Interview mit Roy Kühne (CDU)

„Wir können auf die Kompetenzen der Apotheker nicht verzichten“

Berlin - 14.10.2016, 12:50 Uhr

Roy Kühne hätte sich mehr Mut gewünscht, Apothekerkompetenzen stärker in den Medikationsplan einzubringen. (Foto: Roy Kühne)

Roy Kühne hätte sich mehr Mut gewünscht, Apothekerkompetenzen stärker in den Medikationsplan einzubringen. (Foto: Roy Kühne)


Seit zwei Wochen können GKV-Versicherte, die drei oder mehr Arzneimittel dauerhaft einnehmen, ihren Arzt um einen Medikationsplan bitten. Sowohl aus der Apotheker- als auch aus der Ärzteschaft regnet es Kritik am Konstrukt des Plans. Jetzt gibt es auch in der Politik eine prominente, kritische Stimme: CDU-Gesundheitspolitiker Roy Kühne will die Apotheker so schnell wie möglich integrieren.

Im Nachrichtendienst Twitter hatte Kühne in der vergangenen Woche angedeutet, dass er die Konstruktion des Medikationsplanes, so wie er derzeit angeboten wird, nicht sinnvoll findet. Es ist nicht das erste Mal, dass Kühne sich für die Apotheker stark macht: Während der Diskussionen um die Null-Retaxationen der Krankenkassen besuchte der CDU-Politiker eine Apotheke in seinem niedersächsischen Wahlkreis und erklärte, dass er sich gegen ungerechtfertigte Null-Absetzungen aussprechen wolle. Kühne ist studierter Lehrer und ausgebildeter Sport- und Physiotherapeut. Er sitzt seit 2013 im Bundestag, ist Mitglied des Gesundheitsausschusses und für die Unionsfraktion Berichterstatter für Hilfs- und Heilmittel.

DAZ.online: Herr Kühne, Sie haben angedeutet, mit dem jetzigen Konstrukt des Medikationsplanes nicht zufrieden zu sein. Warum?

Kühne: Von den Ärzten hören wir immer wieder, dass sie Probleme mit ihrem Zeitmanagement haben, dass sie entlastet werden müssen. Gleichzeitig wird das sehr enge Verhältnis der Apotheker zu ihren Patienten aus meiner Sicht zu wenig genutzt. Das Pharmaziestudium ist einer der komplexesten und teuersten Studiengänge, die wir in Deutschland haben. Um Ärzte zu entlasten, hätte ich mir bei den Ärzten selbst aber auch in der Politik mehr Mut gewünscht, die Kompetenzen der Apotheker besser einzubringen.

DAZ.online: Welche Konstruktionsfehler sehen Sie denn beim Medikationsplan?

Kühne: Ärzte sind per Gesetz dafür verantwortlich, Diagnosen zu stellen und die richtigen Arzneimittel für die Therapie auszuwählen. Apotheker haben in ihrem Studium viel über Neben- und Wechselwirkungen gelernt. Somit ist für mich klar, wer in einer vernünftigen interprofessionellen Beziehung beim Medikationsmanagement welche Aufgabe übernehmen sollte. Zudem werden die OTC-Produkte im derzeitigen Konstrukt so gut wie gar nicht berücksichtigt, obwohl auch in diesem Bereich viele erhebliche Wechselwirkungen entstehen können. Der OTC-Konsum wächst stetig an. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum man diesen Aspekt nicht jetzt schon berücksichtigt hat.

Die Apotheker selbst müssen jetzt konkrete Vorschläge machen

DAZ.online: Die Apotheker nennen den Medikationsplan ja „Medikationsliste“, weil ein wirkliches Medikationsmanagement nicht angebunden ist. Sehen Sie das ähnlich?

Kühne: Das stimmt schon. Eine solche Medikationsliste ist im Grunde genommen nichts Neues. Bei 163 Millionen Euro erwarte ich nun aber von den Ärzten, dass sie die Patienten auch gut beraten und nicht nur die Liste erstellen. Zu so einer guten Arzneimittelberatung gehören für mich Aufklärungen über Neben- und Wechselwirkungen oder regelmäßige Besprechungen zum Status quo der Arzneimitteltherapie.

DAZ.online: Nach den Verhandlungen zwischen Kassen und Ärzten wurde ja auch der Patientenkreis noch weiter eingeschränkt.

Kühne: Wenn man ein Medikationsmanagement plant, dann von Anfang an richtig. Es kann nicht sein, dass eine Patientin, die ein Herzmedikament dauerhaft einnimmt und über zwei Wochen lang ein Antibiotikum erhält, kein Recht auf einen Medikationsplan hat. Die 28-Tage-Regel war ein reines Geldsparmittel.

DAZ.online: Ihr Parteikollege Hermann Gröhe hat den Apothekern versprochen, sie 2018 am elektronischen Medikationsplan zu beteiligen. Ist Ihnen das zu spät?

Kühne: Ich wünsche mir in den kommenden Monaten, dass die Vertreter der Apothekerschaft auch mal aktiv auf uns zukommen und nicht mehr nur reaktiv versuchen, Gesetzentwürfe im Nachhinein zu beeinflussen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Interessen der Apothekerschaft im Deutschen Bundestag zu vertreten. Die Apotheker selbst müssen uns jetzt konkrete Vorschläge machen, wie sie sich möglichst schnell und zum Wohle der Patienten am Medikationsplan beteiligen können. Ich wünsche mir aber auch, dass beispielsweise Therapeuten an die Informationen des Medikationsplanes kommen. Für Therapeuten, die beispielsweise neurologisch erkrankte Kinder behandeln, ist es sehr wichtig zu wissen, welche Medikamente ihre Patienten einnehmen.

DAZ.online: Sie sagten eingangs, dass auch die Politik mehr Mut zeigen müsse. Meinen Sie damit, dass sich die Politik gegen den Druck der Ärzte durchsetzen sollte und Apothekern mehr Kompetenzen zusprechen sollte?

Kühne: Wir können und möchten auf die Kompetenzen der Apotheker nicht verzichten. Gleichzeitig müssen die Ärzte entlastet werden, um sich auch wieder besser und intensiver um ihre Patienten kümmern zu können. Legt man das Medikationsmanagement in die Hände der Apotheker, könnte man beides vereinen. In der Politik müssen wir daher auch mal den Mut haben, Leistungen an Apotheker zu delegieren, vielleicht zunächst in Modellprojekten, dann aber auch in der Regelversorgung.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Aktiv und nicht bloß reaktiv!

von Armin Spychalski am 16.10.2016 um 9:16 Uhr

"Ich wünsche mir in den kommenden Monaten, dass die Vertreter der Apothekerschaft auch mal aktiv auf uns zukommen und nicht mehr nur reaktiv versuchen, Gesetzentwürfe im Nachhinein zu beeinflussen."
Das spricht Bände! Die ABDA hat ihre Arbeitsweise auf dem DAT aber ganz anders dargestellt. Stimmt die Eigenwahrnehmung hier vielleicht nicht?

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