EuGH-Urteil

Versandapotheker wollen warten statt klagen

Stuttgart - 20.04.2017, 09:00 Uhr

In Sachen EuGH-Urteil heißt es bei vielen deutschen Versandapotheken offenbar erstmal abwarten. (Foto: dpa)

In Sachen EuGH-Urteil heißt es bei vielen deutschen Versandapotheken offenbar erstmal abwarten. (Foto: dpa)


Wie reagieren die deutschen Versandapotheken auf das EuGH-Urteil und die damit verbundene Diskriminierung gegenüber europäischen Versendern? Anstatt wie teilweise angekündigt Rabatte anzubieten und diese auf dem juristischen Weg durchzusetzen, bauen sie auf eine politische Lösung – und hoffen auf die nächste Bundesregierung.

Das EuGH-Urteil zu Rx-Boni vom 19. Oktober 2016 könnte nicht nur für Vor-Ort-Apotheken mit erheblichen Nachteilen einhergehen – auch deutsche Versandapotheken sind durch die Entscheidung benachteiligt. Denn der europäischen Konkurrenz ist erlaubt, was ihnen nach deutschem Recht verboten bleibt – nämlich Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zu geben.

So folgten auf die Entscheidung deutliche Ankündigungen. „Wenn die Verbände nicht gegen die drohende Inländerdiskriminierung klagen, werden wir es tun“, erklärte Konstantin Primbas, Inhaber der Versandapotheke Aponeo am Tag der Urteilsverkündung. „Wir wollen den Klageweg gehen“, bestätigte auch der kaufmännische Leiter der Berliner Versandapotheke, Hartmut Deiwick, gegenüber DAZ.online. Gleichzeitig sprach Deiwick gegenüber der „WirtschaftsWoche“ von Überlegungen, den Sitz der Apotheke vielleicht in die Niederlande zu verlagern. Wie sieht es heute aus? DAZ.online hat nachgefragt.

Keine Einigung vor der Bundestagswahl

„Ich sehe keine realistische Chance, dass es vor der Wahl eine politische Lösung gibt“, erklärt Heinrich Meyer, leitender Apotheker der Versandapotheke Sanicare und stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA), auf Nachfrage. Die Möglichkeit, als deutsche Versandapotheke Boni anzubieten und auf dem Klageweg zu erreichen, dass sie durch ein deutsches Gericht gestattet werden, hält er für Sanicare „nicht für ein geeignetes Mittel“. 

Juristische Auseinandersetzungen würden lange dauern

„Dies würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, eine politische Lösung würden wir in jedem Fall bevorzugen“, betont Meyer. „Lösungen suchen wir immer im gesetzlich zulässigen Rahmen. Eine gerichtliche Klärung streben wir derzeit nicht an.“

Dabei sei die aktuelle Lage „die alte Inländerdiskriminierung, die wir mal hatten“, erklärt der BVDVA-Vize. Er kann „überhaupt nicht nachvollziehen“, das die ABDA ihre Position nicht überdenkt – sondern weiterhin sagt, das Rx-Versandverbot sei alternativlos. „Für uns ist es wichtig, weiter aufzuzeigen, warum der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sehr wichtig für die Versorgung der Bevölkerung ist“, erklärt Meyer.

Seiner Ansicht nach sollte „begrenzter Wettbewerb“ zugelassen werden. „Es gibt durchaus Instrumente, wie die Versorgung mit Offizinapotheken im ländlichen Raum sichergestellt werden könnte – wie den BVDVA-Vorschlag für ein verändertes Vergütungssystem“, erklärt Meyer. „Wir sehen gute Möglichkeiten, durch die Überarbeitung des Vergütungssystems eine gute Versorgung in der Fläche sicherzustellen.“ 

Verstoß gegen Preisbindung mit hohen Abmahnkosten verbunden

Deiwick von Aponeo hat seine Einschätzung zwischenzeitlich geändert, wie er gegenüber DAZ.online erläutert. „Kurz nachdem das EuGH-Urteil verkündet wurde, habe ich in einer ersten Reaktion auf die Möglichkeit des Klageweges verwiesen“, erklärt er. Im Nachgang habe sich jedoch herausgestellt, dass der juristische Weg, den Aponeo gehen könnte, sehr risikobehaftet sei.

„Würden wir beispielsweise entgegen der gesetzlich vorgeschriebenen Preisbindung handeln und den Kunden Rabatte gewähren, hätte dies hohe Abmahnkosten zur Folge“, betont Deiwick. „Zwar würde sich dadurch die Tür für eine Klage eröffnen, aber eben mit finanziellen Nachteilen. Aus diesem Grund habe ich diese Option verworfen.“

Auch er geht nicht davon aus, dass sich vor der Wahl an der aktuellen Lage etwas ändert. „Eine Einigung der Koalitionäre sehe ich hierzu nicht“, erklärt Deiwick. „Es bleibt uns demnach auch nichts Anderes übrig, als mit den gegebenen Umständen zu leben und auf eine zukunftsweisende, d.h. die Interessen der deutschen Apotheker vertretende Gesetzesänderung nach der Wahl zu bauen“, sagt er. „Wir warten jetzt die Wahl und die sich daraus ergebende Koalition ab.“ Solange sei es Aufgabe der Verbände, an dem Thema dran zu bleiben. Auch ein Umzug ins Ausland steht aktuell offenbar nicht mehr auf der Agenda.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Einschläferungsaktion für einen Berufsstand ...

von Christian Timme am 20.04.2017 um 11:47 Uhr

Das endgültige "Einknicken" Deutschlands vor dem EuGH wird im Moment nur durch ein "politisches Nickerchen" verschoben. Durch diese doppelte Duldung, untermalt durch ABDA-Plakate mit Postboten und niedlich dreinblickenden Kindern, wird nur die eigene und bundespolitische Unfähigkeit gegenüber den "dauerhaft Beschnittenen" orchestriert. Die "Realität" beginnt sich bereits "einzurichten", es will nur noch niemand wahrhaben ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Einschläferungsaktion für einen ...

von Christian Timme am 20.04.2017 um 12:14 Uhr

Und noch etwas ... die deutschen Postboten machen nur ihren Job, genauso wie die deutschen Apotheken. Wer hier seinen Job nicht macht, ist bekannt ... arme Apotheker ... arme Postboten ... und die Kinder ... dürfen die Türen öffnen ...

Honorar

von Anita Peter am 20.04.2017 um 9:29 Uhr

Wie hoch das Honorar nach einer möglichen Umgestaltung auch ausfallen mag, den vollen Anspruch darauf sollten nur Apotheken haben die das volle Apothekenspektrum anbieten ( BTMs, Rezepturen, Kühlartikel, Nacht und Notdienst etc etc und dem Kontrahierungszwang unterliegen ) Alle anderen erhalten als reine Distributoren 1,50 Euro pro RX Packung. Die 3% Pauschale erhalten für das 24-stündige Vorhalten der Medikamete, v.a. auch im Notfall, nur die Vor Ort Apotheken. Im Notfall oder einer Pandemie kann DoMo die Bevölkerung nicht versorgen.
In D gilt dann weiterhin die Preisbindung. DoMo und Konsorten können dann von ihren 1,50 Euro soviel Boni geben wie sie wollen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.