Aufruf in der Schweiz

Apotheker sollen potenzielle Terroristen erkennen

Stuttgart - 07.02.2017, 11:15 Uhr

Bei großen Mengen bestimmter Chemikalien, wie Aceton oder hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid, sollen Apotheker hellhörig werden, rät die Schweizer Polizei. (Foto: picture alliance / Shotshop)

Bei großen Mengen bestimmter Chemikalien, wie Aceton oder hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid, sollen Apotheker hellhörig werden, rät die Schweizer Polizei. (Foto: picture alliance / Shotshop)


Die Schweizer Polizei hat Apotheken aufgerufen, Kunden, die große Mengen bestimmter Chemikalien kaufen, zu melden – diese könnten terroristische Anschläge planen. Das Ganze basiert allerdings auf Freiwilligkeit. In Deutschland ist man hingegen bei bestimmten Substanzen verpflichtet, verdächtige Transaktionen zu melden.

In Deutschland ist ebenso wie in der gesamten EU die Abgabe bestimmter Chemikalien, die zur Sprengstoffherstellung genutzt werden können, eingeschränkt. So darf beispielsweise Wasserstoffperoxid in Konzentrationen über 12 Prozent an Privatpersonen nicht abgegeben werden. Das war nicht immer so. Vor weniger als zwei Jahren durfte man, wenn man volljährig war, es keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwendung gab und die Identität durch ein amtliches Dokument nachgewiesen wurde, noch bis zu 35 Prozent käuflich erwerben.

Für andere Chemikalien galt Ähnliches. Medienberichten aus der Schweiz zufolge gibt es dort nun Bedenken, dass potenzielle Käufer in die Schweiz ausweichen, weil es dort solche Einschränkungen nicht gibt. Noch nicht – denn gesetzliche Grundlagen, den Handel mit diesen Substanzen einzuschränken, sind bereits in Arbeit. Bis Ende 2017 soll ein Entwurf vorliegen. 

Je kritischer, desto stärker geregelt

Die Einschränkungen sollen konzentrationsabhängig sein. Je höher die Konzentration der kritischen Substanzen, desto stärker soll der Verkauf geregelt werden. Geringe Konzentrationen unterliegen keinen Einschränkungen. Bei erhöhter Konzentration soll der Verkauf künftig registriert werden, und bestimmte Angaben sind an die zuständige Behörde weiterzuleiten – beispielsweise die Art der Substanz, die Menge, der Zweck des Kaufs und Angaben zur Person, die das Produkt gekauft hat. Für den Kauf hochkonzentrierter Produkte soll künftig eine Genehmigungspflicht gelten. Die Regelungen gelten lediglich für Privatpersonen. Berufsgruppen wie Landwirte sind nicht betroffen.

Außerdem soll der Fachhandel verdächtige Einkäufe melden – telefonisch oder per Mail. Mit dieser Maßnahme wollte man aber offensichtlich nicht warten, bis das Gesetz verabschiedet ist. Diese Möglichkeit wurde bereits im September 2016 in Absprache mit den betroffenen Branchen geschaffen und soll fortgeführt werden.

In der Schweiz freiwillig, in der EU Pflicht

In den vergangenen Wochen haben Schweizer Apotheken daher einen Brief erhalten. Darin werden sie vom Bundesamt für Polizei fedpol dazu aufgerufen, verdächtige Kunden zu melden – telefonisch oder per Mail. In dem Schreiben finden sich Medienberichten zufolge auch Hinweise, woran man solche Kunden möglicherweise erkennen kann. So können beispielsweise Nervosität, der Wunsch nach einer ungewöhnlich großen Menge einer Chemikalie oder die Weigerung, Auskunft über die geplante Verwendung zu geben, ein Hinweis auf terroristische Motive sein. Insgesamt listet das fedpol 15 freiverkäufliche Chemikalien auf, die für den Bau von Sprengstoffen verwendet werden können. Dazu zählen etwa Wasserstoffperoxid, Natriumperchlorat oder Nitrate in Düngemitteln.

Im Gegensatz zur EU setzt die Schweiz aber auf Freiwilligkeit, eine Meldepflicht soll es nicht geben. Anders in den Mitgliedsstaaten der Union. Hier schreibt die EU-Verordnung 98/2013 für bestimmte Chemikalien – die sogenannten Ausgangsstoffe für Explosivstoffe – vor, „verdächtige Transaktionen“ zu melden, dazu gehören zum Beispiel Natriumperchlorat, Aceton, Nitrate sowie eben Wasserstoffperoxid. 

Grundstoffüberwachung empfiehlt, Verdächtiges zu melden

Für andere Stoffe wie Kaliumpermanganat und Lösungsmittel wie Salzsäure wird dies lediglich empfohlen. Auflagen gibt es neben potenziellen Ausgangsstoffen für Sprengstoffe nämlich auch für Substanzen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können. Die maßgebliche Vorschrift ist hier das Grundstoffüberwachungsgesetz (GüG).

Die betroffenen Stoffe sind in drei Kategorien eingeteilt. Sie unterliegen unterschiedlich strengen Regelungen, beispielsweise was die Dokumentationspflichten oder die Erlaubnis, damit zu handeln, angeht:

  • Kategorie 1 sind häufig verwendete Grundstoffe für die Herstellung von Betäubungsmitteln, zum Beispiel Lysergsäure, Ephedrin oder Pseudoephedrin.

  • In Kategorie 2 b finden sich vor allem Reagenzien, die bei der BtM-Herstellung Anwendung finden, darunter eben Kaliumpermanganat oder Essigsäureanhydrid.

  • Die letzte Kategorie – Kategorie 3 – beinhaltet Hilfsstoffe, also Lösungsmittel. Sie unterliegen zumindest laut GüG keiner gesetzlichen Beschränkung. Lediglich die Ausfuhr in Drittländer wird in Abhängigkeit von der Menge und Ausfuhrland in Form einer Genehmigungspflicht reglementiert. Dazu gehören zum Beispiel Salzsäure oder Schwefelsäure und Aceton. Wobei bei den beiden Letzteren die oben genannte EU-Verordnung greift und es daher Auflagen gibt.

Die Empfehlung, „verdächtige Transaktionen“ an die zuständigen Behörden zu melden, gilt für alle Stoffe, die unter das Grundstoffüberwachungsgesetz fallen. 

Die aktuell gültigen Abgabebestimmungen für Chemikalien an Privatpersonen finden Sie hier. 




Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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