Korrupt oder nicht?

Wann sind Mietkostenzuschüsse für Ärzte zulässig?

Berlin - 05.09.2016, 17:45 Uhr

Ärzte in der Nähe wünscht sich jede Apotheke. Doch darf sie dies durch Mietkostenzuschüsse fördern? (Foto: Cherries / Fotolia)

Ärzte in der Nähe wünscht sich jede Apotheke. Doch darf sie dies durch Mietkostenzuschüsse fördern? (Foto: Cherries / Fotolia)


Eine Reihe Apotheker ist bereit, etwas dafür zu tun, damit Ärzte in unmittelbarer Nähe ihre Praxis betreiben. Beispielsweise zahlen sie ihnen Mietkostenzuschüsse. Nun fragen sich viele: Ist dies nach dem neuen Korruptionsstrafrecht möglicherweise strafbar? Nicht zwangsläufig, sagt Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns.

Mehrere Leser-Anfragen zu unserer Korruptions-Serie rankten sich um die Frage der Zulässigkeit von Mietkostenzuschüssen für Ärzte. Beispielsweise berichtete ein Apotheker, dass in nächster Nachbarschaft seiner Apotheke demnächst ein Haus gebaut werden soll, in dessen Erdgeschoss eine Allgemeinarztpraxis vorgesehen ist. Der Allgemeinarzt, der diese Praxis beziehen will, sei allerdings schon 72 Jahre alt und wolle sich nicht mehr langfristig vertraglich binden. Der Bauherr hat daher vorgeschlagen, dass der Apotheker die Praxisräume als Hauptmieter anmietet und an den Arzt untervermietet. Zudem solle er die notwendige Investition in die Praxiseinrichtung von mehr als 100.000 Euro vorfinanzieren. Diese könne er über einen Aufschlag auf die Miete wieder zurück erhalten.

Ist das schon ein strafbares Darlehen? Oder lässt sich ein solches Vorhaben rechtssicher ausgestalten? Der Münchener Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns von der Kanzlei Meisterernst Rechtsanwälte antwortet:  

Es ist nicht unüblich, dass Apotheker an Ärzte Praxisräumlichkeiten vermieten oder Darlehen gewähren, etwa in Form von Investitionskostenzuschüssen für Praxiseinrichtungen. Dieses Vorgehen steht dabei in einem Spannungsverhältnis zu dem Verbot, Verschreibungen und Patienten zuzuweisen. Im Hinblick auf die neuen Korruptions-Straftatbestände des § 299 a/b StGB ist damit zu rechnen, dass entsprechende Kooperationen zwischen Apothekern und Ärzten erneut verstärkt unter Beobachtung geraten werden.

Um es vorweg zu nehmen: Anders als teilweise in der Literatur kolportiert oder zum Beispiel von der Ärztekammer Niedersachsen geäußert, ist keinesfalls jede Vermietung von Praxisräumen an Ärzte beziehungsweise eine Darlehensgewährung als unzulässig oder gar strafwürdig anzusehen.

Zuweisungsverbote und Berufsrecht

Neben den strafrechtlichen Sanktionsnormen der § 299 a/b StGB sind vorliegend insbesondere § 73 Abs. 7 SGB V sowie das ärztliche und apothekerliche Berufsrecht zu berücksichtigen.

Gemäß § 73 Abs. 7 SGB V ist es Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Gemäß § 32 der Musterberufsordnung für Ärzte („MBO-Ä“: entsprechend umgesetzt in den ärztlichen Berufsordnungen der Länder), ist es Ärzten nicht gestattet, von anderen (unter anderem  Apothekern) Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Flankierend hierzu dürfen Apotheker mit Ärzten nach § 11 Apothekengesetz (ApoG) keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. All diese Vorschriften sollen verhindern, dass Ärzte sich gegebenenfalls  genötigt fühlen, die zuwendende Apotheke in irgendeiner Art und Weise zu bevorzugen, etwa durch eine gezielte Zuführung der Patienten an die entsprechende Apotheke. 

Umgekehrt bedeutet dies aber, dass dann, wenn eine solche finanzielle Zuwendung aus Sicht des jeweiligen Arztes nicht vorliegt, eine entsprechende Motivations- und damit Gefährdungssituation nicht gegeben ist. Damit kann auch kein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht, Apothekenrecht und selbstverständlich auch nicht gegen strafrechtliche Normen (§ 299 a/b StGB) angenommen werden. Dies bedeutet, dass die Vermietung (so auch im geschilderten Fall der Untervermietung) von Praxisräumen an einen Arzt regelmäßig dann als zulässig anzusehen sein wird, wenn hier der übliche Mietzins gefordert wird. Zwar spricht hier sicherlich nichts gegen einen eher am unteren Ende des Üblichen liegenden Mietzins; jedenfalls eine deutlich unterhalb des ortsüblichen Mietzinses liegende Zahlungsverpflichtung seitens des Arztes könnte hingegen als Indiz für eine stillschweigende Absprache einer Bevorzugung des vermietenden Apothekers gewertet werden. Hierfür genügt nach § 32 Abs. 1 MBO-Ä bereits, wenn durch einen solchen günstigen Mietzins der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.  

