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Katja Leikert (CDU)
„Eigentlich sind Apotheken doch wie Reisebüros“
Am Vorabend der eventuellen Entscheidung im
Versandhandels-Konflikt haben die Kritiker des Rx-Versandverbotes noch einmal
zum Rundumschlag ausgeholt. Bei einer Veranstaltung des Digitalverbandes
Bitkom hielt Katja Leikert (CDU), bekennende Gegnerin des Rx-Versandverbotes, einen kurzen Vortrag mit anschließender Diskussion. Das sachliche Niveau, auf dem die Unterhaltung geführt wurde, war ernüchternd.
Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (kurz: Bitkom) war am gestrigen Dienstagabend Ausrichter der Veranstaltung „Die Zukunft der Arzneimittelversorgung". Geladen waren Katja Leikert (CDU-Abgeordnete aus Hessen und Mitglied des Gesundheitsausschusses im Bundestag), Kai Helge Vogel (Gesundheitsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes), Hartmut Deiwick (Kaufmännischer Leiter der Versandapotheke Aponeo) sowie Luca Christel, Geschäftsführer der Firma Apoly. Christels Firma bietet Vor-Ort-Apotheken und Patienten Versandlösungen an.
Obwohl es in der Runde laut Einladung explizit um das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Versandhandelsverbot von Rx-Arzneimitteln gehen sollte, war kein Apotheker eingeladen. Trotzdem kam Bitkom-Geschäftsführer Dr. Joachim Bühler, der die Runde moderierte, zu dem Schluss: „Wir haben die unterschiedlichsten Perspektiven zu diesem Thema dabei heute Abend!“
Von wem wird der Medikationsplan ausgestellt?
Zu Beginn stellte CDU-Politikerin Leikert in einem kurzen Vortrag dar, was die Große Koalition in dieser Legislaturperiode für die Digitalisierung im Gesundheitswesen getan hat. Doch schon bei der Darstellung des E-Health-Gesetzes, das Leikert im Gesundheitsausschuss mehrfach besprochen haben dürfte, leistete sich die CDU-Politikerin einen Patzer. Sie sprach darüber, dass die Medikationspläne langfristig auch digital verfügbar sein sollen und erklärte zum Status Quo: „Momentan ist der Apotheker verpflichtet, einen Wechselwirkungscheck zu machen und dem Kunden den Plan auszuhändigen.“ Dass die Apotheker beim papiernen Medikationsplan nahezu unbeteiligt sind – sie müssen ihn lediglich auf Patientenwunsch aktualisieren – und ausschließlich die Ärzte das Recht haben, einen Plan auszustellen (und auch dafür entlohnt werden), hatte Leikert wohl vergessen.
Als es dann zum Rx-Versandverbot kam, fragte Leikert den Moderator: „Wollen Sie jetzt die Meinung eines Fraktionsmitgliedes der CDU/CSU oder die einer abgeordneten Bürgerin?“ Die Politikerin lieferte anschließend einfach beides: Weil es nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung zu einer Wettbewerbsverzerrung gekommen sei, betrachte die Unionsfraktion das Verbot als einzige Lösung, diese Ungleichbehandlung aufzulösen. Wirklich glücklich schien sie aber nicht damit: „Das ist so und wird in unserer Fraktion auch nicht diskutiert“, erklärte Leikert. Sie persönlich sei daher der Meinung: „Ich finde diesen Schritt ziemlich radikal.“ Als Begründung lieferte die CDU-Politikerin aus Hessen eine Geschichte aus ihrer Familie: „Meine Schwiegereltern sind schlecht zu Fuß. Die sind einfach auf den Versandhandel angewiesen.“
Bürgerbriefe für den Erhalt des Rx-Versandhandels
Leikert wies auch darauf hin, dass sie 700 „Bürgerbriefe“ bekommen habe, in denen sich die Menschen für den Erhalt des Rx-Versandes aussprechen. Was sie genau mit „Bürgerbriefen“ meinte, erklärte die CDU-Politikerin nicht. Wahrscheinlich ist aber, dass es um die Postkarten- und Brief-Aktion von DocMorris ging. In diesem Zusammenhang leistete sich Leikert allerdings den nächsten Patzer. Sie habe wahrgenommen, dass auch viele Menschen für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheke unterschrieben hätten. „Die Apotheker haben 3 Millionen Unterschriften gesammelt“, erklärte Leikert. Falsch. Über 3 Millionen Signaturen hätte sich die ABDA gefreut, tatsächlich waren es 1,2 Millionen. Letztlich kam Leikert zu dem Schluss: Ich verstehe das Interesse der Apotheker an dem Verbot nicht. Es ist einfach nicht lebensnah. Außerdem sehe ich die Existenz der Apotheke vor Ort nicht aufs Spiel gesetzt.“
