Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

02.10.2016, 08:00 Uhr

Auf den 19. Oktober 2016 sollten wir ganz genau schauen! (Foto: Andi Dalferth)

Auf den 19. Oktober 2016 sollten wir ganz genau schauen! (Foto: Andi Dalferth)


Jetzt geht’s los! Der Medikationsplan steht vor der Tür. Aber ARMIN ist schon drin! Und der Apotheker dabei. Hauptsache, wir ergänzen Vorname und Telefonnummer des Arztes – das dürfen wir jetzt, das haben wir doch gelernt! Niedlich, oder? Lasst uns lieber den Blick vom Rezept heben und auf den 19. Oktober schauen – das könnte die Apokalypse bringen.

26. September 2016

Der Zytostreit zwischen AOK und Apothekern wird immer irrer, eine Einigung immer unwahrscheinlicher. Selbst das fast schon unmoralische Angebot des Apothekerverbands an die Kassen, dass Zyto-Apotheker auf 150 Mio. Euro Honorar verzichten, wenn die Kassen auf die Ausschreibungen verzichten, ist dem GKV-Spitzenverband zu wenig. Er will mehr, viel mehr. Aber da zieht der Apothekerverband nicht mit. Und das interpretiert AOK-Boss Litsch dahingehend, dass die Apotheken das Angebot gar nicht ernst gemeint hätten. Ganz schön crazy, oder? Mittlerweile hat das Problem der Zyto-Ausschreibungen sogar den Bundestag erreicht, endlich! Der Gesundheitsausschuss plant zu diesem Thema Mitte Oktober eine Expertenanhörung. Die Parlamentarier wollen sich zur Versorgungslage einen Überblick verschaffen. Und dann könnte das sogar gesetzgeberisch Folgen haben. Die Apotheker dürften da gute Karten haben. 

 

Bei Zyto-Ausschreibungen zeigt er wenig Einsicht, der AOK-Bundesverband, aber bei den steigenden Arzneimittelpreisen sieht er es klar vor Augen, dass die Steigerungen nicht dadurch kompensiert werden können, indem man die 3-Prozent-Marge der Apotheker deckeln würde. Immerhin. Auch wenn der AOK-Chef Litsch es „komisch“ findet, dass der Apotheker bei teureren Arzneimitteln mehr Geld bekommt: „Die Abgabe eines teuren Arzneimittels ist ja nicht aufwendiger, weil die Packung eines so teuren Präparates etwa besonders schwer ist“, meint der AOK-Boss. Tja, Herr Litsch, nicht schwerer, aber vielleicht genau deshalb, weil sie teurer ist – mit allen Risiken und Schwierigkeiten der Finanzierung. Immerhin, die AOK weiß auf jeden Fall, dass das Problem der hohen Arzneimittelpreise woanders liegt und nicht mit der Apothekenmarge gelöst werden kann. Mein liebes Tagebuch, genauso ist es.

27. September 2016

Apotheken dürfen einen fehlenden Vornamen eines Arztes und seine Telefonnummer auf dem Rezept ergänzen, sofern sie diese Angaben zweifelsfrei kennen. Ohne Wenn und Aber. Das wird mit der neuen Arzneimittelverschreibungsverordnung festgelegt, die Anfang Oktober in Kraft treten wird. Oh, welche Errungenschaft! Wir Apotheker sind dafür devot und dankbar. Im Ernst, mein liebes Tagebuch, eigentlich ist das alles eine Farce. Und es führt uns wieder einmal unsere Stellung in der Hierarchie des Gesundheitswesens vor Augen. Man muss sich das Gerangel um Arztvornamen und -telefonnummer mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen (oder lieber doch nicht, sonst wird man depressiv oder verrückt). Bisher: Da vergisst ein schludriger Arzt warum auch immer, seinen Vornamen aufs Rezept zu schreiben, in der Apotheke wird das übersehen – und schon wäre die Apotheke dafür abgestraft worden: Retax auf Null durch die Krankenkasse. Nach zähen Verhandlungen mit den Krankenkassen, einer Änderung des Rahmenvertrags zwischen Krankenkassenverband und Apothekerverband und nun sogar durch eine gesetzgeberische Initiative ist endlich klipp und klar festgelegt, dass der Apotheker eigenverantwortlich (!) Vornamen der verschreibenden Person und Praxis-Telefonnummer – so sie ihm zweifelsfrei bekannt sind – ergänzen darf, wenn sie auf der Verordnung fehlen. Puh, welch Kompetenz uns da zugesprochen wird! Schier unglaublich. Mein liebes Tagebuch, mal ohne Zynismus: Es stimmt mich traurig, welcher Stellenwert unseres Berufs sich daraus ableiten lässt.

