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Strukturaufklärung mit Neutronen
Präzisionswaffe statt Schrotflinte gegen Helicobacter
Infektionen mit Helicobacter pylori werden derzeit mit Antibiotika behandelt, also unspezifisch antimikrobiell. Wissenschaftler aus den USA wollen das ändern. Sie haben mithilfe von Neutronen am Forschungsreaktor der TU München die Struktur des aktiven Zentrums eines Enzyms des Magenbakteriums aufklären lassen, mit dem Ziel, selektiv wirksame Arzneimittel gegen den Keim zu entwickeln.
Strukturbasiertes Wirkstoffdesign ist im digitalen Zeitalter eine Möglichkeit, neue Arzneimittel zu entwickeln. Wenn ein potenzieller Wirkort bekannt ist und die molekulare Struktur dieses Wirkortes genau ermittelt ist, kann zunächst am Computer ein Molekül entworfen werden, das genau zum Beispiel in das aktive Zentrum eines Enzyms passt, dort fest bindet und das Enzym so hemmt. Anschließend muss „nur“ noch der Syntheseweg gefunden sowie eine Arzneiform entwickelt werden, und das neue Arzneimittel kann dann das übliche Prozedere der klinischen Prüfung bis zur Zulassung durchlaufen. Allerdings steht ganz am Anfang, die Struktur des Wirkortes sehr genau zu untersuchen.
Ein internationales Forschungsteam um den Professor für Biochemie Donald Ronning von der Abteilung für Chemie und Biochemie der Universität Toledo in den USA hat für diesen Ansatz nun Hilfe deutscher Wissenschaftler an der Forschungsneutronenquelle „Hans Maier-Leibnitz“ in Garching bei München in Anspruch genommen. Helicobacter pylori, ein gramnegatives, mikroaerophiles Stäbchenbakterium hatten sich die Wissenschaftler dabei vorgenommen. Weltweit soll jeder zweite den Keim in seinem Verdauungstrakt beherbergen. Er spielt erwiesenermaßen bei der Entstehung von Gastritis, Ulcera und Magenkrebs eine Rolle. Zunehmende Resistenzen und eine Wirksamkeit von nur 70 Prozent bei der Kombination aus Antibiotika-Therapie und Protonenpumpenhemmern beflügelt die Suche nach neuen Therapieansätzen.
Bakterien-spezifisches essenzielles Enzym als Wirkort
Als mögliches Target für neue Wirkstoffe identifizierten die Forscher das Enzym 5‘-Methylthioadenosin-Nucleosidase (MTAN), das spezifisch für Helicobacter ist und in der Synthese des Vitamins K2 in dem Bakterium eine Rolle spielt. „Für die mögliche Entwicklung neuer Wirkstoffe war es der erste wichtige Schritt, die Struktur des aktiven Zentrums des Enzyms zu bestimmen“, sagt der promovierte Biologe Andreas Ostermann, der an der Forschungsneutronenquelle in Garching arbeitet.
Standard-Methode der Wahl für Strukturanalysen sei die Röntgenstrukturanalyse, erklärt Ostermann. „Die kann heutzutage schon komplett automatisch an Synchrotron-Beamlines durgeführt werden“, sagt der Forscher. „Um den Reaktionsmechanismus des Enzyms dann genau zu verstehen, sind mehrere verschiedene Strukturuntersuchungen der unterschiedlichen Zustände nötig. Also Grundzustand ohne Substrat, wenn möglich ein Übergangszustand, bei dem man Substrat-Analoga einsetzt, und das aktive Zentrum mit den Produkten der Reaktion“, sagt Ostermann. Untersucht wird das jeweils an aus größerer Menge des Enzyms angereicherten Proteinkristallen.
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