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Arzneimittelsicherheit
Wie können die Nebenwirkungen von Cannabis reduziert werden?
Der weltweite Cannabiskonsum steigt und damit auch die behandlungsbedürftigen Nebenwirkungen. Das belegen Daten aus den USA und Großbritannien, wie eine Literaturrecherche der Fachzeitschrift The Lancet zeigt. Die Arbeit untersucht auch die Frage, ob und wie sich die Sicherheit von Cannabiskonsumenten verbessern lässt.
In der vom britischen
Medical Research Council geförderten Arbeit mit dem Titel „Can we make cannabis
safer?“ stellt das Autorenteam die Ergebnisse einer
Literaturrecherche vor, mit deren Hilfe sie einen Überblick über den aktuellen
Wissensstand zur Sicherheit von Cannabiskonsumenten gewinnen wollten. Anlass
dazu gab der weltweit steigende Verbrauch und die zunehmende Legalisierung von
Cannabis. Obwohl sich die Daten hauptsächlich auf den Gebrauch von Cannabis als
Droge beziehen, sind die Ergebnisse auch für die therapeutische Nutzung von
Cannabis relevant. Denn ganz gleich in welchem Zusammenhang Cannabis verwendet
wird, das Ziel sollte sein, behandlungsbedürftige Nebenwirkungen zu reduzieren.
Problem: Zunehmender THC-Gehalt bei Cannabis
Die Forschungsgruppe um Amir Englund, der sich auf die Cannabisforschung spezialisiert hat und am Psychiatrie-Institut des King’s College in London arbeitet, hält fest, dass Cannabis mit einem hohen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) das Risiko für Abhängigkeit, Psychosen und kognitive Veränderungen erhöht. Im Gegensatz dazu sinkt das Risiko für diese Nebenwirkungen, je höher der Gehalt an Cannabidiol (CBD) ist. CBD gilt als potenziell therapeutische Komponente von Cannabis, weil es Hinweise darauf gibt, dass es die negativen Effekte von THC abmildern kann.
Anlass zur Sorge bietet die Entwicklung auf dem Cannabismarkt, denn es gibt eine Tendenz zu steigenden THC-Gehalten. Hier sieht man im Durchschnitt weltweit eine Verdopplung, wenn man die vergangenen vier Jahrzehnte betrachtet, wohingegen der CBD-Gehalt ungefähr gleichgeblieben ist, nämlich niedrig bis nicht nachweisbar. Verantwortlich dafür sind systematische Hochzüchtungen der Cannabispflanzen für den illegalen Verkauf und die Beliebtheit der Anbaumethode Sinsemilla, die samenlose Cannabispflanzenhervorbringt sich durch hohe THC-Konzentrationen auszeichnet.
Auch neue Extraktionsverfahren sind problematisch, sie führen teilweise zu THC-Konzentrationen von 75 Prozent. Dazu kommt der Trend zu künstlich erzeugten Cannabinoiden, die schwere Nebenwirkungen hervorrufen können, bis hin zum Tod.
Wie wirkt sich der THC- und CBD-Gehalt auf die Nebenwirkungen aus?
Diese Entwicklungen zeigen sich in einem Anstieg der behandlungsbedürftigen Nebenwirkungen. 56 Prozent mehr Erwachsene begaben sich zwischen 2006 und 2014 in Großbritannien nach Cannabiskonsum in Behandlung, bei den unter 18-Jährigen waren es 51 Prozent mehr. Auch in den USA sieht man einen Anstieg von Problemen, die mit Cannabiskonsum in Verbindung stehen.
Dazu gehört eine stärkere Abhängigkeit, begleitet von Gedächtnisstörungen und Wahnvorstellungen, im Vergleich zu Cannabis mit niedrigerem THC-Gehalt. Außerdem steigt das Risiko für psychotisches Erleben, besonders für Menschen, bei denen bereits eine Psychose oder Schizophrenie diagnostiziert wurde. Die Forscher fanden Hinweise darauf, dass gerade bei dieser Konsumentengruppe sowohl negative als auch positive Effekte der Droge stärker wahrgenommen werden. Auch die kognitiven Leistungen leiden bei regelmäßigem Cannabiskonsum. Dazu zählten zielgerichtete Gedächtnisleistungen, visuelle Wiedererkennung sowie Funktionen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses.
