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E-Rezept, Gesundheits-Apps & Co.
Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt
E-Medikation soll in Österreich in den nächsten Monaten in allen Apotheken eingeführt werden. Die Bundestagsabgeordnete Katja Leikert rechnet für 2019 mit dem E-Rezept in Deutschland. Allerorts gibt es auch Widerstand und Datenschutz-Bedenken – doch könnte der Zweifel auch zum Exportschlager werden.
Die Digitalisierung kommt manchmal langsam, aber sie kommt: Bisher sind es acht Apotheken, die im Rahmen der österreichischen „Elektronischen Gesundheitsakte“ (ELGA) die E-Medikation im Probebetrieb anbieten. Die Ärzte protestieren wegen langer Ladezeiten gegen das System, das ab Herbst nach und nach in allen Apotheken des Landes ausgerollt werden soll. Es soll Patienten und den jeweiligen Ärzten und Apothekern Einblick in die Arzneimittel-Verschreibungen ermöglichen. So werden unerwünschte Wechselwirkungen und Mehrfachverordnungen vermieden und die Arzneimittelsicherheit deutlich erhöht, erklärte Ulrike Rabmer-Koller, Vorstand im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. „ELGA und E-Medikation tragen dazu bei, dass die Menschen gesünder leben können“, sagte sie.
Wann kommt das E-Rezept?
Weltweit wird das Gesundheitswesen immer digitaler. Deutschland hinkt im Vergleich zu vielen kleineren Nachbarstaaten technisch hinterher, doch Politik und Wirtschaft arbeiten daran, aufzuholen: Die CDU-Gesundheitspolitikerin Katja Leikert erklärte jedenfalls diese Woche am Rande des „Mobile Health Forums“ in Frankfurt, sie rechne trotz der bisherigen Verzögerungen bei der elektronischen Gesundheitskarte innerhalb von drei Jahren mit einer flächendeckenden Einführung des E-Rezeptes in Deutschland. Wenn die Telematik-Infrastruktur der Gematik bis Ende 2018 steht, werde es dann „relativ schnell gehen“, sagte sie DAZ.online.
Apotheker fürchten sich vor Video-Abgabestellen, Ärzte vor einem Verlust des Kontakts zum Patienten, Datenschützer vor einem Zugriff von Firmen auf sensible Gesundheitsdaten – und Apothekenrechenzentren vor dem Verlust ihres Geschäftsmodells. Rollt derzeit die Digitalisierung über das Land und vernichtet sie dabei wertvolle bestehende Systeme?
Was macht die Digitalisierung mit dem Gesundheitssystem?
Der hessische Wirtschaftsminister und Grünen-Fraktionsvorsitzender Tarek Al-Wazir ist sich sicher, dass positiv an das Thema herangegangen werden muss. „Die Digitalisierung ist keine Naturgewalt, sie ist von Menschen gemacht“, betonte er – und könne also auch von Menschen gestaltet werden. Es entstünden neue Fragen, Chancen und Herausforderungen, weshalb eine offene Diskussion ganz wichtig sei. „Am Ende muss die Digitalisierung dem Menschen – und auch der Würde des Menschen dienen“, sagte er.
Innovation und Fortschritt, den er sich für den Wirtschaftsstandort Hessen wünscht, könne nur gemeinsam gelingen und bedürfe einem Auspendeln von Interessen, sagte der Minister. „Die Menschen sind mobil, deshalb werden es Informations- und Kommunikationstechnik geben und Gesundheitstechnologie ebenso“, erklärte er. Doch wie lassen sich gute von schlechten Angeboten trennen und in die Regelversorgung überführen? Und wie kann die Telematik-Infrastruktur datenschutzkonform ausgebaut werden und die Gesundheitsvorsorge gestärkt werden? „Wir brauchen eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen“, forderte Al-Wazir.
Studie zu 100.000 Gesundheits-Apps
Während der Nutzen von Arzneimitteln sich vergleichsweise einfach feststellen ließe, sei dies bei Gesundheits-Apps anders, sagte Urs-Vito Albrecht von der Medizinischen Hochschule Hannover. Klinische Studien ließen sich kaum durchführen, da diese schnell ein paar Jahre dauern – was nicht zum Entwicklungs- und Nutzungszyklus der Apps passt. Er hat dieses Jahr im Auftrag von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mit einem Team von 25 Personen eine Studie zu dem Thema erstellt und versucht, die rund 100.000 Apps aus dem Gesundheitsbereich zu sortieren und Chancen wie Probleme zu identifizieren.
Auch Deutschland hat etwas zu bieten
Für Albrecht ist eine Aufklärung der Anwender auch über die Risiken sehr wichtig, da jede wirksame Methode auch Nebenwirkungen habe – wie sie bei schlecht programmierten Diabetes- oder Zyklus-Apps offensichtlich sind. Während sich beispielsweise in den USA kaum jemand groß um den Datenschutz kümmere, fände er die Regeln in Deutschland gut. Jetzt müssten Chancen und Herausforderungen abgewogen und der Technik eine faire Chance gegeben werden, sagte er.
Während im Nachbarland Österreich also die Gesundheitskarte ELGA in den nächsten Monaten von derzeit zwei Bundesländern aufs ganze Land ausgeweitet wird und nur 250.000 der 8,7 Millionen Einwohner von ihrem Ausstiegs-Recht Gebrauch machte, hat laut der Medizininformatikerin Britta Böckmann von der FH Dortmund auch Deutschland einiges zu bieten.
Datenschutz als Exportschlager
„Ich glaube, dass das Thema Datenschutz für Deutschland ein Exportschlager werden kann“, sagte sie auf der Tagung in Frankfurt. In den USA sollen Datendiebe allein im vergangenen Jahr Gesundheitsdaten von mehr als 100 Millionen Menschen kompromittiert haben – also knapp einem Drittel der Bevölkerung. „Der Datenschutz sollte nicht immer nur als Hindernis angesehen werden“, sagte auch die Bundestagsabgeordnete Leikert.
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