Analyse von Zahnstein

Neandertaler nutzten offenbar gezielt Arznei-Stoffe

Adelaide/Leipzig - 09.03.2017, 07:00 Uhr

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)

In Zahnstein von Neandertalern fanden Forscher Salicylsäure und Penicillium rubens. (Foto: hairymuseummatt / Wikimedia, CC BY-SA 2.0)


„Sehr spektakuläre“ Methodik der Wissenschaftler

Die Methodik der Forscher sei „sehr spektakulär“, sagt Jean-Jacques Hublin, der nicht an der Studie beteiligt war. „Bisher haben wir anhand stabiler Isotope in den Knochen oder aus der Analyse von Rückständen unter dem Mikroskop auf die Ernährung von Neandertalern geschlossen“, sagt der Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. „Nun können wir anhand der extrahierten DNA die Nahrung bis auf die genaue Spezies bestimmen.“

Insgesamt analysierte das Team Erbgut aus dem Zahnstein von vier Neandertalern: Zwei davon stammten aus der Höhle El Sidrón in der nordspanischen Region Asturien. Dort fanden Forscher 1994 etwa 2500 Knochenstücke von mindestens 13 Neandertalern, die vor etwa 49.000 Jahren lebten. Zwei weitere, ähnlich alte Proben stammen aus der Spy-Höhle in Belgien.

Indem die Wissenschaftler die gefundenen Erbgutschnipsel mit den Genomen von Lebewesen in großen Datenbanken verglichen, konnten sie die DNA-Stücke einzelnen Gattungen und Arten zuordnen. Die Analysen zeigten, dass sich die Mundfloren der belgischen und spanischen Neandertaler deutlich voneinander unterschieden.

Wollnashörner oder Pilze als Nahrung

Demnach hatten die Neandertaler, die im heutigen Belgien lebten, erwartungsgemäß viel Fleisch gegessen, etwa von Mufflons und Wollnashörnern. Dazu gab es wildwachsende Pilze. Der Neandertaler „El Sidrón 1“ aus Spanien hingegen, der wegen seines guten Erhaltungszustands besonders eingehend analysiert wurde, ernährte sich überraschenderweise anscheinend vegetarisch. Hinweise auf Fleisch enthielten seine Zähne nicht. Stattdessen standen auf seinem Speiseplan unter anderem Pinienkerne, der Pilz Gemeiner Spaltblättling (Schizophyllum commune) und das Kleine Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens).

Das ist erstaunlich, hatte man den Urmenschen bislang doch eine stark fleischbasierte Kost nachgesagt – nicht zuletzt, weil sich an den Fundstellen reichlich Rückstände von Tieren fanden. Doch der Befund überzeugt den Experten Hublin nicht davon, dass manche Neandertaler vegetarisch lebten: Die Höhle El Sidrón enthalte sogar Hinweise darauf, dass Urmenschen dort von anderen Neandertalern verspeist worden seien.



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