Zentralbibliothek Medizin

Linke protestiert gegen Abwicklung der ZB MED

Stuttgart - 29.09.2016, 17:15 Uhr

Bald nur noch leere Regale? Die ZB MED steht vor einer unsicheren Zukunft. (Foto: ZB MED)

Bald nur noch leere Regale? Die ZB MED steht vor einer unsicheren Zukunft. (Foto: ZB MED)


Für den Vorsitzenden der Arzneimittelkommission ist es eine „Katastrophe“ für Forschung und Patientenversorgung: Die Zentralbibliothek Medizin soll abgewickelt und Literaturdatenbanken des DIMDI aufgegeben werden. Oppositionspolitiker protestieren bei der Bundesregierung gegen die Einschnitte.

Der größten medizinischen Fachbibliothek Deutschlands soll in den nächsten Jahren der Geldhahn zugedreht werden: Im Juni entschied die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, bei der Bundesvertreter entscheidend mitzusprechen haben, die Bund-Länder-Förderung im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft für die Zentralbibliothek Medizin (ZB MED) einzustellen. Bis 2019 ist eine Auslauffinanzierung vorgesehen. Zwar versprach des Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Mai, zusammen mit dem Wissenschaftsministerium Nordrhein-Westfalens die Einrichtung zu erhalten, doch ist noch völlig unklar, in welcher Form dies geschehen soll.

Für den Wissenschaftspolitiker Ralph Lenkert (Linke) wird damit die Basis der medizinischen Forschung zerstört „Ich bin fassungslos, dass die Bundesregierung sich keine Gedanken dazu macht, wie die weltgrößte medizin- und lebenswissenschaftliche Bibliothek ZB MED in Köln dauerhaft gesichert oder wenigstens die Bestände erhalten werden sollen“, erklärte er in einer Stellungnahme.

Müssen Bibliotheken forschen?

Kritisiert wurde von Gutachtern, dass der ZB MED der Wandel zu einem modernen Fachinformationszentrum nicht ausreichend gelang – und sie zu wenig Forschung leiste. „Ich halte nicht viel von der seltsamen Philosophie, dass eine Bibliothek durchbrechende Forschungsleistungen bringen muss“, betonte Lenkert. Sie müsse vor allem die Basis der wissenschaftlichen Infrastruktur bilden, „durch Bereitstellung qualitativ hochwertiger, vielfältiger und umfangreicher Fachliteratur“.

Auch der Wunsch der Bundesregierung, dass die ZB MED zukünftig wieder in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden könnte, überzeugt den Bundestagsabgeordneten nicht. „Hoffen und harren hält viele zu Narren“, erklärt er. „Die Bundesregierung soll nicht hoffen, sondern alles dafür tun, dass die ZB MED erhalten werden kann“, betont er. Keine andere Bibliothek in Deutschland habe einen vergleichbaren Bestand an Fachzeitschriften. „In Zukunft müssen Forschende, Studierende, Ärzte und ApothekerInnen wohl in den USA für teures Geld ihre Fachliteratur per Fernleihe besorgen“, befürchtet Lenkert besorgt. „Das ist nicht akzeptabel und schadet dem Forschungsstandort Deutschland.“

Harte Einschnitte auch beim DIMDI

Brisant ist, dass parallel auch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) seine Literaturversorgung fast vollständig einstellen will. Dies war von Forschern vehement kritisiert worden, da die Angebote sowohl von den Kosten als auch den Recherchemöglichkeiten in Deutschland einmalig seien. Das BMG unterstützt die Sparpläne des untergeordneten Instituts. „Das DIMDI nimmt lediglich die letzten Literaturdatenbanken aus seinem Angebot, die auch über andere Anbieter verfügbar sind“, erklärte ein Sprecher gegenüber DAZ.online – andere Angebote blieben erhalten. „Eine Verschlechterung ergibt sich demnach nicht“, betonte er. Über die zukünftige Preisgestaltung lägen dem BMG keine Informationen vor, sagte der Sprecher.

Neben akademischen Forschern kann beispielsweise auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) die Entscheidungen der Bundesregierung nicht nachvollziehen. Der Verband hatte sich vehement für den Erhalt der Datenbanken eingesetzt – andere Angebote seien „keine Alternative“, wie der Geschäftsführer Wissenschaft des BAH, Elmar Kroth, gegenüber DAZ.online betonte.  


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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