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Zellbiologe ausgezeichnet
Nobelpreis für japanischen Forscher Yoshinori Ohsumi
Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den Japaner Yoshinori Ohsumi für die Entdeckung eines Prozesses, der bei der Zersetzung von Zellbestandteilen eine große Rolle spielt. Der Berliner Biochemiker Volker Haucke sieht den Preis als „hochverdient“ an, da er für die Biomedizin eine enorme Bedeutung habe.
Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an den Japaner Yoshinori Ohsumi für die Entdeckung des Autophagie-Mechanismus. Dieser spielt bei der Zersetzung von Zellbestandteilen eine Rolle. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist mit umgerechnet 830.000 Euro dotiert.
Ohsumi, geboren 1945, „entdeckte und erforschte Mechanismen, die der Autophagie zugrunde liegen“, hieß es vom Institut. „Dabei handelt es sich um einen grundsätzlichen Prozess, um Zellkomponenten abzubauen und zu recyceln.“ Ohsumi arbeitet am Institute of Technology in Tokio.
Er zeigte sich von der Auszeichnung überwältigt. „Das ist eine Freude für einen Forscher, die nicht zu übertreffen ist“, sagte der 71-Jährige am Montagabend (Ortszeit) in einem Gespräch mit dem japanischen Fernsehsender NHK.
Preis für die richtige Person
Für Volker Haucke, Direktor des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie in Berlin, ist der „folgerichtig an die richtige Person gegeben worden“, wie er anlässlich der Preisverleihung erklärte. „Ohsumi hat gezeigt, dass es ein ganz grundsätzlicher zellulärer Prozess ist“, sagte er. Die Autophagie ermögliche es Zellen und Organismen, im Hungerzustand zu überleben, indem unwichtige Zellbestandteile abgebaut werden, damit die Zelle ihre Grundfunktionen aufrechterhalten kann.
Auch können Zellen über den Prozess der Autophagie gealterte Organellen wie Mitochondrien, die Energie bereitstellen, abbauen. „Hierzu entsteht in der Zelle intern neuer Raum“, erklärte Haucke den Mechanismus. Eine neu geschaffene Zellmembran umschließe die Zellbestandteile, die abgebaut werden sollen. Anschließend werden die umgewandelten Proteine wieder in den Stoffwechsel zurückgeführt.
Für die Biomedizin sei die Autophagie von „ungeheurer Bedeutung,
weil alle Organe des Menschen den Prozess zum Abbau von Proteinen verwenden. Es
gebe Studien von Hefezellen über Fliegen bis zu Maus, dass Stoffe, die die Autophagie
stimulieren – wie sie auch in Rotwein enthalten sind – die Lebenszeit
verlängern, indem die Zellen beispielsweise fehlgefalteten Proteine abbauen. Da
der Prozess der Autophagie im Alter heruntergefahren wird, hofft Haucke, dass sie
zukünftig über pharmakologische Agenzien wieder „angeschaltet“ werden könnte,
wie er gegenüber DAZ.online erklärte.
Besonders wichtig für Nervenzellen und Tumore
Der Berliner Wissenschaftler erforscht selber, welche Rolle die von Ohsumi entdeckten Prozesse im Gehirn haben. „Wir glauben, dass das Autophagie-System in Nervenzellen eine besonders große Bedeutung haben, weil Nervenzellen besonders langlebig sind“, sagte der Biochemiker. Neurone lebten so lange wie der Mensch, und Proteine werden anders als in vielen anderen Zelltypen über Wochen eingesetzt.
Auch für die Bekämpfung von Krebszellen ist die Autophagie ein Ansatzpunkt. „Der Prozess ermöglicht es Tumorzellen, sich zu teilen, wenn der Vorrat an Nährstoffen limitiert ist“, sagte Haucke. Dies sei für Krebszellen häufig der Fall. So haben sie ein zelluläres Programm etabliert, um kontinuierlich weiterzuwachsen“, erklärt der Forscher. Es sei jedoch noch unklar, inwiefern ein Eingriff in das Autophagie-System tatsächlich in eine Therapieoption weiterentwickelt werden kann.
Hochverdienter Preis für einen bescheidenen Forscher
„Ich denke dieser Preis ist hochverdient“, erklärte Haucke, der Ohsumi persönlich seit Längerem kennt. Der japanische Kollege habe über viele Jahrzehnte an dem Thema geforscht und dabei nicht die große Bühne gesucht, sondern daran gearbeitet, die Hefe als Modellorganismus zu verstehen und zu etablieren. „Er ist ein Paradebeispiel für jemand, der Grundlagenforschung betrieben hat und einen Prozess entdeckt hat, der ansonsten über Jahrzehnte unentdeckt geblieben wäre.“
Auf die Frage, warum er sich auf die Auflösung und nicht auf die Zusammensetzung von Proteinen fokussiert habe, sagte Ohsumi: „Ich wollte etwas tun, das die anderen nicht taten.“
Weitere Nobelpreise in dieser Woche
Seit 1901 haben 210 Menschen den Medizinnobelpreis erhalten, darunter zwölf Frauen. Der erste ging an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung einer Therapie gegen Diphtherie. Der jüngste Preisträger war bislang mit 32 Jahren Frederick G. Banting, der älteste war mit 87 Jahren Peyton Rous.
Im vergangenen Jahr erhielt die Hälfte des Preisgeldes die Chinesin Youyou Tu für die Entdeckung des Malaria-Wirkstoffs Artemisinin. Die andere Hälfte bekamen der gebürtige Ire William C. Campbell und der Japaner Satoshi Omura, die den Wirkstoff Avermectin entwickelten. Daraus entstanden Präparate gegen Parasitenerkrankungen in ärmeren Ländern wie Flussblindheit und lymphatische Filariose, die zur Elephantiasis führen kann.
Mit dem Medizin-Preis startete der Nobelpreisreigen: Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Nobelpreises benannt. Später folgen die Träger für den Friedens-, Literatur- und den von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschaftsnobelpreis. Die feierliche Überreichung aller Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
2 Kommentare
Autophargie fehlgehaltener Proteine?
von Christian Becker am 04.10.2016 um 8:07 Uhr
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AW: Korrektur
von DAZ.online Redaktion am 04.10.2016 um 19:39 Uhr
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