenen Nutzen“ dürften keine Beitragsgelder ausgegeben werden, erklärt er – und verweist darauf, dass diese besser in die unterfinanzierten ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen der Regelversorgung fließen sollten.

Deutlich zurückhaltender sind einige Krankenkassen. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir die Äußerungen des Unparteiischen Vorsitzenden des G-BA nicht öffentlich bewerten“, schreibt der Pressesprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Er verweist darauf, dass gesetzliche Krankenkassen ausschließlich Therapien im gesetzlichen Umfang erstatten. „Anderenfalls wären die zuständigen Aufsichten gefragt“, erklärt der Sprecher.

Wissenschaftliche Evidenz sei eine wesentliche Grundlage der Entscheidungen des GBA, an denen der GKV-Spitzenverband maßgeblich beteiligt ist. „Hier brauchen wir im Zweifel mehr und nicht weniger“, betont der Sprecher allgemein.

Auch der AOK-Bundesverband bleibt gegenüber DAZ.online vergleichsweise gemäßigt. Verschiedene AOKs übernähmen Homöopathie-Kosten im Rahmen individuell nutzbarer Gesundheitsbudgets, schreibt ein Sprecher. „Die Diskussion um die Wirksamkeit der Homöopathie ist uns bekannt“, erklärt er. „Wir verfolgen sie aufmerksam.“ Die Techniker Krankenkasse, die schon lange Homöopathie-Kosten erstattet, war nicht für eine Stellungnahme erreichbar. 

Homöopathika seien sehr umstritten

Anders verhält sich die DAK-Gesundheit. „Im Fall der homöopathischen Arzneimittel kritisieren auch die Arzneimittelspezialisten der DAK-Gesundheit einen fehlenden Wirksamkeitsnachweis“, schreibt die Krankenkasse. Grundsätzlich verfolge sie den Standpunkt, dass nachweisbar sein muss, dass eine Behandlung zumindest Aussicht auf Erfolg hat. Die Kasse weist ihre Kunden auf der Homepage auch darauf hin, dass die Arzneimittel, die in diesem Bereich eingesetzt werden, sehr umstritten sind. Dort schreibt sie auch, dass homöopathische Mittel nicht mit Metall in Berührung kommen dürften oder starke Arzneimittel die Wirkung homöopathischer Präparate senken könne – ohne auf Nachfrage von DAZ.online Belege für diese Aussagen zu schicken.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

zwei Lager

von Thorsten Dunckel am 31.08.2016 um 9:46 Uhr

In dieser Debatte wird man niemals zu einem Ergebnis kommen, da die Lager der evidenzbasierten Hardcore-Naturwissenschaftler und die ganzheitlich arbeitenden Therapeuten völlig unterschiedliche Ansätze haben. Diese Diskussion betrifft im Übrigen nicht nur die Heilpraktiker, sondern der Graben zieht sich ebenfalls durch die Ärzteschaft.
Ich frage mich wem ein Verbot nutzen würde.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Leichtfertige Stellungnahme

von Heike Zimmermann am 31.08.2016 um 11:32 Uhr

Wie waer es denn mit dem Ergebnis, dass man dem Patienten die Wahl der Therapie, nach reichlicher Aufklaerung, selbst ueberlaesst. Am besten waere natürlich, meiner Ansicht nach, eine Betreuung durch beide Vertreter. Ich persönlich habe mich nach jahrelangen erfolglosen Therapien durch die Mediziner und heftigen Nebenwirkungen der Pharmapillen an einen Heilpraktiker der gleichzeitig noch Apotheker ist, gewandt und habe so meine Lebensqualität wieder erlangt.

Leichtfertige Stellungnahme

von Heike Zimmermann am 31.08.2016 um 9:16 Uhr

Sehr geehrter Dr Klotz, ich bezweife,dass dem BPI an Recherchearbeit gelegen ist, vielmehr hat es den Anschein Homöopathie schlecht zu reden, damit man mit der Pharmapille noch mehr Umsatz einfahren kann. Medienwirksam war das Getrommel in der Oeffentlichkeit auf jeden Fall, unter der Behandlung von Heilpraktikern verstarben Krebspatienten!Klinok geschlossen!Wenn jede deutsche Klinik geschlossen wuerde, in der Patienten versterben, da prost Mahlzeit.Aber wenn ein Patient unter den Haenden eines Arztes verstirbt, dann ist das fuer die Medien normal.Die Behandlungsart sollte man wohl dem muendigen Patienten ueberlassen

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

leichtfertige Stellungnahme

von dr.c.m.klotz am 30.08.2016 um 12:10 Uhr

Da hat der BPI sich leichtfertig aus dem Fenster gelehnt und die vorherige Recherchearbeit vergessen. Ich hoffe, dass ein paar forschende Mitglieder ihm dafür Nachhilfeunterricht erteilen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.