OLG Düsseldorf

Gericht lässt Apotheker-Lager für Rx-Boni-Verfahren zahlen

Berlin - 28.04.2017, 17:15 Uhr

Der Rechtsstreit der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung ist formal abgeschlossen – doch für die Apotheker wirkt er faktisch weiter. (Foto: Sebra / Fotolia)

Der Rechtsstreit der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung ist formal abgeschlossen – doch für die Apotheker wirkt er faktisch weiter. (Foto: Sebra / Fotolia)


Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung hätte das Verfahren hierzulande eigentlich weitergeführt werden müssen. Dazu kam es aber nicht. Nach der Beendigung des Rechtsstreits hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nun festgelegt, dass die Wettbewerbszentrale, die für den Erhalt der Preisbindung gekämpft hatte, alle Kosten tragen muss. Das Gericht stellt sich ganz auf die Seite des DocMorris-Lagers.

Der jahrelange Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) ist beendet. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in der vergangenen Woche entschieden, dass die klagende Wettbewerbszentrale die Kosten des Verfahrens tragen muss. Umfasst sind sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten aller Instanzen, inklusive der für den Europäischen Gerichtshof. Es ist anzunehmen, dass auch die Apotheker einen Teil zu den Kosten beitragen. Doch zu einer etwaigen Vereinbarung zur Kostenübernahme wollten sich weder die Wettbewerbszentrale noch die ABDA äußern.

Eigentlich hätte der Prozess zur Gewährung von Rx-Boni durch DocMorris nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016 am OLG Düsseldorf fortgesetzt werden sollen. Der 20. Zivilsenat, der die Rx-Boni-Frage den Luxemburger Richtern vorgelegt hatte, hätte unter den neuen europarechtlichen Prämissen ein abschließendes Urteil fällen müssen. Doch im Februar verkündete die beklagte DPV, sie wolle nicht weiter um die Rx-Boni von DocMorris streiten, mit denen sie im Jahr 2009 bei ihren Mitgliedern geworben hatte. Vielmehr wendete sich die Selbsthilfeorganisation von DocMorris ab und suchte den Schulterschluss mit den Apotheken vor Ort. Sie gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, von der beanstandeten Werbung künftig abzusehen. Parkinsonvereinigung und Wettbewerbszentrale erklärten in der Folge den vor dem OLG Düsseldorf anhängigen Rechtsstreit für erledigt.

Vor diesem Hintergrund hatte der 20. Zivilsenat nun nur noch zu entscheiden, wer für die Kosten des gesamten Rechtsstreits aufzukommen hat. Bei einer solchen Kostenentscheidung muss das Gericht darauf abstellen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn die Hauptsache nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre.

Keine Seite gibt auf

Beide Seiten waren überzeugt: Es ist die jeweils andere Partei, die die Rechnung tragen muss. Sowohl die Wettbewerbszentrale als auch die DPV ließen durch ihre Anwälte nochmals umfassend vortragen, warum sie dieser Meinung sind. Die sonst für DocMorris tätige Hamburger Kanzlei Dieckmann brachte dazu stattliche 72 Seiten bei. Aber auch die Wettbewerbszentrale fuhr nochmals Argumente auf, warum die EuGH-Entscheidung nicht zwingend zu einem Ausgang zugunsten der beklagten DPV geführt hätte. 

Der Senat führt in seinem nicht mehr anfechtbaren Kostenbeschluss auf 25 Seiten aus, warum die Klage der Wettbewerbszentrale selbst bei einer Fortführung des Verfahrens nach dem EuGH-Urteil abzuweisen gewesen wäre. Das Gericht setzt sich also durchaus mit den Argumenten der Wettbewerbszentrale auseinander. Allerdings weist er sie allesamt zurück und stellt sich letztlich auf die Seite des DocMorris-Lagers.

OLG Düsseldorf gibt dem EuGH Recht

Was die inhatliche Argumentation betrifft, gibt das OLG Düsseldorf also letztlich dem EuGH und somit DocMorris Recht: Die Wettbewerbszentrale hatte unter anderem eingewandt, dass das EuGH-Urteil aufgrund der mangelnden Kompetenz der EU für das Gesundheitswesen der Mitgliedsstaaten keine Bedeutung für den Rechtstreit hierzulande habe. Das sieht das OLG aber anders: Das EuGH-Urteil entfalte sehr wohl eine Bindungswirkung gegenüber dem Senat als vorlegendem Gericht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege nicht vor.

Die OLG-Richter räumen zwar ein, dass die Mitgliedstaaten verantwortlich sind für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik, die Organisation ihres Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung (Art. 168 Abs. 7 AEUV). Dies befreie sie jedoch nicht davon, ihre Gesundheitsmaßnahmen „primärrechtskompatibel“ auszugestalten. Das heißt: Sie müssen die europäischen Grundfreiheiten beachten. Dazu gehört der freie Warenverkehr. Auf diesen hatte sich DocMorris während des Rechtsstreits immer wieder bezogen.

