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Gröhe, Steffens und Overwiening zum Rx-Versandverbot
Die SPD im Apotheker-CDU-Grünen-Shitstorm
Wenn sich Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion am heutigen Samstag in die Münsterlandhalle verirrt haben, werden sie keinen schönen Vormittag erlebt haben. Denn auf dem westfälisch-lippischen Apothekertag trafen sich heute Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, die NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens und Apotheker, um sich über das Verhalten der Sozialdemokraten beim Rx-Versandverbot auszulassen.
An diesem Wochenende findet im nordrhein-westfälischen Münster der sechste westfälisch-lippische Apothekertag (WLAT) statt. Ausrichter ist die Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Wie bei den letzten Ausgaben des WLAT hat sich auch in diesem Jahr die Spitzenpolitik angemeldet: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erschien ebenso wie die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne).
Doch den Anfang der politischen Reden legte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening mit einer rhetorisch brilliant performten Rede hin. Gleich zu Beginn fand sie für das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung eine Metapher, die die ganze Halle zum Lachen brachte. Mit Blick auf die Begründung des EuGH, nach der EU-Versandapotheken gegenüber deutschen Vor-Ort-Apotheken benachteiligt seien und der Preiswettbewerb daher die einzige Wettbewerbsmöglichkeit sei, sagte Overwiening: „Stellen Sie sich vor, dass niederländische Fußballer ab sofort in allen Spielen gegen Deutschland nicht mehr nur mit Kopf und Fuß spielen dürfen. Nein, damit sie auch wirklich ein Tor erzielen, dürfen sie auch mit den Händen ein Tor erzielen. Deutsche Fußballer werden gleichzeitig bestraft, wenn sie werfen.“
Overwiening attackiert SPD-Bundestagsfraktion
Overwiening bezeichnete das EuGH-Urteil als „absurd“. Es sei nicht verständlich, dass das Gericht Arzneimittel als ordinäre Ware sehe. „Wer so argumentiert, hat die Grundprinzipien des deutschen Gesundheitswesens nicht verstanden. Die GKV ist nach dem Solidaritätsprinzip organisiert. Wenn jemand etwas benötigt, dann soll er es nicht er- oder verhandeln.“ Es sei absolut unverständlich, dass sich zuzahlungsfreie Patienten nach dem EuGH-Urteil bei EU-Versendern „was dazu verdienen“ könnten.
Overwiening attackierte die SPD-Bundestagsfraktion, die das Rx-Versandverbot seit Monaten blockiert, scharf. „Auch wenn sie derzeit an Selbstbewusstsein zulegen, sind sie immer noch Teil dieser Bundesregierung, die sich dadurch auszeichnet, Probleme ernst zu nehmen. Vertagen Sie das Problem nicht, versuchen Sie nicht, Zeit zu gewinnen!“ Overwiening forderte die SPD-geführten Bundesministerien und die SPD-Bundestagsfraktion auf, den Widerstand aufzugeben und dem vom Bundesgesundheitsministerium vorgelegten Entwurf zum Rx-Versandverbot zuzustimmen.
Gröhe ist sauer auf SPD
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stimmte seiner Vorrednerin bedingungslos zu. Schon nach einem seiner ersten Sätze hatte Gröhe die mit Apothekern gefüllte Halle kurz vor Standing Ovations. Gröhe sagte: „Sie Apotheker sind für viele Menschen der erste Ansprechpartner im Gesundheitswesen. Was sich bewährt hat, müssen wir erhalten. Die Apothekenpflicht für Arzneimittel, das Fremd- und Mehrbesitzverbot und viele andere Regelungen sind wichtige Eckpfeiler einer guten Versorgung. Wir brauchen mehr Wertschätzung von Beratung und nicht mehr Relativierung von Beratung.“
Gröhe erklärte weiterhin, dass er sich auch als Jurist sehr über das EuGH-Urteil geärgert habe. „Leider müssen wir uns nach diesem Urteil grundsätzlich damit auseinandersetzen, welche Rolle sich der EuGH in der Gesundheitsversorgung anmaßt.“ Das Urteil lasse schlichtweg kein milderes Mittel als das Rx-Versandverbot mehr zu. Erneut beschuldigte er auch die EU-Versender dafür, einen „Kompromiss“ aufgekündigt zu haben. Konkret bemängelt der Minister, dass es eine Übereinkunft darüber gegeben habe, dass der Rx-Versand zwar erlaubt sein könne, die Preisbindung aber gleichzeitig erhalten bleibe. „Sie haben das aufgekündigt“, sagte Gröhe in Richtung DocMorris. Und weiter: „Deswegen müssen wir das Verbot zum Schutz der Apothekenlandschaft jetzt durchsetzen.“
„Apothekenminister“ ist für Gröhe keine Beschimpfung
Schließlich attackierte auch der CDU-Minister die SPD aufs Schärfste. „Ich bin schon sehr überrascht, dass unser Koalitionspartner, der sich sonst für Solidarität einsetzt, jetzt die Marktradikalität einfordert.“ Für diesen Satz erntete der Gesundheitsminister erneut heftigen Beifall der Apotheker. Wenig beeindruckt zeigte sich Gröhe von der persönlichen Kritik an ihm. In Medienberichten und von seinen politischen Gegnern sei er als „Apothekenminister“ bezeichnet worden. Gröhe dazu: „Ich empfinde das nicht als Beschimpfung.“ Erneut bebender Beifall. Weil die Erhaltung der Apothekenstruktur aber in erster Linie den Versicherten zu Gute komme, sehe er sich in erster Linie als „Versichertenminister“.