Was die Gewährung von Darlehen (Investitionskostenzuschüsse, wie im vorliegenden Fall das Abzahlen der Vorfinanzierung einer Praxiseinrichtung) angeht, so wäre diese vor diesem Hintergrund (nur, aber eben auch) dann rechtlich vertretbar, wenn das Darlehen zu marktüblichen – gegebenenfalls am unteren Ende liegenden – Darlehenskonditionen angeboten wird. Im konkreten Fall würde dies bedeuten, dass der angedachte Gesamtmietzins (also tatsächlicher Mietzins und „Aufschlag“ für die Vorfinanzierung der Investitionskosten) in Kumulation dem ortsüblichen Mietzins sowie den marktüblichen Darlehenskonditionen entsprechen müsste.

Unrechtsvereinbarung erfordert mehr als rein praktische Nähe

Zwar wäre im Hinblick auf die Frage einer etwaigen Strafbarkeit nach § 299 a/b StGB (also nicht bloß eines Verstoßes gegen Apothekenrecht bzw. ärztliches Berufsrecht) theoretisch auch die Vermietung zu günstigeren als den ortsüblichen Konditionen sowie eine Darlehensgewährung zu besseren als den marktüblichen Konditionen nicht ohne weiteres strafbar. Denn nach der Gesetzesbegründung sind rein einseitige Zuwendungen grundsätzlich nicht strafbar – selbst dann, wenn sie über das nach dem ärztlichen oder apothekerlichen Berufsrecht Erlaubte hinausgehen. Hinzukommen muss nämlich als zentrales Element für den Strafbarkeitsvorwurf nach § 299 a/b StGB noch die sogenannte Unrechtsvereinbarung. Für eine Strafbarkeit müsste die Vermietung der Praxisräume zu besonders günstigen Konditionen beziehungsweise die Gewährung eines besonders günstigen Darlehens an den Arzt also gerade deshalb erfolgen, damit dieser im Gegenzug den vermietenden Apotheker bevorzugt, indem er beispielsweise seine Patienten an diesen verweist.

Dabei genügt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom 23. Februar 2010 (Az. Ws 17/10) indes nicht alleine der Vorteil, der durch die Nähe einer vermieteten Arztpraxis zu einer Apotheke entsteht. Dieser Vorteil allein stellt nach dem OLG Braunschweig keine Unrechtsvereinbarung dar. Denn die mit der Ansiedlung einer Arztpraxis einhergehenden Vorteile für den Apotheker durch erhöhten Umsatz rezeptpflichtiger Arzneimittel beruhen auf dem Standortvorteil und der Entscheidung der Patienten, in gerade dieser Apotheke ihr Rezept einzulösen. Dass ein Apotheker Interesse daran hat, in seiner Nähe möglichst viele Arztpraxen unterzubringen, erschließt sich – so das Gericht – von selbst. Um das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung zu bejahen, müssten vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ärzte als Gegenleistung für monatliche Zuschüsse und die Übernahme der Umbauten in den Praxisräumen gezielt auf ihre Patienten eingewirkt haben oder einwirken, ihre Rezepte in der Apotheke des vermietenden Apothekers einzulösen. Vorausgesetzt, dass eine solche Unrechtsvereinbarung nicht vorliegt, kommt eine Strafbarkeit demnach selbst bei Einräumung von im Vergleich zum Marktüblichen besseren Konditionen nicht in Betracht. 

Da jedoch davon auszugehen ist, dass sich sowohl die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden als auch gegebenenfalls die berufsrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Kenntnis einer vergünstigten Vermietung von Praxisräumen oder Darlehensgewährung die Kooperation näher ansehen werden, empfiehlt es sich also, sich bei der Vermietung von Praxisräumen sowie bei der Gewährung von Darlehen im marktüblichen Bereich zu bewegen. Auch ist es sicher ratsam, entsprechende Verträge vor Abschluss anwaltlich überprüfen zu lassen.



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2 Kommentare

immer korrupt

von Karl Friedrich Müller am 06.09.2016 um 8:51 Uhr

Der Arzt hat seinen eigenen Betrieb und hat die Kosten dafür selbst zu tragen.
Ein Mietkostenzuschuss ist obskur und für mich immer korrupt.
Schon der Gedanke dahinter, dass die Apotheke von der Arbeit des Arztes schmarotzt und der Gewinn der Apotheke eigentlich dem Arzt zu stünde macht eine konsequente Trennung notwendig.
Ich zahle sonst auch niemandem einen "Zuschuss". Warum auch?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Immer korrupt

von Christian Lindinger am 06.09.2016 um 16:31 Uhr

Sehr geehrter Herr Müller,
um Ihren Kommentar besser einordenen zu können, würde mich Ihr erlernter Beruf sehr interessieren, denn auch wenn einem/ einer ApothekerIn so manches aus Mangel an Wissen um die Leistung der ApothekerInnen virgeworfen wurde bzw. wird, so ist mir das "Schmarotzen" doch neu.
Und: es ist sehr selten zu spät, die Berufswahl zu überdenken und zu ändern!

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