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- Impfen in der Mundhöhle
Können Patienten sich eines Tages mit einem nadellosen Mini-Device in Pillen-Größe selbst impfen? Wissenschaftler von der kalifornischen Berkeley-Universität haben ein solches Gerät entwickelt. Ein Stoß mit dem MucoJet soll zur Immunität verhelfen.
Die Mundhöhle ist zwar reich an Immunzellen, kommt aber in der Immunologie bislang nicht so recht zum Zug. Der Grund: Die dicke Schleimhautschicht in der Bukkalregion kann mit bestehenden Technologien wie zum Beispiel oralen Sprays, die für eine Influenza-Impfung verwendet werden (in Deutschland nicht erhältlich), kaum effizient durchdrungen werden. Dabei wäre die Immunität dort besonders wichtig, weil viele Infektionen über die orale Aufnahme in den Körper eindringen. Dieses Hindernis kann mit einer speziellen Technologie überwunden werden, die Forscher von der Berkeley-Universität von Kalifornien entwickelt haben, dem MucoJet.
Ihre Studie wurde in der Zeitschrift Science Translational Medicine veröffentlicht.
Der Aufbau von MucoJet
MucoJet ist ein 15 mal 7 Milimeter großes zylindrisches Kunststoffgerät, dessen feste Bestandteile aus einem kostengünstigen biokompatiblen und wasserabweisenden Kunststoffharz 3D-gedruckt werden. Es besitzt zwei Komponenten: Das Außenfach beinhaltet 250 Milliliter Wasser, der Innenraum besteht aus zwei Reservoirs, die durch eine poröse Plastikmembran und einen beweglichen Kolben voneinander getrennt sind. Eines davon ist das Impfstoffreservoir, das an einem Ende eine 100 ml-Kammer mit der Impfstofflösung und dem Kolben und am anderen Ende eine abgedichtete Abgabedüse mit einem Durchmesser von 200 Mikrometer enthält. Der andere Innenraum ist das Treibmittelreservoir. Es beinhaltet ein trockenes chemisches Treibmittel (Zitronensäure und Natriumbicarbonat) und ist an einem Ende durch die poröse Membran und den Kolben von dem Impfstoffreservoir getrennt. Am anderen Ende ist es mit einer löslichen Membran zu dem Außenfach mit dem Wasser abgedichtet.
Wie funktioniert der MucoJet?
Zur Verabreichung des Impfstoffs über den MucoJet klickt ein Patient die Innen- und Außenfächer zusammen. Die Membran zwischen dem Außenfach und dem Treibmittelreservoir löst sich, und das Wasser kommt mit dem chemischen Treibmittel in Kontakt. Die daraus resultierende chemische Reaktion erzeugt Kohlendioxidgas. Das Gas erhöht den Druck in der Treibkammer, wodurch sich der Kolben bewegt. Ist der Druck des Kolben auf das Impfstoffreservoirs groß genug, so bricht dessen Düsendichtung auf. Die Impfstofflösung wird aus der MucoJet-Düse ausgestoßen, dringt in die Schleimhautschicht des bukkalen Gewebes ein und liefert den Impfstoff an die darunter liegenden Impfstoffziele, die Antigen-präsentierende Zellen. „Der Druck des Jets ist ähnlich zu einem Wasser-Pick, den Zahnärzte verwenden", erklärt Kiana Aran, die die Technologie entwickelt hat.
Geht leicht durch die Schleimhaut
Um das Abgabesystem im Laborversuch zu testen, haben die Forscher ein Modell mit Schleimhautschichten und bukkalen Geweben von Schweinen entworfen und versucht, hierin das immunstimulierende Protein Ovalbumim zu verabreichen. Die Experimente zeigten eine achtfache Zunahme der Abgabe von Ovalbumin im Laufe von drei Stunden im Vergleich zu einem Kontrollversuch mit der Verabreichung von Ovalbumim über einen Tropfer, was etwa der Gabe von oralen Impfstoffen, zum Beispiel gegen die Grippe ähnelt. Die Forscher testeten auch unterschiedliche Drücke des Impfstoffstrahls und stellten fest, dass die Effizienz der Abgabe sich mit der Erhöhung des Drucks verbesserte. „Der Druck ist sehr konzentriert, der Durchmesser des Strahls ist sehr klein, und so geht der Stoff leicht durch die Schleimhaut-Schicht.“ sagt Aran.
In einem weiteren Test gelang der Versuch auch mit bukkalen Gewebe in Kaninchen. Dort führte die Abgabe über den MucoJet zu einer siebenfachen Zunahme der Menge an Ovalbumin im Vergleich zu Kontrollversuchen mit Tropfern. Tiere, die mit Ovalbumin aus dem MucoJet behandelt wurden, hatten Schlüsselantikörper in ihrem Blut, die um drei Größenordnungen höher waren als im Blut von Kaninchen, die mit Ovalbumin durch einen Tropfer behandelt wurden.
Ein Lutscher zum Impfen
Im nächsten Schritt wollen die Forscher den MucoJet nun mit einem echten Impfstoff an größeren Tieren testen. In fünf bis zehn Jahren könnte das Gerät verfügbar sein, so hoffen sie. Das intelligente Gerät könnte aber noch mehr Potenzial haben: So denken die Wissenschaftler an eine Version, die verschluckt werden könnte, um Impfstoffe intern freizusetzen. Außerdem erwägen sie andere Formen und Größen, mit denen Verabreichungswege vereinfacht und die Patienten-Compliance erhöht werden könnte, besonders bei Kindern. „Stellen Sie sich vor, wir könnten den MucoJet in einen Lutscher einbringen“, sagt Aran. „Die Kinder müssten dann nicht mehr in eine Klinik gehen, um geimpft zu werden.“
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