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Korrupt oder nicht?
Wann sind Mietkostenzuschüsse für Ärzte zulässig?
Eine Reihe Apotheker ist bereit, etwas dafür zu tun, damit Ärzte in unmittelbarer Nähe ihre Praxis betreiben. Beispielsweise zahlen sie ihnen Mietkostenzuschüsse. Nun fragen sich viele: Ist dies nach dem neuen Korruptionsstrafrecht möglicherweise strafbar? Nicht zwangsläufig, sagt Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns.
Mehrere Leser-Anfragen zu unserer Korruptions-Serie rankten sich um die Frage der Zulässigkeit von Mietkostenzuschüssen für Ärzte. Beispielsweise berichtete ein Apotheker, dass in nächster Nachbarschaft seiner Apotheke demnächst ein Haus gebaut werden soll, in dessen Erdgeschoss eine Allgemeinarztpraxis vorgesehen ist. Der Allgemeinarzt, der diese Praxis beziehen will, sei allerdings schon 72 Jahre alt und wolle sich nicht mehr langfristig vertraglich binden. Der Bauherr hat daher vorgeschlagen, dass der Apotheker die Praxisräume als Hauptmieter anmietet und an den Arzt untervermietet. Zudem solle er die notwendige Investition in die Praxiseinrichtung von mehr als 100.000 Euro vorfinanzieren. Diese könne er über einen Aufschlag auf die Miete wieder zurück erhalten.
Ist das schon ein strafbares Darlehen? Oder lässt sich ein solches Vorhaben rechtssicher ausgestalten? Der Münchener Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns von der Kanzlei Meisterernst Rechtsanwälte antwortet:
Es ist nicht unüblich, dass Apotheker an Ärzte Praxisräumlichkeiten vermieten oder Darlehen gewähren, etwa in Form von Investitionskostenzuschüssen für Praxiseinrichtungen. Dieses Vorgehen steht dabei in einem Spannungsverhältnis zu dem Verbot, Verschreibungen und Patienten zuzuweisen. Im Hinblick auf die neuen Korruptions-Straftatbestände des § 299 a/b StGB ist damit zu rechnen, dass entsprechende Kooperationen zwischen Apothekern und Ärzten erneut verstärkt unter Beobachtung geraten werden.
Um es vorweg zu nehmen: Anders als teilweise in der Literatur kolportiert oder zum Beispiel von der Ärztekammer Niedersachsen geäußert, ist keinesfalls jede Vermietung von Praxisräumen an Ärzte beziehungsweise eine Darlehensgewährung als unzulässig oder gar strafwürdig anzusehen.
Zuweisungsverbote und Berufsrecht
Neben den strafrechtlichen Sanktionsnormen der § 299 a/b StGB sind vorliegend insbesondere § 73 Abs. 7 SGB V sowie das ärztliche und apothekerliche Berufsrecht zu berücksichtigen.
Gemäß
§ 73 Abs. 7 SGB V ist es
Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt
oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu
lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Gemäß § 32 der
Musterberufsordnung für Ärzte („MBO-Ä“: entsprechend
umgesetzt in den ärztlichen Berufsordnungen der Länder), ist es Ärzten nicht
gestattet, von anderen (unter anderem
Apothekern) Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu
fordern oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die
Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Flankierend
hierzu dürfen Apotheker mit Ärzten nach § 11 Apothekengesetz (ApoG) keine Rechtsgeschäfte
vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter
Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder
die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. All diese Vorschriften
sollen verhindern, dass Ärzte sich gegebenenfalls genötigt fühlen, die zuwendende Apotheke in
irgendeiner Art und Weise zu bevorzugen, etwa
durch eine gezielte Zuführung der Patienten an die entsprechende Apotheke.
Umgekehrt
bedeutet dies aber, dass dann, wenn eine solche finanzielle Zuwendung aus Sicht
des jeweiligen Arztes nicht vorliegt, eine entsprechende Motivations- und damit
Gefährdungssituation nicht gegeben ist. Damit kann
auch kein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht, Apothekenrecht und
selbstverständlich auch nicht gegen strafrechtliche Normen (§ 299 a/b StGB) angenommen werden. Dies bedeutet, dass die
Vermietung (so auch im geschilderten Fall der Untervermietung)
von Praxisräumen an einen Arzt regelmäßig dann als zulässig anzusehen sein
wird, wenn hier der übliche Mietzins gefordert wird. Zwar spricht hier sicherlich nichts gegen einen eher am
unteren Ende des Üblichen liegenden Mietzins; jedenfalls eine deutlich
unterhalb des ortsüblichen Mietzinses liegende
Zahlungsverpflichtung seitens des Arztes könnte hingegen als Indiz für eine
stillschweigende Absprache einer Bevorzugung des vermietenden Apothekers
gewertet werden. Hierfür genügt nach § 32 Abs. 1 MBO-Ä
bereits, wenn durch einen solchen günstigen Mietzins der Eindruck erweckt
wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.
