Offene Rechnungen zu Cabometyx

Streit um Preismoratorium bedroht Apotheken

Hamburg / Bremen - 22.03.2017, 13:30 Uhr

Das 2016 in den Markt eingeführte Cabometyx wird gegen Nierenkrebs eingesetzt und befindet sich derzeit in der frühen Nutzenbewertung (Foto: Ipsen Pharma)

Das 2016 in den Markt eingeführte Cabometyx wird gegen Nierenkrebs eingesetzt und befindet sich derzeit in der frühen Nutzenbewertung (Foto: Ipsen Pharma)


Fällt Cabometyx unter das Preismoratorium oder nicht? Diese Frage kann einige Apotheken zehntausende Euro kosten. Denn wenn der Hersteller den fälligen Rabatt nicht zahlt, kann diese Rechnung auf die Apotheken zukommen. 

Bei Apotheken, die regelmäßig Patienten mit dem Präparat Cabometyx (Wirkstoff Cabozantinib) gegen fortgeschrittenen Nierenzellkrebs versorgen, kommen große Sorgen auf. Der Anlass ist ein Schreiben des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) an Apotheken, für die zwischen November 2016 und Januar 2017 Rezepte mit Cabometyx abgerechnet wurden. Das NARZ informierte die Apotheken nun, dass der Hersteller Ipsen Pharma die vorgesehenen Preismoratoriumsrabatte für Cabometyx in diesem Zeitraum nicht bezahlt habe. Doch das Rechenzentrum hat die Rabatte mit den Krankenkassen abgerechnet. Je nach Stärke geht es dabei um einen Betrag von bis zu etwa 5.000 Euro pro Packung. Bei einzelnen Apotheken kommen dabei Beträge von über 25.000 Euro zustande. Das Rechenzentrum hat die betroffenen Apotheken nun informiert, dass die bisherigen Lösungsversuche mangels der Gesprächsbereitschaft des Herstellers gescheitert seien. Das Rechenzentrum werde weiter versuchen die offenen Beträge zu erhalten. Doch als ultima ratio müssten die Apotheken belastet werden, heißt es in dem Schreiben des NARZ. Dabei beziehen sich die genannten Beträge nur auf die Zeit bis einschließlich Januar. Wenn regelmäßig Patienten versorgt werden, dürfte der ausstehende Betrag inzwischen weiter angewachsen sein. 

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Der NARZ-Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue erklärte dazu gegenüber DAZ.online, dass das NARZ und andere ebenso betroffene Rechenzentren die Beträge bisher kreditieren. Das sei aber keine Lösung. Entscheidend ist für Graue: „Das Problem darf nicht auf dem Rücken der Apotheker ausgetragen werden.“ Graue betonte, dass einzelne Apotheken dadurch im schlimmsten Fall in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Insgesamt hätten nur etwa 50 Kunden des NARZ das Produkt abgegeben. Doch wer einen solchen Verordner in der Nähe hat, könne bald mit 100.000 Euro betroffen sein. 

Strittige Einstufung

Den Hintergrund des Problems beschrieb Joachim Koops, Geschäftsführer der Ipsen Pharma, gegenüber DAZ.online. Es geht um zwei verschiedene Zubereitungen des Multikinase-Inhibitors Cabozantinib mit unterschiedlichen Zulassungen. Für Cometriq gegen das medulläre Schilddrüsenkarzinom wurde nach der frühen Nutzenbewertung ein Preis verhandelt. Das 2016 in den Markt eingeführte Cabometyx wird gegen Nierenkrebs eingesetzt und befindet sich derzeit in der frühen Nutzenbewertung. Aufgrund der guten Ergebnisse bei dieser Indikation habe der Hersteller den Preis deutlich höher als für Cometriq angesetzt. Doch bis ein Preis verhandelt werde, betrachte der GKV-Spitzenverband beide Produkte als gleich und weise damit für die verschiedenen Stärken von Cabometyx Preismoratoriumsrabatte in Höhe von mehreren tausend Euro aus. Dieser Einschätzung widerspreche der Hersteller, weil er aufgrund unterschiedlicher Herstellungsabläufe von zwei verschiedenen Produkten ausgehe.

