AMG-Novelle erst im November

DrEd-Verbot ja, Demenzforschungsfrage weiter ungeklärt

Berlin - 28.09.2016, 15:00 Uhr

Schwierige Fragen: Inwieweit dürfen nicht-einwilligungsfähige Menschen bei Forschungsprojekten einbezogen werden? (Foto: Sherry Young / Fotolia)

Schwierige Fragen: Inwieweit dürfen nicht-einwilligungsfähige Menschen bei Forschungsprojekten einbezogen werden? (Foto: Sherry Young / Fotolia)


Am Mittwoch verabschiedete der Gesundheitsausschuss des Bundestags das DrEd-Verbot und andere Änderungen im Arzneimittelgesetz. Doch aufgrund der Diskussion um Forschung an Demenzkranken wird das Parlament die umstrittene Gesetzesänderung frühestens im November beschließen: Zuvor sollen Experten befragt werden.

Mit dem Vierten AMG-Änderungsgesetz will die Bundesregierung Vorgaben der neuen EU-Richtlinie für klinische Studien umsetzen. Daneben nutzt die Große Koalition die Überarbeitung des Arzneimittelgesetzes (AMG), um das für Apotheker relevante Fernverschreibungsverbot zu verankern: Die Gesundheitspolitiker von Union und SPD wollen das Geschäftsmodell von DrEd in Deutschland verbieten.

Am Mittwoch beschloss der Gesundheitsausschuss des Bundestags die AMG-Änderung, doch das Parlament wird sich so bald noch nicht mit dem Thema beschäftigen. Denn für große Schlagzeilen und lange Diskussionen hat ein anderer, überraschend eingeführter Passus gesorgt, der nun im Oktober neu beraten werden soll. Anders als im Referentenentwurf sah der Gesetzesentwurf der Koalition plötzlich und ohne inhaltliche Begründung vor, dass zukünftig in manchen Fällen Studien an Patienten möglich sein sollen, die selber nicht einwilligen können – und persönlich nicht von der Forschung profitieren. Von vielen Politikern, Patientenschützern wie auch Ethikern und Theologen wurde dies als Tabubruch kritisiert, auch wenn die Patienten vorab einwilligen müssen, dass sie beispielsweise bei späterer Demenz bereit sind, an späteren Studien teilzunehmen.

Etablierte Grundsätze werden verletzt

Offenbar wollten insbesondere die Häuser von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka zukünftig Studien erlauben, deren Verbot noch vor drei Jahren Konsens im Bundestag war. Dabei ist sogar unklar, inwieweit es Bedarf für derartige Forschung gibt: Laut dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) können Studien so gestaltet werden, dass es jeweils einen Nutzen für die Probanden gibt. Aus Sicht des Theologen Andreas Lob-Hüdepohl, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist, widersprechen die Pläne „etablierten ethischen Grundsätzen für die Forschung an Menschen überhaupt“, weshalb sie abzulehnen seien. Für den Staatsrechtler Christian Pestalozza von der FU Berlin widersprechen die Pläne sogar der EU-Regulierung, da diese nur ein Verbot erlaubt – aber keine Zwischenlösungen zulässt, wie die Bundesregierung sie plant.

Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche kann das Vorgehen der Bundesregierung nicht verstehen. „Ich halte das ganze parlamentarische Verfahren für unglaublich“, sagte sie gegenüber DAZ.online. „Die Einführung der fremdnützigen Forschung ist eine zentrale Änderung, die plötzlich, mit dem Kabinettsentwurf eingeführt wurde.“ Eine einstündige Ausschussanhörung des gesamten Gesetzes im Gesundheitsausschuss habe nicht die Gelegenheit gegeben, diesen Punkt – neben den vielen weiteren kritischen Aspekten – ausreichend zu diskutieren. „Dies ist ein Beispiel, wo es keine ausreichende Beratung im Bundestag gab.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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