Ebenso überrascht reagierte das Publikum auf eine politische Prophezeiung des kaufmännischen Leiters der Versandapotheke Aponeo, Hartmut Deiwick. Auf die Frage, wie denn seine Meinung zum Ausgang des Konfliktes sei, erklärte Deiwick tollkühn: „Der Koalitionsgipfel wird keine Lösung für das Problem finden. Das nehme ich vorweg. Wir werden das Thema noch in einem Jahr diskutieren.“ Möglich ist das natürlich. Aber selbst Leikert reagierte erstaunt und sagte: „Oh, da wissen Sie mehr als ich und viele andere Abgeordnete.“ Ansonsten war Deiwicks Sicht auf die Dinge wenig überraschend. Das Verbot sei ein Schritt „in die völlig falsche Richtung“. Die Politik solle anfangen, sich um die Bürger zu kümmern und nicht nur um die Interessen der Apotheker. Sein Vorschlag: „Rabatte und Boni für alle Apotheken.“
In dieser Runde wirkte Verbraucherschützer Vogel, der auch gegen das Rx-Versandverbot ist, kurioserweise als größter Verteidiger der Apotheke vor Ort. Vogel wies darauf hin, dass die Menschen die Apotheke vor Ort immer brauchen würden. Er bezeichnete das Verbot als „nicht zukunftsfähig“, forderte aber gleichzeitig eine deutliche Honorarerhöhung für die Apotheker im Beratungsbereich. So sollten die Pharmazeuten deutlich intensiver in den Medikationsplan eingebunden werden. In seiner Stellungnahme zum Rx-Versandverbot hatten Vogel und die Verbraucherzentrale auch davor gewarnt, dass Krankenkassen Patienten massenhaft zu Versandapotheken lotsen könnten, wenn sie mit ihnen Selektivverträge über Rx-Boni abschließen würden.
8,54 Euro Apothekenhonorar
Einen sachlich-inhaltlichen Tiefpunkt erreichte die Diskussion, als es um die Verteilung der Apotheken auf dem Land ging. Aponeo-Chef Deiwick konstatierte, dass „die Politik“ sich schon seit Längerem aus der Regionalplanung raushalte. Als Beispiel nannte er die Krankenhäuser, „die ja auch immer weniger werden“. Offenbar ist Deiwick nicht bewusst, dass die Bundesländer sogar dazu verpflichtet sind, den Klinikbedarf zu messen und die Etablierung neuer Krankenhäuser nach Bedarf zu planen.
Leikert beschwerte sich in diesem Zusammenhang darüber, dass „der Apothekerverband“ überhaupt nicht nachweisen könne, wo sich auf dem Land wie viele Apotheken befinden. „Die haben überhaupt keinen Plan, wo die überhaupt sind“, sagte die CDU-Politikerin. Ihr Vorschlag: „Für das Verbot könnten uns die Verbände ja entgegenkommen und einen Sicherstellungsauftrag für ländliche Regionen übernehmen.“ Dass die Bedarfsplanung in Deutschland seit 1958 verfassungsrechtlich untersagt ist und in Deutschland nicht die Verbände sondern die Kammern für die berufsständische Selbstverwaltung zuständig sind, wusste Leikert offenbar nicht.
Der Reisebüro-Vergleich
Schließlich erklärte die CDU-Politikerin: „Die Apotheker müssen doch den Wettbewerb mit dem Versand nicht fürchten. Viele Menschen schätzen doch die Beratung in der Apotheke. Eigentlich sind Apotheken doch wie Reisebüros. Ich werde wahnsinnig, wenn ich mir im Internet eine Reise buchen muss. Viel eher würde ich ins Reisebüro gehen und mich gezielt beraten lassen.“
Ein letztes Schmankerl gab es dann in der Fragerunde. Ein Zuhörer stellte die berechtigte Frage, warum die Politik seit Monaten ein Beratungshonorar als Alternative zum Verbot ins Spiel bringe, aber gleichzeitig verhindert habe, dass die Apotheker am Medikationsplan beteiligt und dafür vergütet werden. Leikert erklärte ausweichend: „Ehrlich gesagt habe ich mich mit diesen alternativen Vergütungsmodellen noch nie beschäftigt. Ich kenne nur die 8,54 Euro pro Packung.“
7 Kommentare
Kaiser Neron hat sich über den Befehl und anschließend den Brand von Rom amüsiert ?
von Orhon am 02.04.2017 um 9:56 Uhr
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Toller Vergleich, Frau Leikert!
von Thomas Mucha am 29.03.2017 um 20:43 Uhr
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Gehts noch inkompetenter ?
von Ratatosk am 29.03.2017 um 18:39 Uhr
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Erschreckend
von Anita Peter am 29.03.2017 um 14:06 Uhr
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Traurig aber wahr....
von Michael J. Müller am 29.03.2017 um 13:58 Uhr
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Leikert
von Frank ebert am 29.03.2017 um 12:55 Uhr
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Eigentlich....
von gabriela aures am 29.03.2017 um 11:56 Uhr
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