AOK-Bundesverband

„Unsere Zyto-Verträge sind damit beerdigt!“

Berlin - 23.02.2017, 10:10 Uhr

AOK-Zyto-Verträge vor dem Aus? Der AOK-Bundesverband kritisiert die Klarstellung der Großen Koalition, dass bestehende Verträge zwischen Apothekern und den AOKen bis drei Monate nach Inkrafttreten des AMVSG beendet sein müssen. (Foto: dpa)

AOK-Zyto-Verträge vor dem Aus? Der AOK-Bundesverband kritisiert die Klarstellung der Großen Koalition, dass bestehende Verträge zwischen Apothekern und den AOKen bis drei Monate nach Inkrafttreten des AMVSG beendet sein müssen. (Foto: dpa)


Die exklusiven Zyto-Verträge der AOKen könnten noch in diesem Jahr abgewickelt werden. Die Große Koalition will ein schnelles Ende der Apotheken-Ausschreibungen. Nachdem die Krankenkassen in der vergangenen Woche noch einen letzten Versuch unternahmen, die Verträge zu retten, scheint die Hoffnung nun zu schwinden. Aus dem AOK-Bundesverband heißt es sinngemäß: „Das war’s!“

Die Versorgungsexperten im AOK-Bundesverband sind gewissermaßen die „Pioniere“ der exklusiven Zytostatika-Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekern. Abteilungsleiterin Dr. Sabine Richard schloss schon vor mehreren Jahren, als sie noch für die AOK Berlin-Brandenburg tätig war, die ersten Vereinbarungen mit Berliner Apotheken ab. Nach ihrem Wechsel in den Bundesverband übertrug sie das Prinzip der Exklusiv-Ausschreibungen einfach auf die Bundesebene: Im Auftrag mehrerer AOKen startete der Bundesverband die Bietersuche in mehreren Regionen. Derzeit gibt es AOK-Zyto-Verträge in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, im Rheinland und in Hamburg.

Doch diese Versorgungsform dürfte schon bald der Geschichte angehören. Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) will der Gesetzgeber die exklusive Bezuschlagung von Zyto-Apotheken abschaffen. In der vergangenen Woche einigten sich die Fachpolitiker der Großen Koalition darauf, wie man die bestehenden Verträge abwickeln wolle. „Verträge, die auf der […] gestrichenen Rechtsgrundlage basieren, werden nach einer dreimonatigen Übergangsfrist unwirksam“, heißt es in der Begründung eines Änderungsantrages zum AMVSG. Weil sich die Koalitionäre derzeit noch über mehrere andere Punkte im AMVSG streiten, ist derzeit schwer vorauszusagen, wann der Bundestag das Gesetz beschließt. Geht man vom spätesten Zeitpunkt aus, steht der Bundestagsbeschluss im Sommer – die Zyto-Verträge wären somit im Herbst Geschichte.

In der vergangenen Woche hatten mehrere Kassenverbände noch Gesundheitspolitikern aus der Koalition geschrieben, um für den Erhalt der Zyto-Verträge zu kämpfen. Zumindest die AOKen scheinen diesen Kampfgeist nun aber aufgegeben zu haben. Mit Blick auf die oben beschriebene 3-Monats-Frist sagte ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes gegenüber DAZ.online: „Unsere Bewertung des anliegenden Vorschlags: Unsere Verträge sind mit diesem Vorschlag beerdigt! Mit dem Verbändebrief der Krankenkassen hatten wir uns gemeinsam nochmals für den Erhalt der Ausschreibungen eingesetzt und bekräftigt, dass gerade der Eingriff in bestehende Verträge problematisch ist. Genau diesen Weg hat die Koalition jetzt aber offensichtlich eingeschlagen.“

Was machen jetzt die Barmer, TK und Co.?

Der AOK-Sprecher wies außerdem darauf hin, dass mit dem Änderungsantrag der Großen Koalition zur Abwicklung der Zyto-Verträge nun die zuvor beabsichtigte Klarstellung zur freien Apothekenwahl in § 31 Abs. 1 SGB V entfällt. Die Apotheken-Verträge der Kassen sollten nach dem ersten Entwurf noch bestehen bleiben können – allerdings wäre ihre Exklusivität verloren gegangen. Der ausdrückliche Verweis auf die in diesem Fall bestehende Apothekenwahlfreiheit ist nun wegen der 3-Monatsfrist nicht mehr nötig. Für den AOK-Sprecher eine sinnvolle Klarstellung: Ohnehin sei die Argumentation angesichts der Tatsache, dass die eigentliche Auswahl der Apotheke in der Praxis durch den Arzt erfolgt und nicht durch den Versicherten, „überhaupt nicht nachvollziehbar“ gewesen. Das nun vorgesehene automatische Ende der Verträge sei allerdings auch eine Verschärfung.

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Nachdem nun zumindest die AOK-Gemeinschaft den Kampf um die exklusiven Zytostatika-Ausschreibungen verloren gibt, bleibt abzuwarten, wie sich die anderen großen Krankenkassen zu dem Thema verhalten. Denn in den vergangenen Monaten waren viele Kassen dem AOK-Beispiel gefolgt und hatten Ausschreibungen gestartet. Kurz bevor das Aus der Apotheken-Zyto-Verträge in den AMVSG-Entwurf einfloss, schrieben im vergangenen September noch Barmer, TK und KKH  gemeinsam aus. Offen ist nun, ob beispielsweise die Ersatzkassen ihre Bietersuche beenden oder die Verträge doch noch abschließen, um sie ein paar Monate später dann wieder abzuwickeln. Ein finanzielles Interesse dürften die Kassen daran haben: Denn ihren Angaben zufolge spart das GKV-System im Jahr bis zu 700 Millionen Euro durch die derzeitige Vertragsform.

Ganz egal, wie sich die noch suchenden Kassen entscheiden, müssen sie sich zeitgleich mit den neuen Versorgungsformen auseinandersetzen. Mit dem AMVSG will der Gesetzgeber die Kassen verpflichten, künftig Rabattverträge mit den Zytostatika-Herstellern abzuschließen. Gleichzeitig sollen die Kassen mit den Apothekern in der Hilfstaxe neue Preise vereinbaren, um so weiteres Einsparpotenzial zu heben.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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