Letztlich ging Gröhe auch seine Kollegin Brigitte Zypries (SPD) aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) an. „Ich würde mir wünschen, dass das BMWi bei der Rettung von 150.000 Beschäftigten in Apotheken die gleiche Leidenschaft hinlegte, wie bei der Rettung von circa 16.000 Tengelmann-Mitarbeitern.“ Zur Erklärung: Der ehemalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte seine Ministererlaubnis benutzt, um einer Fusion der Supermarktriesen Edeka und Kaisers/Tengelmann zu genehmigen. Eine seiner Auflagen: Die Tengelmann-Jobs müssten alle erhalten bleiben.
Spielt die SPD auf Zeit?
Doch damit nicht genug: Gröhe erklärte, dass es derzeit nur am BMWi liege, dass das Notifizierungsverfahren auf EU-Ebene zum Rx-Versandverbot noch nicht eingeleitet sei. Gröhe erklärte, dass er das Notifizierungsverfahren einleiten könne, sobald alle Ministerien zustimmten. Nochmals stellte er auch klar, dass die Kritik des Wirtschaftsministeriums aus seiner Sicht nicht berechtigt ist: „Wir haben das geprüft, es gibt keine milderen Mittel.“ Es folgte Gröhes letzter Satz zum Rx-Versandverbot, der gleichzeitig auch der Höhepunkt seiner Rede werden sollte: „Ich rate allen SPD’lern, die derzeit noch wacker auf der Suche nach irgendwelchen Alternativen sind: Sie werden nichts finden, beenden Sie diese Suche!“
Trotz politischer Nähe zwischen der SPD und den Grünen stimmte auch die NRW-Gesundheitsministerin lauthals ins SPD-Bashing ein. Die Initiative im Bundesrat habe gezeigt, dass man ganz unabhängig von der Parteifarbe erkannt habe, dass man die Apothekenstruktur nur mit dem Rx-Versandverbot schützen könne. In Richtung SPD-Bundesministerien erklärte Steffens: „Ich finde es zutiefst bedenklich, dass sie dem EU-Notifizierungsverfahren immer noch im Wege stehen. Ich habe das ungute Gefühl, dass da Prozesse auch einfach ausgesessen werden. Allen Kräften, die sich gegen das Verbot richten, kann ich nur sagen: Sie steuern uns in eine unklare Situation!“
Erneut betonte Steffens auch, dass die Unterstützung des Versandhandels für sie nichts mit dem „Zeitgeist“ zu tun habe. „Der Zeitgeist ist für uns kein Selbstzweck. Er kann nicht als Argument benutzt werden, um verlässliche Strukturen zu zerstören, die seit Jahrhunderten funktionieren. Wir brauchen die Apotheken. Wir brauchen keinen Zeitgeist, sondern Verlässlichkeit, Sicherheit und Wohnortnähe.“
10 Kommentare
Rx-Versandverbot
von L. Sievers am 21.03.2017 um 15:06 Uhr
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Herr Mann und seine SPD
von Heiko Barz am 21.03.2017 um 12:36 Uhr
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Ach liebe Leute
von Michael Mann am 20.03.2017 um 9:05 Uhr
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AW: Mannomann
von G. Wagner am 20.03.2017 um 18:52 Uhr
AW: Ach liebe Leute denkt doch nur mal weiter ...
von Christian Timme am 20.03.2017 um 22:47 Uhr
SPD
von Ingo Klein am 18.03.2017 um 22:11 Uhr
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Frau Steffens ...
von gabriela aures am 18.03.2017 um 20:53 Uhr
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AW: Frau Steffens
von Heiko Barz am 19.03.2017 um 17:29 Uhr
Geister kommen ... und gehen ... auch in 2017.
von Christian Timme am 18.03.2017 um 20:18 Uhr
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Fussball
von Erik Modrack am 18.03.2017 um 19:13 Uhr
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