Erstattungsbeträge

Mischpreise auf dem Prüfstand

Berlin - 24.03.2017, 13:10 Uhr

Dürfen Ärzte künftig nur noch bestimmten Patienten neue Arzneimittel verordnen? (Foto:  Henrik Dolle / Fotolia)

Dürfen Ärzte künftig nur noch bestimmten Patienten neue Arzneimittel verordnen? (Foto: Henrik Dolle / Fotolia)


Verordnungsausschlüsse befürchtet – Franke will nachbessern

Der Schiedsstellen-Vorsitzende Wasem twitterte nach der Entscheidung, „Mischpreise bei ‚gemischter‘ G-BA-Nutzenbewertung sollten m.E. in § 130b (SGB V, Anm. d. Red.) verankert werden. Ansonsten massenweise Verordnungsausschüsse“.

Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sprach von einem „Beschluss, der direkte Auswirkungen auf die Versorgungsrealität haben könnte und damit katastrophal wäre für Patienten und Ärzte“. Laut BPI wäre hiervon rund ein Fünftel aller im AMNOG bewerteten Arzneimittel betroffen. Bei diesen Arzneimitteln könnte sich der Arzt bei etwa jedem dritten Patienten nicht mehr sicher in seiner Verordnungsentscheidung sein. Zentgrafs Forderung: „Der Gesetzgeber muss endlich klarstellen, dass der verhandelte oder durch Schiedsspruch festgelegte Erstattungsbetrag auch bei Bildung von Mischpreisen über das gesamte zugelassene Indikationsgebiet wirtschaftlich ist.“

Auch der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) meldete dringenden Handlungsbedarf an: Der Gesetzgeber sollte insbesondere klarstellen, dass die Verhandlungspartner und die Schiedsstelle hinreichend Spielraum behalten. Es brauche Flexibilität, um jedem Einzelfall gerecht zu werden und eine funktionale Verhandlungslösung zu finden. Der vfa ist überzeugt: Mischpreise bilden bisher das Erfolgsrezept des AMNOG, da sie den Anspruch aller Patienten auf die für sie individuell besten Arzneimittel sicherten.

Franke: So ist das nicht gewollt!

In der SPD zeigt man sich für die Forderung der Industrie bereits grundsätzlich offen. Beim parlamentarischen Abend des BPI am 22. März in Berlin, erklärte Edgar Franke, Vorsitzender des Gesundheitsschusses des Bundestages, ein Verordnungsausschluss für Arzneimittel, bei denen sich möglicherweise erst später die Evidenz zeige, sei nicht gewollt. „Wir werden verhindern, dass diese Rechtsprechung das Recht der Praxis wird“. Wenn ein solches Urteil auf Grundlage bestehender Gesetze so gefällt werde, müsse das Gesetz eben geändert werden. Er betonte zudem: Das mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz beschlossene Arztinformationssystem soll nicht auf das hinauslaufen, was das Landessozialgericht jetzt entschieden hat. Die Wirtschaftlichkeit müsse hier zwar eine Rolle spielen – die Therapiehoheit des Arztes müsse aber Priorität haben. Überstürzen will Franke allerdings nichts: Erst wenn höchstrichterliche Rechtsprechung in der Hauptsache das Landessozialgericht bestätige, müsste gehandelt werden.

Überrascht über Frankes Aussagen zeigte sich Michael Hennrich, Gesundheitsexperte der CDU. Würde ins Gesetz geschrieben, dass Mischpreise per se wirtschaftlich sind, so wäre dies ein Bruch mit der Systematik des SGB V, meint er. Der Erstattungspreis sei eben nicht immer wirtschaftlich. Gegenüber DAZ.online sagte Hennrich, es gebe auch andere Optionen – insbesondere könne man den Vertragsparteien den Verhandlungsspielraum erweitern, um Wirtschaftlichkeit herzustellen. Hier befinde sich die Union derzeit in einem Prüfprozess.

Nun heißt es jedoch erst einmal abwarten, wie es im Hauptsacheverfahren weitergeht.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2017, Az.: L 9 KR 437/16 KL ER



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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