Projektleiterin des Honorar-Gutachtens

„Wir können die Kritik der Apotheker nicht nachvollziehen“

Stuttgart - 22.02.2017, 16:40 Uhr

Rund 16.000 Apotheken erhielten eine E-Mail, mit der sie zur Teilnahme an der Umfrage für das Gutachten zum Apothekenhonorar eingeladen wurden. (Foto: avarand / Fotolia)

Rund 16.000 Apotheken erhielten eine E-Mail, mit der sie zur Teilnahme an der Umfrage für das Gutachten zum Apothekenhonorar eingeladen wurden. (Foto: avarand / Fotolia)


Eine Umfrage soll für das Honorar-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums Daten zur Lage von Apotheken liefern – doch stieß sie bei vielen Apothekern auf Ablehnung. Gegenüber DAZ.online erklärt die zuständige Projektleiterin, warum die Fragen nicht mit der ABDA abgestimmt wurden. Viele der 1600 teilnehmenden Apotheker hätten Freifelder für Kommentare genutzt.

Um das Apothekerhonorar und somit die Arzneimittelpreisverordnung zu überarbeiten, beauftragte das Bundeswirtschaftsministerium im vergangenen Jahr die Agentur 2hm mit der Erstellung eines Gutachtens. Um eine umfassende Datengrundlage zur aktuellen Lage von Apotheken zu erstellen, sah die Ausschreibung auch eine „repräsentative Erhebung und Überprüfung der Erhebungen durch geeignete und anerkannte Messverfahren“ vor. Diese Umfrage lief in den vergangen Wochen – und erregte bei vielen Apothekern erheblichen Unmut.

„Was diese Fragen offenbaren, bestätigt die Befürchtungen über ein lebensfremdes Apothekenmodell vom sprichwörtlichen grünen Tisch“, kommentierte beispielsweise der Apotheker Thomas Müller Bohn auf DAZ.online. Die Fragen bezogen sich neben allgemeinen Daten beispielsweise zum Apothekenumsatz insbesondere auf die Bereiche Warenwirtschaft, Betäubungsmittelabgabe, Rezepturen und die Zubereitung parenteraler Lösungen. Dies sei zu eng gefasst – und wichtige Aspekte würden gar nicht erfasst, argumentierte Müller-Bohn. „Eine teils erhoffte, teils befürchtete grundsätzliche Neukonzeptionierung des ganzen Honorarsystems wird damit unwahrscheinlich“, schrieb er.

Tatsächlich arbeiten in der Agentur 2hm keine Pharmazeuten, wie Projektleiterin Iris an der Heiden gegenüber DAZ.online bestätigt – Apotheker seien aber eingebunden worden, um die Umfrage sowie ihr Wording zu testen, bevor sie verschickt wurde. Dia ABDA sitzt zwar wie auch das Ministerium im Beirat des Projektes, doch aus Neutralitätsgründen hätten die genauen Fragen nicht mit ihr abgesprochen werden können, betont an der Heiden. „Sobald wir dies in irgendeiner Form in Zusammenarbeit mit Kosten- oder Leistungsträgern machen, sind wir nicht mehr neutral“, erklärt sie. „Wir haben ja insgesamt einen wissenschaftlichen Auftrag und auch eine forscherische Freiheit, die uns der Arbeitskreis nicht abnehmen kann.“

Kein „möglichst breites Potpourri des Apothekenalltags“

Die ganze Befragung habe sich „sehr strikt“ an den Leitlinien der Bundesapothekerkammer und der Arzneimittelpreisverordnung orientiert – „da gibt es nicht viel Spielraum“, erläutert die Projektleiterin. „Wir haben natürlich abgewogen, ob wir auf Expertise verzichten, die für die Befragung existentiell gewesen wäre – das haben wir natürlich nicht gemacht.“ Die Befragung sei sehr zielgerichtet danach ausgerichtet, „was wir wissen müssen“, wie an der Heiden erklärt. „Wir haben nicht versucht, ein möglichst breites Potpourri des Apothekenalltags abzubilden“, betont sie. „Dann müsste die Befragung viel umfangreicher sein und mit Apothekern zusammen erarbeitet werden.“

