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IQWiG-Vize zu schnellen Zulassungen
EMA darf Zulassungs-Konsens nicht aufkündigen
Weder Firmen noch Behörden erfüllen ihre Aufgaben
DAZ.online: Eigentlich verpflichten sich ja die Hersteller, anhand weiterer Studien die Evidenz für beschränkt zugelassene Arzneimittel zu erweitern.
Lange: Auch bei den bedingten Zulassungen haben wir gesehen, dass es sich nur um Versprechen handelt: Was vor der ersten Zulassung nicht gemacht wird, wird auch danach nicht gemacht. Veröffentlichte Untersuchungen haben gezeigt, dass Firmen die von den Zulassungsbehörden verlangten Studien häufig nicht oder sehr spät durchführen. Aber auch wenn die Fristen überschritten wurden, kam es meines Wissens nach nie zu einem Entzug der Zulassung. Im schlimmsten Fall gibt es vielleicht eine Strafe von fünf Millionen Euro, aber das verdienen die Firmen ja schnell. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es zumeist unvernünftig, zusätzliche Studien zu machen. Denn die bergen immer das Risiko, ein schlechteres Ergebnis zu haben als die erste Studie, die zur bedingten Zulassung geführt hat.
So wird es für uns auch immer schwieriger, den Zusatznutzen zu bewerten: Wenn „Adaptive Pathways“ eingeführt wird, fehlt die Datengrundlage hierfür. Das AMNOG ist eine richtige Erfolgsgeschichte – gar nicht wegen der Einsparungen, sondern allein wegen der wertvollen Informationen, die dadurch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden.
DAZ.online: Wie sieht die Methodik zur späteren Generierung der Daten bei „Adaptive Pathways“ denn aus, die von den Befürwortern vorgeschlagen wird?
Lange: Eine Idee ist es, Daten über Register zu erheben – doch ist uns gegenwärtig weder ein funktionierendes Register bekannt, noch dass adäquate Daten, die man für die Risikoabwägung braucht, aus Registern generiert werden konnten. Man sieht aktuell ja auch, wie schwierig es ist, beispielsweise die klinischen Krebsregister umzusetzen. Im Grunde ist das ein Wolkenkuckucksheim.
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat in einem Pilotprojekt Firmen aufgefordert, Ideen vorzuschlagen zur Gewinnung und Nutzung von „Real World Data“ – aber da kam nichts, weil es vermutlich nicht geht. Offensichtlich hat die EMA selber keine Ideen. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass das Konzept nicht realisierbar ist.
DAZ.online: Aber ist es nicht sinnvoller, Arzneimittel für schwere Erkrankungen schneller als bisher zum Patienten zu bringen?
Lange: Dafür haben wir bereits Wege, aber wir haben die Sorge, dass das Adaptive-Pathways-Konzept dies als Regelfall einführen soll. Da fragt man sich, warum. Wir haben in jüngster Zeit viele erfolgreiche Zulassungen von Krebsmedikamenten, die Firmen mit durchaus überschaubaren Studien mit wenigen hundert Patientinnen und Patienten entwickelt haben. Der Aufwand ist schon deutlich geringer geworden. Warum soll man das erfolgreiche Verfahren ändern?
Es gibt also eigentlich gar keinen Grund – außer, dass zu Gunsten der Industrie die Standards aufgeweicht werden sollen. Aber ich fürchte, die EMA wird das Konzept trotzdem weiterhin verfolgen.
DAZ.online: Ist es nicht das gute Recht der Arzneimittelbehörde, neue Strategien umzusetzen?
Lange: Ich würde nicht sagen, dass das ihr gutes Recht ist. Mit dem Arzneimittelgesetz und der EU-Verordnung haben wir ja eine gesellschaftliche beziehungsweise politische Übereinkunft, dass wir bei Arzneimitteln aus guten Gründen unverhältnismäßige Risiken vermeiden wollen. Wenn man diesen Konsens aufkündigen will – und das steht genau in manchen Verlautbarungen im Zusammenhang mit dem Konzept der „Adaptive Pathways“ – braucht es meiner Meinung nach eine politische Diskussion. Das kann nicht einfach eine Behörde entscheiden.
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