All diese Nebenwirkungen können mit hohen THC-Gehalten in Verbindung gebracht werden. Interessant ist, dass sich negative Effekte auf die Kognition nach spätestens vier Wochen abschwächen können, sobald Cannabis mit einem höheren CBD-Gehalt im Verhältnis zu THC konsumiert wird sowie bei Cannabisabstinenz. Verschiebt sich das THC-CBD-Verhältnis zugunsten von CBD, haben Konsumenten dennoch ein High-Erlebnis. Das ist wichtig zu wissen, denn Schutzmaßnahmen, die zu einer höheren CBD-Konzentration führen, können nur greifen, wenn die erhoffte Wirkung der Droge auch einsetzt.
Was kann die Sicherheit von Cannabiskonsumenten verbessern?
Die Autoren der Arbeit empfehlen im Hinblick auf die zunehmende Liberalisierung von Cannabis, dass Forscher, Kliniker und gesetzgebende Instanzen stärker zusammenarbeiten, um nach alternativen und neuen Wegen zur Verbesserung der Konsumentensicherheit zu suchen.
Für die wichtigste Maßnahme halten sie, Cannabis nicht mit Tabakrauchen zu kombinieren, weil so das Risiko für stärkere Abhängigkeit steigen kann. Rauchfreie Verdampfer sind eine denkbare Alternative. Den THC-Gehalt auf 15 Prozent zu begrenzen, wie es die Niederlande und Uruguay bereits tun, halten sie zwar für sinnvoll, wünschen sich dazu jedoch weitere Forschung, weil nicht ganz klar ist, was ein höherer THC-Gehalt genau bewirkt. Hätte man darüber gesicherte Erkenntnisse, könnte man daraus Cannabis-Richtlinien entwickeln und beispielsweise eine THC-abhängige Steuer einführen.
Vor allem aber braucht es ein besseres Verständnis darüber, wie genau sich eine Verschiebung des CBD-THC-Gehalts bei Cannabis auswirkt. Je nachdem, wie Cannabis konsumiert wird, können die Effekte variieren. Bisher liegen dazu zu wenige randomisiert kontrollierte Studien vor. Sicher ist nur: Cannabis mit hohem THC-Gehalt zu rauchen, birgt das größte Risiko.
Cannabis als Medizin: Was ist für Deutschland wichtig?
Mehr gesicherte Erkenntnisse könnten zu einer Strategie führen, die die Nebenwirkungen von Cannabis nachweislich senkt. Das wäre auch für Deutschland wichtig, nicht nur weil der Cannabiskonsum unter Jugendlichen steigt, wie eine Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2015 ergab. Wichtig auch, weil seit dem 10. März 2017 Cannabis für den medizinischen Einsatz unter bestimmten Bedingungen erlaubt ist. Die therapeutische Nutzung von Cannabis unterscheidet sich zwar stark vom Rauschmittelkonsum, doch in allen Fällen fehlt es an Evidenz darüber, welches THC-CBD-Verhältnis die Sicherheit der Konsumenten am ehesten gewährleistet.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, ob die Cannabisagentur in der geplanten Begleiterhebung zu den neuen Regelungen von Cannabisarzneimitteln Daten zum Wirkstoffgehalt erheben wird. Dieser schwankt in den angebotenen Sorten, wie man dieser Tabelle entnehmen kann. Auf Nachfrage konnte die Agentur dazu aber keine Angaben machen, da das Bundesgesundheitsministerium die Rechtsverordnung noch nicht erlassen hat, in der Verfahren und Inhalt der Begleiterhebung geregelt sind. Das wird erst im Laufe der kommenden drei Monate geschehen.
Dennoch äußert sich die Cannabisagentur gegenüber verordneten Ärzten zur Sicherheit der Cannabis-Therapie. Auf ihrer Website heißt es: „Wie bei anderen Naturprodukten auch, schwankt der Gehalt der Inhaltsstoffe in den einzelnen Produkten. Die Schwankungsbreite wird jedoch durch die Definition in der Monographie zu Cannabis begrenzt. Da Cannabis nach bisher vorliegenden wissenschaftlichen Informationen eine relativ hohe therapeutische Breite besitzt, sollten Schwankungen der Wirkstoffgehalte im Akzeptanzbereich – wenn überhaupt – nur geringe Auswirkungen auf Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie mit diesen Produkten haben.“ Und auf die Frage, ob sich Apotheker am THC- und CBD-Gehalt der Cannabisblüten orientieren sollten, liest man: „Die Abgabe richtet sich nach den Angaben auf dem Rezept. Ärztinnen und Ärzte müssen die Sorten angeben.“
2 Kommentare
Nebenwirkungen
von Stevan Menicanin am 24.03.2017 um 1:11 Uhr
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Cannabis: Was man weiß, was man wissen sollte
von woewe am 21.03.2017 um 13:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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