Gegenüber DAZ.online äußerte Koops Verständnis für die Probleme der Apotheker und erklärte: „Ipsen Pharma ist sich der Situation bewusst und sie ist uns sehr unangenehm, weil wir aus unserer Sicht nichts dafür können. Selbstverständlich werden wir den Betroffenen die entstandenen Nachteile erstatten, wenn wir uns mit unserer Preissetzung nicht durchsetzen.“ Die betroffenen Apotheken seien durch die Direktbestellung und die Abrechnungen der Rechenzentren zu identifizieren.  


Cabozantinib

Die antitumorale Wirkung von Cabozantinib beruht auf der Hemmung verschiedener Tyrosinkinasen, die an der Entstehung und am Wachstum von Tumoren sowie an der Angioneogenese beteiligt sind, darunter  MET- (Hepatozyten-Wachstumsfaktor-Rezeptorprotein), VEGF (vaskulärer endothelialer Wachtumsfaktor), RET, der GAS6-Rezeptor (AXL), der Stammzellfaktor-Rezeptor (KIT) und die Fms-artige Tyrosinkinase-3 (FLT3). 

Cabozantinib wird oral verabreicht. Als Substrat von CYP3A4 besteht ein Potenzial für Arzneimittel-Wechselwirkungen. Anwendungsgebiete sind das fortschreitende, metastasierende, medulläre Schilddrüsenkarzinom sowie das fortgeschrittenene Nierenzellkarzinom.

Handelsnamen:  Cabometyx (Nierenzellkarzinom), Cometriq (Schilddrüsenkarzinom)

Überfällige Zahlungen 

Demgegenüber verweist Graue auf die bestehende Einstufung und die Rechtslage, die den Hersteller jetzt zur Zahlung verpflichte. Die Apotheken dürften nicht in den Ruin getrieben werden. Für Streitigkeiten über die Einstufungen verweist Graue auf das dafür vorgesehene Korrekturverfahren nach den Rahmenvereinbarungen gemäß § 129 SGB V. Doch nach Informationen des NARZ sind die dafür zuständigen Stellen beim GKV-Spitzenverband damit bisher nicht befasst.

Fragen für Betroffene

Nachdem die betroffenen Apotheker von dem Problem erfahren haben, stellen sich für sie drängende praktische Fragen. DAZ.online sprach darüber mit Christine Bezold-Hornek, der Inhaberin der Michel-Apotheke in Hamburg. Wegen des Kontrahierungszwangs kann sie die Versorgung nicht ablehnen. Das Arzneimittel musste sie für ihre Stammkundin erst kürzlich wieder direkt bestellen. Nun sehe sie sich mit der Rechnung des Herstellers konfrontiert und habe gleichzeitig selbst höhere Forderungen gegenüber dem Hersteller aus den Preismoratoriumsrabatten. Doch wie soll sie damit umgehen? Betzold-Hornek sieht sich überfordert von der Inkassofunktion, die das System ihr als Apothekerin zugewiesen hat. Ebenso wie Graue hofft sie daher darauf, dass der Hersteller schnellstens das Korrekturverfahren einleitet, um allen Beteiligten Rechtssicherheit zu geben und die Apotheken vor Belastungen zu schützen, die sie nicht zu verantworten haben.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Unfassbar,

von Gerrit Linnemann am 25.03.2017 um 12:29 Uhr

so etwas gibt es nur im Apothekenbereich, dass ein unbeteiligter Dritter mit seiner Existenz für die Streitigkeiten Anderer haftet,,,

Mein Rechtsempfinden hat durch die spitzfindigen Retaxen, dem belohnten Verhalten von DoMo damit einen weiteren Knacks bekommen ..

aber Hauptsache, der Spargeldampfer fährt...

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