Was die Gewährung von Darlehen (Investitionskostenzuschüsse, wie im vorliegenden Fall das Abzahlen der Vorfinanzierung einer Praxiseinrichtung) angeht, so wäre diese vor diesem Hintergrund (nur, aber eben auch) dann rechtlich vertretbar, wenn das Darlehen zu marktüblichen – gegebenenfalls am unteren Ende liegenden – Darlehenskonditionen angeboten wird. Im konkreten Fall würde dies bedeuten, dass der angedachte Gesamtmietzins (also tatsächlicher Mietzins und „Aufschlag“ für die Vorfinanzierung der Investitionskosten) in Kumulation dem ortsüblichen Mietzins sowie den marktüblichen Darlehenskonditionen entsprechen müsste.
Unrechtsvereinbarung erfordert mehr als rein praktische Nähe
Zwar wäre im Hinblick auf die Frage einer etwaigen Strafbarkeit nach § 299 a/b StGB (also nicht bloß eines Verstoßes gegen Apothekenrecht bzw. ärztliches Berufsrecht) theoretisch auch die Vermietung zu günstigeren als den ortsüblichen Konditionen sowie eine Darlehensgewährung zu besseren als den marktüblichen Konditionen nicht ohne weiteres strafbar. Denn nach der Gesetzesbegründung sind rein einseitige Zuwendungen grundsätzlich nicht strafbar – selbst dann, wenn sie über das nach dem ärztlichen oder apothekerlichen Berufsrecht Erlaubte hinausgehen. Hinzukommen muss nämlich als zentrales Element für den Strafbarkeitsvorwurf nach § 299 a/b StGB noch die sogenannte Unrechtsvereinbarung. Für eine Strafbarkeit müsste die Vermietung der Praxisräume zu besonders günstigen Konditionen beziehungsweise die Gewährung eines besonders günstigen Darlehens an den Arzt also gerade deshalb erfolgen, damit dieser im Gegenzug den vermietenden Apotheker bevorzugt, indem er beispielsweise seine Patienten an diesen verweist.
Dabei genügt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom 23. Februar 2010 (Az. Ws 17/10) indes nicht alleine der Vorteil, der durch die Nähe einer vermieteten Arztpraxis zu einer Apotheke entsteht. Dieser Vorteil allein stellt nach dem OLG Braunschweig keine Unrechtsvereinbarung dar. Denn die mit der Ansiedlung einer Arztpraxis einhergehenden Vorteile für den Apotheker durch erhöhten Umsatz rezeptpflichtiger Arzneimittel beruhen auf dem Standortvorteil und der Entscheidung der Patienten, in gerade dieser Apotheke ihr Rezept einzulösen. Dass ein Apotheker Interesse daran hat, in seiner Nähe möglichst viele Arztpraxen unterzubringen, erschließt sich – so das Gericht – von selbst. Um das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung zu bejahen, müssten vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ärzte als Gegenleistung für monatliche Zuschüsse und die Übernahme der Umbauten in den Praxisräumen gezielt auf ihre Patienten eingewirkt haben oder einwirken, ihre Rezepte in der Apotheke des vermietenden Apothekers einzulösen. Vorausgesetzt, dass eine solche Unrechtsvereinbarung nicht vorliegt, kommt eine Strafbarkeit demnach selbst bei Einräumung von im Vergleich zum Marktüblichen besseren Konditionen nicht in Betracht.
Da jedoch davon auszugehen ist, dass sich sowohl die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden als auch gegebenenfalls die berufsrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Kenntnis einer vergünstigten Vermietung von Praxisräumen oder Darlehensgewährung die Kooperation näher ansehen werden, empfiehlt es sich also, sich bei der Vermietung von Praxisräumen sowie bei der Gewährung von Darlehen im marktüblichen Bereich zu bewegen. Auch ist es sicher ratsam, entsprechende Verträge vor Abschluss anwaltlich überprüfen zu lassen.
2 Kommentare
immer korrupt
von Karl Friedrich Müller am 06.09.2016 um 8:51 Uhr
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AW: Immer korrupt
von Christian Lindinger am 06.09.2016 um 16:31 Uhr
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