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Engpass
Es bleibt schwierig bei den Keuchhusten-Impfstoffen
Boostrix Polio, Repevax, TdaP-Immun: Drei von vier in Deutschland bei Erwachsenen zur Impfung gegen Keuchhusten zugelassene Vakzine sind derzeit nicht lieferbar. Die Probleme bestehen seit einigen Jahren. Grund ist die weltweit gestiegene Nachfrage. Wie sieht die Prognose für die nächste Wochen und Monate aus?
Im Zusammenhang der derzeit grassierenden Keuchhustenwelle werden immer wieder die schlechten Impfraten bei Erwachsenen angemahnt. Während bei der Einschulung noch nahezu alle Kinder ausreichend geimpft sind, ist es bei den Erwachsenen nur jeder fünfte bis zehnte. Für sie selber ist Keuchhusten in der Regel nur lästig, aber nicht gefährlich. Kritisch hingegen ist die Erkrankung für Säuglinge. Ein hoher Anteil aller Krankenhausbehandlungen und fast alle Todesfälle betreffen junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten.
2016 starben in Deutschland drei Neugeborene an der Infektion. Da eine Impfung aber erst im Alter von zwei Monaten erfolgen kann, sind die Allerkleinsten auf den Impfschutz ihrer Umgebung angewiesen. Eine weitere Strategie, die beispielsweise in den USA bereits flächendeckend angewandt wird, ist, die werdenden Mütter zu impfen. Auf diese Weise kann offensichtlich auch das Neugeborene von den mütterlichen Antikörpern profitieren, da diese von der Mutter an das Kind weitergegeben werden. Bei Boostrix® und Boostrix® Polio hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im September die Zulassung dementsprechend erweitert.
Nur ein Impfstoff für Erwachsene verfügbar
Doch impfen ist manchmal leichter gesagt als getan. Seit einigen Jahren gibt es wieder Probleme bei den Impfstoffen mit azellulärer Pertussiskomponente. Schuld daran ist unter anderem die weltweit gestiegene Nachfrage nach diesen Vakzinen. Die Aufstockung der Produktionskapazitäten dauert Jahre. Das Resultat? Engpässe.
In Deutschland sind derzeit drei von vier für Erwachsene zugelassene Impfstoffe nicht lieferbar: Boostrix Polio und Repevax, die neben Pertussis, Diphterie und Tetanus, auch vor Polio schützen, sowie TdaP-Immun, ein Tetanus-Diphterie-Pertussis-Impfstoff (TdaP).
Insgesamt
ruht die Versorgung auf den Schultern von drei Firmen: einmal GlaxoSmithKline –
die Briten können mit Boostrix® (TdaP) im Moment als einziger Hersteller überhaupt
liefern. Und auch bei dem anderen Impfstoff aus dem Hause GSK, zeichnet sich –
zumindest mal kurzfristig – Entspannung ab. In Kalenderwoche 10 oder 11 soll
Nachschub kommen, sagt der Hersteller gegenüber DAZ.online
Kommt Covaxis zurück?
Deutlich schlechter sieht es beim zweiten Wettbewerber im Markt aus, Sanofi-Pasteur, der erst vor Kurzem seine Impfstoff-Ehe mit MSD Sharp & Dome beendet hat. Als nur sehr begrenzt vorhanden beschreibt das Unternehmen selbst die Verfügbarkeit von Repevax® auf Nachfrage.
Gründe seien zum einen die begrenzten Produktionskapazitäten für die Pertussiskomponente des Impfstoffs sowie die bereits erwähnte weltweit gestiegene Nachfrage. Kleinere Kontingente an Repevax seien deshalb nach Wareneingang meist innerhalb weniger Tage ausgeliefert. Deshalb befände sich das Produkt auf der Lieferengpass-Liste des PEI, erklärt Sanofi. In der Spalte „Verfügbarkeit“ findet sich bei der 10er- und 1er-Packung jeweils dieselbe Information – „offen“.
Die Angaben dort werden entsprechend einer schriftlichen Verbindlichkeitserklärung von den Zulassungsinhabern zur Verfügung gestellt. Wann der TdaP-Impfstoff Covaxis®, ohne Polio-Komponente aus dem Hause Sanofi wieder zu haben ist, ist unklar. Er wird seit Juni 2015 nicht mehr vermarktet. Im Epidemiologischen Bulletin vom 11. April vergangenen Jahres hieß es noch, Covaxis® werde voraussichtlich 2017 wieder vertrieben. Laut Hersteller gibt es dazu aber derzeit keine Erkenntnisse.
TdaP soll es im zweiten Quartal wieder geben
Auch beim dritten Hersteller Pfizer, der für den deutschen Vertrieb von TdaP-Immun® zuständig ist, gibt es keine erfreulichen Nachrichten. Pfizer bestätigt gegenüber DAZ.online, dass die Auffrischungs-Impfung TdaP-Immun nicht lieferbar ist. Pfizer bedauere diesen Umstand und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten bei Patienten, Ärzten und Apothekern sehr, erklärt eine Unternehmenssprecherin. An das PEI meldete die Firma, dass sie voraussichtlich im zweiten Quartal 2017 wieder lieferfähig sei.
Die Krux an der Keuchhusten-Impfung ist, dass sie im Gegensatz zu beispielweise Masern keinen lebenslangen Schutz bietet – die durchgemachte Erkrankung tut dies übrigens auch nicht. Mittlerweile weiß man, dass man trotz Impfung oder überstandener Infektion erkranken kann, nämlich wenn die Immunisierung zu lange zurückliegt.
Die STIKO hat dieser Erkenntnis Rechnung getragen und empfiehlt seit 2009, allen Erwachsenen bei der nächsten fälligen Td-Impfung auch Pertussis zu impfen – jedoch nur einmalig. In anderen Ländern wird bereits eine regelmäßige Auffrischung alle zehn Jahre empfohlen. In Deutschland gilt dies nur für bestimmte Personen, wie Frauen im gebärfähigen Alter oder wenn enger Kontakt zu Säuglingen besteht. Viele – auch Hausärzte – hätten Keuchhusten aber bei Erwachsenen noch nicht so im Bewusstsein, kritisierte eine RKI-Expertin gegenüber der Deutschen Presseagentur. Die Auffrischung werde daher vielfach vergessen.
Sollte wirklich kein Impfstoff verfügbar sein, lautet die Devise „Priorisierung“. So rät die STIKO in solchen Fällen dazu, in erster Linie bislang sicher ungeimpfte Personen zu impfen, dann Haushaltsangehörige von Risikopersonen (sog. Kokon-Strategie). Danach kommen Auffrischimpfungen an die Reihe – erst bei Vorschulkindern, dann bei Jugendlichen zuletzt bei Erwachsenen.
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