Rezepturen und BtM-Abgabe

Bundestag beschließt höheres Apothekenhonorar

Berlin - 09.03.2017, 17:15 Uhr

Beschlossene Sache: Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz beschlossen, zu dem unter anderem ein höheres Apohekenhonorar gehört. (Foto: Külker)

Beschlossene Sache: Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz beschlossen, zu dem unter anderem ein höheres Apohekenhonorar gehört. (Foto: Külker)


Der Bundestag hat das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz beschlossen. Ein Punkt des Gesetzes: Apotheker sollen für die Herstellung von Rezepturen und die BtM-Abgabe künftig 100 Millionen Euro mehr bekommen. DAZ.online bietet eine Übersicht über die wichtigsten Neuregelungen des sogenannten „Pharma-Gesetzes“.

Der Bundestag hat am heutigen Donnerstag das Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz (AMVSG) beschlossen. Dafür stimmten die Abgeordneten von Union und SPD, die Grünen stimmten dagegen, die Linksfraktion enthielt sich. Das Gesetz enthält in erster Linie Änderungen an der Arzneimittelpreisbildung. Das Bundesgesundheitsministerium hatte das Gesetz vorgelegt, um die Ergebnisse des Pharmadialogs zwischen der Bundesregierung und der Pharmaindustrie in ein Gesetz zu gießen. Mit hinzugekommen sind allerdings auch mehrere „pharmafremde“ Regelungen, wie etwa die Anpassung des Apothekenhonorars. Eine Übersicht über die wichtigsten Regelungen des AMVSG:

  • Für die Herstellung einer Rezeptur erhalten Apotheker künftig zusätzlich eine neue Fixpauschale in Höhe von 8,35 Euro. Von diesem Betrag muss allerdings noch der Kassenabschlag (1,77 Euro) abgezogen werden. Auch die Arbeitspreise werden jeweils um einen Euro erhöht. Außerdem sieht das AMVSG vor, dass die Pauschale für Betäubungsmittel und T-Rezepte, von derzeit 0,26 Euro auf 2,91 Euro steigt. Laut Gesetzentwurf werden 100 Millionen Euro mehr im Jahr an die Apotheken fließen.
  • Exklusive Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekern zur Zytostatika-Versorgung soll es künftig nicht mehr geben. Stattdessen müssen Apotheker und GKV-Spitzenverband die Preise der onkologischen Zubereitungen in der Hilfstaxe neu vereinbaren – und es wird Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern geben. Die laufenden Alt-Verträge mit Apotheken enden zum Ende des dritten Monats nach Inkrafttreten des AMVSG.
  • Ebenso schaffen Union und SPD die Impfstoff-Rabattverträge ab. Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden. „Dies dient letztlich auch der Erhöhung der Impfquote“, begründet der Gesetzgeber diese Maßnahme.
  • In der Arzneimittelpreisverordnung soll nun klargestellt werden, dass diese auch für die Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheken bei ambulanten Behandlungen zulasten einer Privaten Krankenversicherung gilt. Anlass für die Änderung gab der Fall eines Klinikbetreibers, der für die Chemotherapie von Privatpatienten weitaus höhere Rechnungen stellte als für gesetzlich Versicherte – vor Gericht kam er damit unter Hinweis auf den Wortlaut der Arzneimittelpreisverordnung durch.
  • Um die Akutversorgung der Patienten zu verbessern, sind Vorratsbestellungen von Importarzneimitteln durch Krankenhausapotheken begrenzt möglich.

Was ändert sich für die Pharmaindustrie?

Neben den für Apotheker relevanten Passagen hat der Bundestag mit dem AMVSG zahlreiche Änderungen im Pharma-Bereich beschlossen. Darum geht es unter anderem:

  • Die Besonderheiten von Kinderarzneimitteln sollen bei der Nutzenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) besser berücksichtigt werden. Zudem werden Arzneimittel, die nur für Kinder und Jugendliche erstattungsfähig sind, von der Nutzenbewertung ausgenommen.
  • Um Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika zu setzen, und somit die häufiger werdenden Resistenzen zu bekämpfen, wird die Resistenzsituation bei der Nutzenbewertung und bei der Festbetragsgruppenbildung einbezogen. Zudem werden die Regelungen zur Erstattung von diagnostischen Verfahren verbessert, um den zielgenauen Einsatz von Antibiotika zu fördern.
  • Der G-BA soll ein Informationssystem für Arztpraxen entwerfen, in dem sich die Ärzte über den Mehrwert neuer Arzneimittel informieren können.
  • Das geltende Preismoratorium für Arzneimittel wird bis zum Ende des Jahres 2022 verlängert. Ab 2018 wird eine Preisanpassung entsprechend der Inflationsrate eingeführt.
  • Um Lieferengpässe zu vermeiden, erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden die Möglichkeit, von den Herstellern Informationen zu Absatzmenge und Verschreibungsvolumen des betroffenen Arzneimittels zu fordern. Außerdem werden die pharmazeutischen Unternehmer verpflichtet, Krankenhäuser zu informieren, sobald ihnen Kenntnisse über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln vorliegen.
  • In begründeten Einzelfällen ist es bald möglich, bei der Vereinbarung von Erstattungsbeträgen bei nicht belegtem Zusatznutzen von der Vorgabe abzuweichen, dass der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen darf als die wirtschaftlichste Vergleichstherapie.
  • Außerdem wird die Wartefrist für eine erneute Bewertung des Zusatznutzens (aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse) verkürzt.
  • Gilt ein Zusatznutzen eines neuen Medikamentes als nicht belegt, weil der pharmazeutische Unternehmer die erforderlichen Unterlagen nicht rechtzeitig oder nicht vollständig eingereicht hat, ist künftig ein angemessener Abschlag auf den Erstattungsbetrag zu vereinbaren.