28. September 2016

Deutsche Apothekerfamilie mit Versandapo in Holland will an die Börse. Mindestens 100 Mio. Euro will die Shop-Apotheke einsammeln, um zu expandieren, um Marktführer zu werden und in die schwarzen Zahlen zu kommen. Mein liebes Tagebuch, es reicht nicht, dass uns hierzulande Politik und Krankenkassen kurz und klein halten; ein Wettbewerb, der mit anderen Vorzeichen geführt wird, schwappt zusätzlich noch aus den deutsch-niederländischen Gefilden zu uns herein. Da kommt keine Freude auf. Andererseits, wir haben schon so manche Versandapo kommen und gehen gesehen.

 

Die Fachärzte, die Freunde der Apotheker? Jedenfalls, wenn es um den Medikationsplan geht. Die Fachärzte haben erkannt, dass ein Medikationsplan ohne die pharmazeutische Kompetenz nicht funktioniert. Woher diese späte Einsicht? Mein liebes Tagebuch, da lässt sich nur spekulieren. Klar, aus Vernunft, das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, dass die Apotheker dabei sein müssen, wenn es um Arzneimittel geht. Und dann macht so ein Plan natürlich auch Arbeit, als Facharzt hat man wenig Zeit. Aber vielleicht sind die Fachärzte auch ein bisschen verschnupft, denn auch sie dürfen, wie die Apotheker, den Plan in der Regel nicht als erste ausstellen, sondern ihn nur aktualisieren. Schade, dass sich Fachärzte und Apotheker nicht eher zusammengetan haben, vielleicht hätte gemeinsamer Druck von dieser Seite etwas bewirkt.

29. September 2016

Der 19. Oktober 2016 rückt näher, der Tag, an dem der EuGH darüber entscheidet,  ob sich ausländische Versandapotheken an die deutsche Arzneimittelpreisbindung halten müssen. Offiziell  legt keiner, schon gar nicht die ABDA, eine Strategie vor, was wäre, wenn die Preisbindung fiele. Aber spekuliert wird schon kräftig, auch auf Seiten von Juristen. Elmar Mand beispielsweise, einer der Gesundheitsrechtsexperten, geht davon aus, dass für deutsche Apotheken alles beim Alten bliebe, wenn das Gericht den ausländischen Versand-Apos erlaubte, Preisnachlässe auf Rx zu geben. Würden deutsche Apotheken daraufhin dies auch tun, gäbe es halt Abmahnungen, prognostiziert Mand. Mein liebes Tagebuch, da kennt er so manche deutsche Apotheker nicht! Genau darauf würden es einige  doch anlegen – um dann zu klagen, mit der guten Aussicht, alles zu Fall zu bringen, vor allem den einheitlichen Rx-Preis. Das schätzt auch Anwalt Douglas Morton ähnlich ein und er sieht sogar weiterreichende Konsequenzen als wenn das Fremd- und Mehrbesitzverbot fallen würde. Wie auch immer, mein liebes Tagebuch, am 19. Oktober entscheidet sich letztlich, welche Richtung die Pharmazie, der Apothekerberuf in Deutschland einnimmt, mehr Kaufmann oder mehr Heilberuf. Was wäre dann das Perspektivpapier 2030 noch wert?

 

Klingt gut, die Kooperation zwischen der Privatversicherung AXA, der Deutschen Beamtenversicherung und dem Deutschen Apothekerverband: Die Versicherten dieser Privaten Krankenkassen können sich ab 1. Oktober in Apotheken kostenfrei zu ihrer Arzneimitteltherapie beraten und einen Medikamentencheck durchführen lassen, wenn sie fünf oder mehr Arzneimittel einnehmen müssen. Die Krankenversicherung zahlt den Apotheken dafür 30 Euro. Kleine Hürden: Die Versicherten müssen zunächst einmal wissen, dass sie sich beraten lassen können und dann bei der AXA einen Beratungsgutschein anfordern, den sie in der Apotheke einlösen, die ihn dann wiederum bei der AXA zur Abrechnung einreicht. Aber dennoch, mein liebes Tagebuch, es ist immer wieder ein Lichtblick, wenn eine Kasse das Beratungspotenzial der Apotheker erkennt und honoriert. Warum sind nicht noch mehr Kassen ein bisschen Axa?

30. September 2016

Derzeit sieht alles danach aus, dass das Fernverschreibungsverbot kommt. Also, Rezepte von Internetpraxen wie DrEd in England könnten dann nicht mehr in deutschen Apotheken eingelöst werden. DrEd weiß da schon Rat: Die Praxis wird die Rezepte einfach an nichtdeutsche Versandapotheken schicken, die dann die deutschen Patienten beliefern. So geht Web 4.0. Mein liebes Tagebuch, klingt nicht gut. Man muss sich auch fragen, ob sich das Fernbehandlungsverbot vor dem Hintergrund von E-Health halten lässt. Grüne und SPD wollen Ferndiagnosen in Ausnahmefällen erlauben. Irgendwie ist das alles mit Blick in die Zukunft noch nicht ausgereift.