Wenn der EuGH die Rechtfertigung regulierender Maßnahmen prüfe, lege er zwar einen strengen Maßstab an. Er erkenne den Mitgliedstaaten im Gesundheitsbereich aber auch „gewisse Spielräume“ zu, betont das OLG. So auch im DPV-Verfahren. Allerdings: Zu der Frage, ob die Preisbindung geeignet und erforderlich ist, um das Ziel einer flächendeckenden, sicheren und qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung zu erreichen, sei das Vorbringen der Bundesregierung „offensichtlich schon im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung gescheitert“. Anders seien die Ausführungen des EuGH nicht zu verstehen, der die Argumente unter anderem als nicht genügend „untermauert“ befand.

Die Wettbewerbszentrale hatte überdies bemängelt, dass der EuGH sich nicht mit den Urteilen der obersten deutschen Gerichte zur Frage der Rx-Preisbindung für ausländische Versandapotheken auseinandergesetzt hat. Doch auch das macht das EuGH-Urteil aus Sicht der OLG-Richter nicht angreifbar. Der EuGH habe erklärt, weshalb er einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit annimmt und eine Rechtfertigung ablehnt. Damit sei gleichzeitig gesagt, dass er die Auffassungen des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesgerichthofs nicht teilt, heißt es knapp im Beschluss. Einer schriftlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten dieser nationalen Gerichte habe es nicht bedurft.

Sachverständigenrats-Gutachen 2014 im Fokus

Sehr viel ausführlicher geht das OLG auf den Einwand ein, der EuGH habe Wertungen, die eigentlich den Mitgliedstaaten vorbehalten sind, durch eigene und zudem hypothetische Annahmen ersetzt. Die Wettbewerbszentrale hatte auf die Argumentation des EuGH verwiesen, mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken würde die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln fördern, weil Anreize zu Niederlassung in Gegenden gesetzt würden, in denen wegen der geringen Zahl von Apotheken höhere Preise verlangt werden könnten. Das OLG hält dem entgegen, dass es sich bei den vom EuGH für diese Aussage in Bezug genommenen Unterlagen der Kommission um das Gutachten des Gesundheits-Sachverständigenrates aus dem Jahr 2014 handele.

Auf dieses Gutachten mit seinen denkwürdigen Vorschlägen zur Deregulierung (z. B. Einführung einer Apothekentaxe für Rx-Arzneien mit apothekenindividuellen Handelsspannen, Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots, Erlaubnis zur Führung einer Apotheke als GmbH oder AG) geht das Gericht sodann umfassend ein. Es kommt dabei zu dem Schluss, es könne „keine Rede davon sein”, dass die Annahme des EuGH mehr Preiswettbewerb fördere die gleichmäßige Versorgung rein hypothetischer Natur sei. „Sie beruht vielmehr auf einer umfassenden Auswertung der Fakten durch Fachleute unter Berücksichtigung der Komplexität der Systeme und ist vom Gesetzgeber ernsthaft zu prüfen“, heißt es im Beschluss.

Dass der Sachverständigenrat hier umfassende Untersuchungen durchgeführt hat, wird allerdings von anderen Experten bezweifelt. So etwa dem Stuttgarter Juristen Heinz-Uwe Dettling in einem Beitrag der Zeitschrift Arzneimittel und Recht (Nr. 6, 2016, S. 251). Und auch die Bundesregierung hatte die Vorschläge der Sachverständigen für einen verstärkten Preiswettbewerb seinerzeit rundweg abgelehnt.

Keine überzeugenden Studien

Das OLG lässt sich ferner nicht von einer Studie der Sempora Consulting beeindrucken, die die Wettbewerbszentrale vorgelegt hat. Danach soll jeder zweite Verbraucher erklärt haben, seine Rezepte zukünftig im Versand einlösen zu wollen, wenn er dafür zwei Euro Bonus bekomme. Doch die Studie trage diese Behauptung nicht, erklärt der Senat. Verlässliche Daten zur Berechnung eines den niedergelassenen Apotheken drohenden Umsatzeinbruchs ließen sich ihr nicht entnehmen.

Auch im Weiteren muss sich die Wettbewerbszentrale ähnliche Vorwürfe anhören wie schon vom EuGH. Zu vieles bleibe offen, meinen die Richter. Von „durch nicht unterfütterten Behauptungen“ ist die Rede und einer „Pauschalität dieses Vorbringens, das von keinerlei Konkretisierungen begleitet wird“.

Auch wenn der Kostenbeschluss das Verfahren nun im formal-juristischen Sinne beendet hat – die Folgen dieses Rechtsstreits werden die Apotheker noch eine Weile begleiten.

Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. April 2017, Az.: I-20 U 149/13



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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