Grüne und ABDA begrüßen höheres Apothekenhonorar

Michael Hennrich, Arzneimittelexperte der Unionsfraktion, verteidigte das Gesetz bei seiner heutigen Debatte im Bundestag. Die Kritik am Pharmadialog, dass die Parlamentarier nicht teilnehmen durften, ist aus Hennrichs Sicht nicht wirklich berechtigt. Denn: „Mit der Streichung der Preisvertraulichkeit bei Arzneimitteln haben wir als Parlamentarier gezeigt, dass wir stark genug sind, unsere eigenen Ausrufezeichen zu setzen.“ Das Gesetz sei letztlich nicht nur „Politik für Big Pharma“, sondern auch für den Mittelstand. Hennrich begrüßte ausdrücklich, dass das AMVSG mehr Qualität in die Arzneimittelversorgung bringe. Ein Beispiel dafür sei das Praxis-Informationssystem für neue Arzneimittel.

Karl Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, hob in seiner Rede hervor, dass die Regierungskoalition dafür gesorgt habe, dass die Preisvertraulichkeit aus dem Gesetz gestrichen wurde. „Geheimpreise gehören nicht in dieses Verfahren“, erklärte Lauterbach. Als einen „unerträglichen Zustand“ bezeichnete der SPD-Politiker die Lieferengpässe in Klinikapotheken. „Während in Apotheken fast alle Arzneimittel erhältlich sind, fehlen in Klinikapotheken gleich mehrere Medikamente regelmäßig.“ Dies sei ein unhaltbarer Zustand, der durch mehrere Neuregelungen im AMVSG aber „abgeschafft“ werde.

Schulz-Asche bezeichnet höheres Honorar als richtig

Die einzige Abgeordnete, die die Anpassung des Apothekenhonorars explizit begrüßte, war Kordula Schulz-Asche von den Grünen. Die Arzneimittelexpertin sagte, die Honorarerhöhung sei eine der wenigen „richtigen“ Maßnahmen im AMVSG. Ansonsten ließ sie kein gutes Haar an dem Gesetz. „Nach zwei Jahren Pharmadialog so ein Gesetz vorzulegen, ist ein schlechter Scherz.“ Unter anderem kritisierte sie die Abschaffung der Zyto-Verträge.  Sie mahnte an, „dass man bei einem Markt mit einem Umsatz von drei Milliarden Euro pro Jahr, darauf achten muss, dass die Korruptionsanfälligkeit wirklich ausgeschlossen ist.“

Die ABDA reagierte erfreut über den Beschluss des AMVSG. Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), erklärte dazu: „Das Herstellen von Rezepturen und die Dokumentation von Betäubungsmitteln gehören zu den wichtigsten Gemeinwohlpflichten der Apotheken. Sie können zwar nicht kostendeckend erbracht werden, aber für die Menschen vor Ort sind sie im Bedarfsfall unverzichtbar. Dass die Vergütung dieser Gemeinwohlaufgaben besser wird, stärkt die Arzneimittelversorgung in der Fläche insgesamt. Auch bei den Zytostatika hat die Politik den hohen Wert der wohnortnahen Versorgung und freien Apothekenwahl erkannt.“ Zum Verzicht auf die Impfstoff-Rabattverträge sagte Becker: „Wenn es gut läuft, dann haben wir zukünftig weniger Lieferengpässe bei Impfstoffen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Jubelperser an Meckertussi

von Karl Friedrich Müller am 10.03.2017 um 9:05 Uhr

der Jubel war ironisch gemeint.
Es wird transportiert, die Apotheken bekämen mehr Geld, dabei ist, wenn es nach dem Willen der SPD geht, das Gegenteil der Fall.
Außerdem haben Sie mit Ihren Ausführungen vollkommen recht. Wir bekommen noch nicht mal einen Ausgleich, geschweige denn eine "Erhöhung". Wir machen nur ein bisschen weniger Miese in bestimmten Bereichen.

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Meckertussi statt Jubelperser

von Christiane Patzelt am 09.03.2017 um 19:31 Uhr

Heruntergebrochen (brechen möchte ich viel in diesen Tagen) bedeutet das pro Monat € 416,- mehr Brutto pro Apotheke für defizitäre Rezepturen und einer Gebühr, die seit 1972 !! (korrigiert mich bitte, wenn es 1976 war..) mit 0,26 Cent festgelegt war! Ich soll mich als Mensch im Jahre 2017 über diese "Farce" und Ohrfeige (hier nimm das und halt das Maul) freuen? Ehrlich? Selbst Aschenbrödel bekam mehr als nur EINE Haselnuss!

Für meinen Betrieb bedeutet das, die Versorgung jedes vierten herzkranken Kindes ist nicht mehr mit Minus verbunden--all die anderen Kinder und ihre Kapseln stelle ich immer noch aus persönlicher Gemeinwohlpflicht kostenlos her.

Kann ich mir für die 416€ bitte eine neue ABDA kaufen?
Dann wäre das Geld wenigstens gut angelegt!

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Jubel

von Karl Friedrich Müller am 09.03.2017 um 17:44 Uhr

toll, davon dürfen wir 600 Mio an "gedeckelten" Boni wieder abgeben....
Der Staat verliert dabei 300 Mio Steuern von den deutschen Apotheken.
sooo doof...
Die Boni muss die KK bezahlen. Werden einfach mit dem Kassenrabatt verrechnet. Also nur noch 77 ct Rabatt pro Packung. Es ist schließlich eine Abgabe, die der Staat will. Also soll er sie auch bezahlen.

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