Insgesamt habe es drei Varianten der Umfrage gegeben, die an möglichst alle Apotheken verschickt wurde – rund 16.000, für die E-Mail-Adressen öffentlich verfügbar waren. Per Zufallsauswahl habe es entweder einen Schwerpunkt auf das Thema Rezeptur oder die Warenwirtschaft gegeben – außerdem seien Apotheken, die parenterale Zubereitungen herstellen, hierzu speziell befragt worden.

Sachlich nicht nachvollziehbar

An der Heiden betont, dass das vorgegebene Schema der Leitlinien und der Arzneimittelpreisverordnung nicht viel Spielraum gelassen habe – daher habe sie die Kritik auch überrascht. „Wir können sie letztlich sachlich nicht nachvollziehen“, erklärt sie. „Es sind konkrete Fragen als befremdlich benannt worden, die in keinster Weise befremdlich sind – es sind einfach die Standards.“

Sie räumt auf Nachfrage ein, dass nicht alle Aspekte mit den Fragebögen zu erfassen wären – doch hätten diese an jeder Stelle den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, in Kommentaren weitere Aufwände zu benennen. „Es gab ein abschließendes Freifeld, in dem man grundsätzliche Anmerkungen machen konnte“, erläutert die Projektleitern. „Das wurde sehr umfangreich genutzt, um allgemeine Themen anzubringen, die wir gar nicht abgefragt haben.“ Die Hoffnung mancher Apotheker auf eine grundsätzliche Überarbeitung des Apothekenhonorars sei ihr bislang unbekannt gewesen. „Dass es diesen Wunsch von den Apothekern gibt, höre ich zum ersten Mal“, erklärt an der Heiden.

Zufriedenheit mit der Anzahl der Antworten

Von vorneherein sei der Agentur klar gewesen, dass es Vorbehalte und ein gewisses Misstrauen gegen die Befragung geben könne. Auch seien Missverständnisse nicht zu vermeiden – die aber auch darin begründet seien, dass der Auftraggeber das BMWi und nicht beispielsweise die ABDA ist. „Das Forschungsfeld ist derart breit und tief, dass ein vollkommenerer Ausschluss etwaiger Missverständnisse unmöglich ist“, betont an der Heiden. Daher seien während einer Feldphase mehrere Kanäle zu Klärung von Fragen und Anmerkungen den Teilnehmern bereitgestellt. „Dies wurde auch von den (potentiellen) Teilnehmern gut angenommen und es konnten dabei Bedenken ausgeräumt oder Fragen geklärt werden“, erklärt sie. Daneben seien zahlreiche E-Mail eingegangen oder online Posts veröffentlicht worden, deren Qualität sie „nicht kommentieren“ möchte.

Als Bestätigung ihrer Arbeit sieht sie, dass gut jede zehnte angeschriebene Apotheke die Fragen beantwortet hat. „Es haben über 1.600 Apothekerinnen und Apotheker an der Befragung teilgenommen“, erklärt an der Heiden. „Damit sind wir sehr zufrieden und danken auch an dieser Stelle den teilnehmenden Apothekerinnen und Apothekern.“