1. Oktober 2016

Ab heute gibt’s den Medikationsplan – Ärzte können sich kaum noch vor den zahllosen Anfragen ihrer Patienten retten. Und die Apotheker schreiben sich die Finger wund beim Nachtragen der OTCs. War ein Witz, mein liebes Tagebuch. Ich bin gespannt, wann die erste Apotheke in Deutschland den ersten Medikationsplan vorgelegt bekommt. Meine Prognose: Gröhes Papierplan wird nicht der Renner – und bringt den meisten Patienten nichts. Zum einen: Die Ärzte werden sich trotz Honorarzahlung nicht darum reißen, den Plan auszufüllen. Außerdem: Ärzte und Krankenkassen haben noch still und leise nachverhandelt, dass ein Plan erst fällig wird, wenn es sich bei den drei verordneten Arzneimitteln um systemisch wirkende Medikamente handelt, die dauerhaft für mindestens 28 Tage angewendet werden müssen. Du meine Güte, das ist nicht der Sound von Lust auf Medikationsplan. Außerdem: Er ist auf Papier, vermutlich nie vollständig und umfassend – und wenn ich mir mal das Dokument mit seinen Abkürzungen wie ml, mg, I.E. und Tabl so anschaue und dann Oma Federsen oder Opa Schäufele sehe, wie sie ratlos auf das Papier gucken, dann frage ich mich ernsthaft, ob sie damit klarkommen und ob der Plan wirklich eine Hilfe für sie ist. Wohl kaum.

Wenn Gröhe seinen Medikationsplan als „großen Schritt nach vorn“ und „wichtigen Schritt zur Sicherheit bei der Einnahme von Arzneimitteln“ bezeichnet, dann, mein liebes Tagebuch, schaue ich mit größerer Freude auf ARMIN, die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, die im Vergleich zum Gröheschen Plan nicht nur ein Schritt nach vorne ist, sondern ein Riesensprung! ARMIN hat das, was dem Patienten wirklich hilft: den Austausch zwischen Arzt und Apotheker, die elektronische Vernetzung über ein sicheres Netz, die Einbindung des Apothekers mit pharmazeutischer AMTS-Prüfung, einen elektronischen Medikationsplan und, ja, ein Honorar für Arzt und Apotheker. Man sollte ARMIN auf Deutschland ausrollen. Punkt. 


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

ARMIN – da war doch was…

von Gunnar Müller, Detmold am 02.10.2016 um 14:09 Uhr

Wie viele Medikationsanalysen wurden eigentlich bereits von wie vielen Ärzten und wie vielen Apotheken für wie viele Patienten erstellt? Seit Beginn von ARMIN am 01.04.2014? Seit Beginn des Medikationsmanagements am 01.07. (Oder doch: 01.09. ??) 2016?
Wie viele von den 1500 teilnehmenden Ärzten und Apotheken sind eigentlich Apotheken?
Gibt es bereits erste Ergebnisse?
Die Mitteilungen auf der ABDA-homepage sind allenfalls 'rudimentär'. Da findet man ja bei Pharmatechnik mehr…

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Karten?

von Uwe Hansmann am 02.10.2016 um 10:29 Uhr

Asse haben die Apothekers in den vergangenen 15 Jahren keine mehr gehabt. Wir buttern - um im Skstdeutsch zu bleiben - immer nur zu!

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"Die Apotheker dürften da gute Karten haben." ?

von Bernd Jas am 02.10.2016 um 9:56 Uhr

Lieber Herr Ditzel,

die Karten sind aus der Hand gegeben, zumindest was die Asse, Damen, Könige und Buben betrifft, von Jokern ganz zu schweigen.
Eine rote Pik 4; mehr ist nicht mehr drin, denn alles andere wurde dummerweise verraten (und verkauft).

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Apothekertag 2016

von Ulrich Ströh am 02.10.2016 um 9:01 Uhr

Abgetaucht auf Sehrohrtiefe....

Hoffentlich trifft diese Formulierung nicht auf unsere
Delegierten des kommenden Apothekertages zu.

Sonst steht der Vorwurf von Gremientourismus im Raum.

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Apothekertag

von Frank ebert am 02.10.2016 um 8:38 Uhr

....und die Lemmerlinge werden wieder Gröhe und Schmidt zujubeln und beklatschen. ---Unbegreiflich-- Und schwups, am 19. Oktober ist dann der Anfang von Aus die Maus. Danke EU.

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AW: Wenn auch die Basis nicht auf dem Podium Platz nehmen darf.....

von Gunnar Müller, Detmold am 02.10.2016 um 16:18 Uhr

...... und mitdiskutieren darf, so soll sie doch wenigstens nicht mit ihrer Meinung hinterm Berg halten müssen.
Rote aber auch grüne Daumen gibt's ab sofort in PHARMEDIA bei dr.c.m.klotz@t-online.de

AW: Und.....

von Gunnar Müller, Dermold am 03.10.2016 um 9:05 Uhr

Jede/r Anwesende kann sich übrigens - allerdings nur während der anschließenden HV und dann auch nur zur Sache - äußern. Seit häufigeren Wortmeldungen von nicht-Delegierten 2012 gibt die ABDA jetzt während der HV Nummernkärtchen aus nach unbürokratischer Anmeldung zuvor.
Sehen und hören wir uns also in München ...?

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