Nachdem ABDA-Präsident Friedemann Schmidt angesichts des damals noch in Planung befindlichen Gutachtens vor knapp anderthalb Jahren vor einer „Verzögerungstaktik“ warnte und ein eigenes ABDA-Gutachten ins Spiel brachte, ist dieser Gedanke nun offenbar vom Tisch. „Ob und wann die ABDA ein Gutachten zu bestimmten Aspekten der Vergütungssituation in Auftragt gibt, behält sie sich jederzeit vor“, erklärt ein Sprecher jedoch gegenüber DAZ.online. Dabei gebe es jedoch bereits gute Datenquellen. „Der Apothekenwirtschaftsbericht 2017, dem das ABDA-Apothekenpanel mit über 2.500 Apotheken aus dem ganzen Bundesgebiet und über alle Größenklassen hinweg zugrunde liegt, wird jedenfalls auf dem DAV-Wirtschaftsforum Ende April in Berlin auch dieses Jahr eine genaue Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Apotheken in Deutschland liefern.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Tiefes, verständliches Misstrauen

von Hubert Kaps am 23.02.2017 um 15:42 Uhr

Das Gutachten wurde von Herrn Gabriel in Auftrag gegeben. Seine Partei hat in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, Verbesserungen der Honorarsituation zu torpedieren/verhindern/verzögern. Insofern ist eine breite Ablehnung einer derartigen Befragung nur zu verständlich. Spezifische Honorare für spezifische Leistungen können gerne auf unser Honorar draufgepackt werden. Die Grundlage muss aber das bestehende (leider kümmerliche) Honorar bleiben. Die Fragen meines Fragebogens deuteten in Auszügen überdeutlich darauf hin, dass das Grundhonorar ebenfalls zur Disposition steht. Und das geht nicht. Die Autoren sollten sich also über den "Gegenwind" nicht zusehr wundern.

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Nicht gewollte Kompetenz um gefälliges Gutachten zu erreichen!?

von ratatosk am 22.02.2017 um 22:02 Uhr

Wer würde eine Studie zu z.B Zoo ohne Biologen und Tierärzte machen, um es mal neutral darzusstellen - Richtig ! niemand ! der ein wirdlich sachdienliches Gutachten zur Beurteilung und Optimierung eines Sachverhaltes haben will.
Wie also das Ministerium dazu kommt dies so machen läßt zwei schäbige Linien erkennen , entweder es ist denen sowieso egal , oder es soll ja nichts positives rauskommen. Hat man ja an der Bäckerfrage es SPD Kandidaten schön gesehen. Nur fürs Großkapital sich einsetzen in der Tat, für den dummen Rest sollen Phrasen für lau helfen.
Im übrigen von wem annerkannte Meßverfahren, wie evaluiert für diese sehr speziellen Bereich ? Nein, nicht weil wir Apotheker/innen sind, sondern hier der kleine Kaufmannsbrief nicht reicht, siehe Angebot - Preis - Nachfrage Problem eben nicht im BWL Primitivmodell zu modellieren.

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Babylonisch

von Dr Schweikert-Wehner am 22.02.2017 um 21:43 Uhr

Sprache und Ausdruck waren so Fachfremd und Branchenunüblich, das ich nach wenigen Fragen aufgegeben habe um nicht alles falsch zu machen.

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AW: Babylonisch, von A nach 2hm.

von Christian Timme am 23.02.2017 um 6:06 Uhr

Terminologie A zu Terminologie 2, kennen wir uns?. Nein!. Gut und weiter so ...

Glauben heißt nicht wissen.

von Christian Timme am 22.02.2017 um 20:09 Uhr

Wer Apotheke und Apotheker etc. nicht versteht, das dürften meiner Schätzung nach 99% aller Bundesbürger sein, der kann so lange fragen und erheben bis er glaubt etwas zu wissen ... da helfen auch offene Fragen nichts, die fördern das Chaos eher noch ... aber darum kann es in diesem Stadium schon nicht mehr gehen ... bekanntes Problem ... no way back aber Kopf runter und durch ... geht immer. Denn sie wissen nicht, was sie tun ... ebenfalls bekannt. Wer "Ergebnisse" mit "wrong conclusions" abliefert hat entweder nichts begriffen oder weiß um das "Problem". Und das hier ist/wird nicht nur ein "politisches Problem" ...

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